Rezension

Theodor Itten

Ernst Kern: Personzentrierte Körperpsychotherapie

2014, München, Ernst-Reinhardt-Verlag. 186 Seiten, SFr. 34,60

Der Autor des hier besprochenen Leitbuches zu körperorientierter Psychotherapie hat sich in dieser für Patientinnen und Patienten hilfreichen Vorgehensweise in der Schweiz im Charta-anerkannten GFK-Ausbildungsinstitut von Ernst Juchli und Christiane Geiser ausbilden lassen. Als Dank hat er dieses, sein erstes, Buch den zwei Pionieren gewidmet. Die therapeutische Zugangsweise, welche den „alten“ personzentrierten Ansatz der Sprechbehandlung mit der nun vertieften Berücksichtigung des Körperlichen anreichert, ist zeitgemäss. Wie es die Grundformen dieser humanistischen Psychotherapie-Methode beinhalten, welche auf den amerikanischen Psychologen Carl Rogers (1902–1987) zurückgeht, werden die Empathiefähigkeit und Passungserreichbarkeit in der therapeutischen Begegnung, in bedingungsfreier Anerkennung dessen, was die oder der andere in dieser Begegnung erst mal ist, supponiert. Die Leiblichkeit des Klienten, der Klientin nun differenziert wahrzunehmen, diese nichtverbale Kommunikation in die verständnisvolle Begegnung zweier Menschen einfliessen zu lassen, macht die Methode noch effektiver. Für GFK (Gesprächspsychotherapie, Focusing, klientenzentrierte Körperpsychotherapie) sind die Erfahrung und das somatische Erleben zentral in der Befähigung des Erkennens dessen, was sich im seelischen Leiden der Hilfesuchenden dem Therapeuten, der Therapeutin zeigt.

Das für Praktiker konzipierte Buch ist in acht Kapitel unterteilt. Das erste konzentriert sich auf die phänomenologischen Grundlagen der personzentrierten Körperpsychotherapie. Alles ist schön der Reihe nach aufgelistet und erklärt, wie zum Beispiel die Unterscheidung des somatischen Körpers und des von innen her gefühlten Leibes. Das eigene erlebte Selbstbild und die Reflexion des beobachtenden Fremdbildes sind in einem dialektischen Kreis der Intrasubjektivität aufgehoben. In einer Rückbesinnung auf Carl Rogers, bei dem der Organismus als zentrale Bewertungsinstanz des Menschen gesehen wird, erkennen wir wieder einmal mit dem Gründer der Encounter-Gruppe, dass die selbstbefähigende subjektive Stimmigkeit sich fortdauernd in einer affektiv-leiblichen Erfahrung zeigt. Das Leben ist eine somatische Erfahrung. Jedoch muss laut dem Autor dieses Lehrbuches die schon existierende Konzeptionsvielfalt mit dem interaktionistischen Konzept der Selbstwerdung von Daniel Stern ergänzt werden. Diese einführenden Spielereien dienen ausschliesslich der Kontaktbefähigung der Klientinnen. Zehn Thesen zu diesen Grundlagen beenden dieses Kapitel. „Die personenzentrierte Körperpsychotherapie“, so die Quintessenz, „achtet auf die Möglichkeit des Patienten, wirklich ‚da‘ bleiben zu können, und versucht diese zu verbessern.“ Im zweiten Kapitel folgt die erweiterte Perspektive durch die zu lernende Säuglingsbeobachtung, welche das neue Verständnis der Entwicklung des Selbsterlebens unterstützt. Die moderne neurologische Sicht darf selbstverständlich in so einer Studie nicht fehlen. Die Forschungsarbeit von Damasio und anderen wird beigezogen, damit die neuesten Erkenntnisse der Neurobiologie mit ihren spezifischen Schlussfolgerungen für die Körperpsychotherapie brauchbar gemacht werden können. Die Routine der fokussierten Achtsamkeit der Psychotherapeutin, des therapeuten kann eine brauchbare Handlungsanleitung für die Patientinnen sein. Erstaunt bin ich, wenn ich lese, dass die starke Betonung des Körpererlebens und der achtsamen inneren Wahrnehmung die personzentrierte Körperpsychotherapie von anderen Körperpsychotherapien unterscheidet. Handeln doch, so meine eigene Erfahrung, die Bioenergetik, die Integrative Körperpsychotherapie und die Biosynthese ebenso. Die Schulenvarianz in der Wirksamkeit beträgt lediglich 15 % oder weniger des ganzen Therapieerfolges, wie die neusten Resultate der PAP-S-Studie zeigen. Die Grundhaltungen in der psychotherapeutischen Praxis nach Carl Rogers werden in verschiedenen Übungen aufgezeigt. Die praktischen Anleitungen für eine energetische Wahrnehmung, die Geschichte der eigenen Körperlichkeit, das Einüben der Grenzeinhaltung als Respekt gegenüber dem Leibraum des anderen sind gelungen. Viele weitere Arbeitsblätter sollen die verschiedenen Übungen für die Therapeutin, den Therapeuten möglich machen, welche danach im therapeutischen Alltag als Entwicklungsprozesse zur Unterstützung der Klientin umgesetzt werden können. Selber üben, üben, üben, das ist die Basis des Alltags eines körperorientierten Praktikers.

Im nächsten Kapitel werden wir in die Sprache des Körpers eingeführt. Das „Alphabet der Leiblichkeit“ ist ein wichtiger Aspekt in der Psychotherapie, damit, so der Autor, wir unsere Wahrnehmung in einem geschützten Raum nach innen richten können. Ein wichtiger Teil dieser Innenschau ist das Entdecken des eigenen Körperbildes, welches danach beschrieben werden kann. Diverse Fallbeispiele lockern das theoretische Lesen auf, bevor wir im sechsten Kapitel nochmals ein neues Modell, das der körperpsychotherapeutischen Entwicklungsphasen nach Röhricht präsentiert bekommen. Damit wir Leserinnen und Leser, welche schon eine Weile als Psychotherapeutinnen tätig sind, dieses erweiterte Modell gut in unsere Praxis einfügen können, gibt es mehrere, für Körperpsychotherapeutinnen bereits bekannte Übungen, Fallbeispiele und Erfahrungsgeschichten. Wie dieses hier en détail präsentierte Modell bei verschiedenen psychischen Störungsbildern erfolgversprechend eingesetzt werden kann, berichtet das zweitletzte Kapitel. Ernst Kern, als leitender Psychologe in einer psychiatrischen Klinik tätig, berichtet in verschiedenen Lehrfällen die Praxis seines Spitalalltags. Ob bei Depressionen, Angststörungen, Sucht oder Borderline-Persönlichkeitsstörungen, der geübte fachmännische Einbezug von körperpsychotherapeutischen Zugängen erleichtert die Heilungswirksamkeit der Selbstorganisation der Personen, die derlei Dienst in ihrer Seelennot aufgesucht haben. Eine ausführliche Literaturliste und ein praktisches Sachregister runden dieses schlanke, zeitweise dissertationsmässig geschriebene, jedoch reichhaltige Buch ab.