Depression – ein komplexes dynamisches System

Autor/innen

  • Günter Schiepek

DOI:

https://doi.org/10.30820/1664-9583-2020-2-49

Schlagworte:

personalisierte Psychotherapie, Prozessmonitoring, therapeutische Verlaufsmuster, Ordnungsübergänge, Frühwarnindikatoren, neuronale Prozessmuster, nichtinvasive Neurostimulation

Abstract

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit neueren Befunden zur Depressionsforschung, vor allem zur psychotherapeutischen Behandlung von Depression. Auf Wunsch der Redaktion sollte damit auch eine Synopse der wissenschaftlichen und praktischen Entwicklungen gegeben werden, die am Institut für Synergetik und Psychotherapieforschung der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg und der kooperierenden Forschergruppen stattfinden. Ein Schwerpunkt liegt in der Personalisierung der Psychotherapie und betrifft sowohl neuere Methoden der Fallkonzeption (z.B. idiografische Systemmodellierung und deren computerbasierte Visualisierung) als auch Verfahren des hochfrequenten Prozessmonitorings und Prozessfeedbacks. Hierfür wurde das Internetund App-basierte Synergetische Navigationssystem (SNS) entwickelt und erprobt. Die Verläufe der Psychotherapie depressiver Patient*innen zeigen diskontinuierlich Sprünge dynamischer Muster (sogenannte Ordnungsübergänge), die von einer erhöhten kritischen Instabilität (dynamische Komplexität) und zeitlich begrenzter Synchronisation der Items eines Prozessbogens eingeleitet werden. Erhöhte kritische Instabilität ist zudem prädiktiv für besseren Therapieerfolg. In einer Studie an komorbid depressiven Patient*innen mit Zwangsstörungen wurde deutlich, dass sich neben klinischen Verbesserungen auch die funktionelle Konnektivitätsdynamik neuronaler Netze verändert. Wiederholte fMRT-Scans zeigten, dass Flexibilität und Fluidität der Neurodynamik mit der Psychopathologie (z.B. Depressionsintensität, BDI) negativ assoziiert sind, aber im Verlauf von Psychotherapie zunehmen. Abschliessend erfolgt eine Einschätzung von Möglichkeiten, nichtinvasive Neurostimulation mit Psychotherapie zu kombinieren.

Autor/innen-Biografie

Günter Schiepek

Günter Schiepek, Univ.-Prof. Dr. phil. Dr. phil. habil, ist Leiter des Instituts für Synergetik und Psychotherapieforschung an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg (PMU), Professor an der PMU sowie an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Gastprofessor an der Sapienza Universität Rom, Geschäftsführer des Center for Complex Systems (Stuttgart/Salzburg), Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste (Academia Scientiarium et Artium Europaea) und Ehrenmitglied der Systemischen Gesellschaft (Deutscher Dachverband für systemische Forschung, Therapie, Supervision und Beratung).

Veröffentlicht

16.10.2020

Zitationsvorschlag

Schiepek, G. (2020). Depression – ein komplexes dynamisches System. Psychotherapie-Wissenschaft, 10(2), 49–58. https://doi.org/10.30820/1664-9583-2020-2-49