Das Determinismusproblem - Freiheit als Selbst-Determination

Autor/innen

  • Dieter Wandschneider

Abstract

Es gibt Argumente für den Determinismus. Dem steht freilich das Faktum alltäglicher Autonomieerfahrung entgegen. Im Folgenden wird für die Kompatibilität von Determinismus und Autonomie argumentiert. Anknüpfend an Überlegungen Donald MacKays lässt sich zeigen, dass ich allfällige eigene Determinationen prinzipiell nicht voherwissen kann, eine fatalististische Einstellung somit nicht begründbar ist. Diesem subjektiv-epistemischen Indeterminismus steht die objektive physikalische Determination, zumal auch der Gehirnprozesse, gegenüber. Wiederholt ist versucht worden, die Möglichkeit von Autonomie unter Hinweis auf die quantenphysikalische Unbestimmtheit zu verteidigen. Doch deren statistischer Zufallscharakter verfehlt klar den Sinn von Autonomie. Entscheidend ist demgegenüber die Möglichkeit des Wissens, das die Chance für Planung, Wahlfreiheit und letztlich Selbst-Wahl eröffnet. Resultate neurobiologischer Forschungen, insbesondere Benjamin Libets und neuerdings John-Dylan Haynes’, scheinen das zu widerlegen: Handlungen werden vor der bewussten Entscheidung unbewusst eingeleitet. Doch, wie Libet auch gezeigt hat, hat das Bewusstsein stets die Möglichkeit eines Vetos - und damit eben auch der wissensgesteuerten Handlungskontrolle. Letztlich kann so die Idee möglicher Selbstwahl selbst zur determinierenden Bedingung werden. Eine solche Form rationaler Selbst-Determination begründet überhaupt erst eine geistige Identität und repräsentiert zugleich das Maximum menschenmöglicher Autonomie.

Schlüsselwörter Determinismus; Autonomie; Fatalismus; Hirnforschung; Libet; Selbstwahl; Selbst-Determination.

Autor/innen-Biografie

Dieter Wandschneider

Dieter Wandschneider, Dr. phil., geb. 1938 in Bremerhaven, Professor i.R. für Philosophie an der Philosophischen Fakultät der Universität RWTH Aachen. 1965 Physikdiplom an der Universität Hamburg. 1970 Promotion in Philosophie (‘Formale Sprache und Erfahrung. Carnap als Modellfall’), 1978 Habilitation in Philosophie („Raum, Zeit, Relativität. Grundbestimmungen der Physik in der Perspektive der Hegelschen Naturphilosophie“), 1983-1987 Professor für Philosophie an der Universität Tübingen, 1988-2004 Lehrstuhl für Philosophie und Wissenschaftstheorie an der Universität RWTH Aachen. - Forschungsschwerpunkte: Dialektiktheorie (Hegel), Naturphilosophie, Technikphilosophie, Leib-Seele-Problem und künstliche Intelligenz, Deutscher Idealismus (insbes. Hegel).

Korrespondenz: Prof. i.R. Dr. Dieter Wandschneider, Am Chorusberg 57b, 52076 Aachen, Deutschland

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Veröffentlicht

01.04.2010

Zitationsvorschlag

Wandschneider, D. (2010). Das Determinismusproblem - Freiheit als Selbst-Determination. Psychotherapie-Wissenschaft, (2), 100–107. Abgerufen von https://psychotherapie-wissenschaft.info/article/view/21