Der deliktorientierte Therapieansatz in der Behandlung von Straftätern - Konzeption, Methodik und strukturelle Rahmenbedingungen im Zürcher PPD-Modell

Autor/innen

  • Frank Urbaniok

Abstract

Die Therapie von Straftätern folgt im angelsächsischen Raum lerntheoretischen Konzepten. Durch eine zu starre und einseitige Anwendung bleibt therapeutisches Potenzial oft ungenutzt. In Europa haben tiefenpsychologische Ansätze lange Zeit zu einer Vernachlässigung deliktorientierter Vorgehensweisen geführt. In Zürich ist mit dem PPD-Modell (Psychiatrisch-Psychologischer Dienst, Justizvollzug Kanton Zürich) ein wegweisendes forensisches Modell entstanden, das professionelle Risikoeinschätzungen vornimmt und ein breites deliktpräventives Therapieangebot für Straftäter bereitstellt. Als Fachzentrum ist der PPD Teil der Justiz und innerhalb der Justizorganisation mit Verantwortung und Entscheidungskompetenz ausgestattet, sodass damit tragfähige strukturelle Rahmenbedingungen für eine innovative forensische Psychiatrie bestehen.

Die Behandlungsphilosophie des PPD folgt dem Grundsatz: Spezielle, deliktorientierte Interventionen als Pflichtprogramm und Behandlung der spezifischen Problemstellungen der Grundpersönlichkeit als komplementärer Anteil der Therapie.

Der Artikel stellt den deliktorientierten Behandlungsansatz vor, so wie er im Rahmen des Zürcher Modells praktiziert wird.

Als generelle paradigmatische Prinzipien werden u.a. eine klare Zielorientierung auf die Verminderung von Rückfallrisiken, maximale Transparenz, Offenheit, Respekt, die Förderung von Selbständigkeit, Eigenverantwortung, Interdisziplinarität und eine konsequent pragmatische Ausrichtung vertreten. Die spezifisch deliktorientierten Techniken zielen in ihrer theoretischen Ausrichtung vor allem auf zwei Bereiche: erstens auf die Erhöhung der Steuerungsfähigkeit und zweitens auf die Verminderung der Deliktmotivation. Zur Veranschaulichung der praktischen Anwendung werden die Therapieelemente „Deliktrekonstruktion" und „Deliktteilarbeit" skizziert.

Der Autor widerspricht dezidiert der in Europa zum Teil verbreiteten These, dass die Behandlung von Straftätern keine psychotherapeutische Spezialdisziplin sei. Sowohl Therapien als auch Risikokalkulationen gewinnen erheblich an Effektivität, wenn ihnen spezialisierte und differenzierte Konzepte zugrunde gelegt werden.

Schlüsselwörter:
Zürcher Modell; Straftäter-Therapie; deliktorientierte Therapie; Deliktrekonstruktion; Deliktteilarbeit.

Autor/innen-Biografie

Frank Urbaniok

Frank Urbaniok ist Psychiater und Chefarzt des Forensikzentrums PsychiatrischPsychologischer Dienst im Justizvollzug des Kantons Zürich. Mit Schwerpunkt Gewalt-und Sexualstraftaten ist er als Therapeut, Supervisor und Gutachter tätig und leitet verschiedene forensische Therapie- und Forschungsprojekte. Er entwickelte u.a. ein neues Prognoseverfahren (FOTRES) und ist Begründer des Modells der Teamorientierten Stationären Behandlung (TSB).

Korrespondenz: Dr. med. Frank Urbaniok, Psychiatrisch Psychologischer Dienst, Justizvollzug Kanton Zürich, Feldstrasse 42, 8090 Zürich

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Veröffentlicht

01.10.2003

Zitationsvorschlag

Urbaniok, F. (2003). Der deliktorientierte Therapieansatz in der Behandlung von Straftätern - Konzeption, Methodik und strukturelle Rahmenbedingungen im Zürcher PPD-Modell. Psychotherapie-Wissenschaft, 11(4), 202–213. Abgerufen von https://psychotherapie-wissenschaft.info/article/view/418