Psychosomatik – Integration oder Polarisierung

Autor/innen

  • Pierre Loeb

Abstract

Der Paradigmenwechsel von der dualistischen (polaren) zur multifaktoriellen bio-psycho-sozialen Sichtweise ist heute Allgemeingut und wird durch die neurobiologischen Entdeckungen untermauert. Häufig geschlagene oder misshandelte Kinder weisen psychobiologische und „Verhaltens“-Narben auf, also nicht nur psychische Störungen, sondern ebenso somatische Erkrankungen wie Diabetes (Typ 2), Schlaganfälle und koronare Herzkrankheit treten im Verlauf des Lebens in dieser Population gehäuft auf. Was Psychoanalyse und Psychosomatik postuliert hatten, kann jetzt mittels bildgebender Verfahren und neuer Studien wissenschaftlich nachgewiesen werden: Frühe Traumatisierungen oder Ausgeschlossensein führen zu Somatisierungsstörungen, zu psychischen und somatischen Krankheiten, die zum Teil erst nach Jahrzehnten manifest werden. Neue Möglichkeiten in der Behandlung sehen wir in der Psychoedukation, in der wir unseren Patienten die neurobiologischen Erkenntnisse erklären. Ein Unterfangen, das aber gerade bei fremdsprachigen Patienten oft nicht greift. Das therapeutische Vorgehen in der hausärztlichen Praxis hängt sehr von der eigenen Ausbildung ab und wird näher beschrieben. Obwohl man denken sollte, dass der Paradigmenwechsel hinreichend bekannt ist und im Praxisalltag umgesetzt wird, sieht die Realität anders aus: „Psycho“-Diagnosen werden abgelehnt, die Behandlungen gelten als zu teuer und unter Ärzten sind diese „schwierigen Patienten“ unbeliebt. Dazu kommt, dass psychosomatisch arbeitende Ärzte in der Schweiz vom Krankenkassenverband jährlich mit Rückforderungsandrohungen belästigt werden, weil sie angeblich „zu teuer“ sind.

Schlüsselwörter Psychosomatik; Traumatisierung; Psychosoziale Belastung; Schutzfaktor; Krankenkasse; somatoforme Störung

Autor/innen-Biografie

Pierre Loeb

Dr. med. Pierre Loeb, Präsident der Schweizerischen Akademie für Psychosomatische und Psychosoziale Medizin, niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin FMH und Psychosomatische und Psychosoziale Medizin SAPPM.

Korrespondenz: Postfach 318, 4008 Basel, Schweiz

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Veröffentlicht

01.01.2008

Zitationsvorschlag

Loeb, P. (2008). Psychosomatik – Integration oder Polarisierung. Psychotherapie-Wissenschaft, (1), 3–7. Abgerufen von https://psychotherapie-wissenschaft.info/article/view/97