Originalarbeit (Themenheft)

Anton Leitner, Alexandra Koschier, Gerhard Hintenberger, Christoph Pieh

Psychotherapie auf dem Weg zur Akademisierung?

Zusammenfassung: Bereits seit einigen Jahren fordert das Bundesministerium für Gesundheit in Deutschland eine Psychotherapie-Direktausbildung. Damit könnte Psychotherapie, vergleichbar mit Medizin oder Psychologie, studiert werden. In Österreich gibt es ähnliche Überlegungen. Der Artikel befasst sich mit der Frage, welche Vor- und Nachteile eine solche Akademisierung gegenüber der aktuellen Psychotherapieausbildung hätte. Sowohl für die aktuelle Psychotherapieausbildung als auch für die Akademisierung lassen sich Vor- und Nachteile anführen. Zudem muss der Begriff der Akademisierung klarifiziert werden. Welche Veränderungen auch kommen, für sie gelten die drei folgenden Anforderungen: Die Veränderungen sollten ausführlich und sachlich diskutiert werden, auf dem bisherigen Wissen aufbauen und entsprechend evaluiert sein oder werden.

Schlüsselwörter: Psychotherapie, Psychotherapiewissenschaft, Psychotherapieforschung, Akademisierung

Is psychotherapy on the way to becoming an academic discipline?

Summary: For some years the German Federal Ministry of Health has been calling for psychotherapy training to be provided directly by universities. This would make it possible for psychotherapy to be studied at university, like medicine and psychology. In Austria thoughts are also following a similar trend. The article addresses the question as to the potential advantages and disadvantages of such an academisation of psychotherapy training as compared to the current training settings. Both the current form of training and the academisation have advantages and disadvantages. The concept of academisation also needs to be clarified. Whatever changes take place, the following three requirements apply: The changes should be discussed in detail and objectively, built on the knowledge accumulated to date and be or have been appropriately evaluated.

Keywords: Psychotherapy, psychotherapeutic science, psychotherapy research, academisation

La psicoterapia sulla strada verso l'accademizzazione?

Riassunto: Già da alcuni anni il Ministero tedesco per la salute chiede una formazione diretta in psicoterapia. Ciò consentirebbe di studiare psicoterapia in modo simile a quanto avviene per la medicina o la psicologia. Anche in Austria sono in atto riflessioni simili. L'articolo si occupa della domanda dei vantaggi e degli svantaggi che una tale accademizzazione avrebbe rispetto all'attuale formazione in psicoterapia. Sia per l'attuale formazione psicoterapeutica che per l'accademizzazione è possibile identificare vantaggi e svantaggi. Va inoltre chiarito il concetto di accademizzazione. Indipendentemente dall'evoluzione che seguirà, questi cambiamenti vanno 1) discussi dettagliatamente e oggettivamente, 2) devono basarsi sulle conoscenze attuali e 3) devono essere stati valutati o venir valutati sulla base di queste nozioni.

Parole chiave: psicoterapia, scienze psicoterapeutiche, ricerca psicoterapeutica, accademizzazione

Hintergrund

Psychotherapie ist ein eigenständiges Heilverfahren im Gesundheitsbereich für die Behandlung von psychischen, psychosozialen oder auch psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen und Leidenszuständen. In Österreich ist Psychotherapie im Bundesgesetz vom 7. Juni 1990 über die Ausübung der Psychotherapie (Psychotherapiegesetz, Bundesgesetzblatt 361/1990) geregelt. Hier sind die Zugangsvoraussetzungen sowie Inhalt und Umfang der Ausbildung festgelegt.

Die Wege der Psychotherapieausbildung in Österreich führen in Theorie und Praxis über eine allgemeine (psychotherapeutisches Propädeutikum) und eine spezielle Ausbildung (psychotherapeutisches Fachspezifikum). Abhängig von dem jeweils konkreten psychotherapeutischen Verfahren umfasst die Ausbildung mindestens 3215 Stunden. Das bedeutet eine Ausbildungsdauer in Theorie, psychotherapeutischer Methodik, Lehrtherapie und supervidierter Praxis von mindestens 6 Jahren.

Schon einige Zeit wird über eine Neustrukturierung der Psychotherapieausbildung diskutiert. Es besteht durchaus ein Konsens, dass sich an der aktuellen Psychotherapieausbildung etwas ändern soll, wobei ganz unterschiedliche Vorstellungen zu dem „Was“ bestehen. In diesem Zusammenhang wird auch häufig der Begriff „Akademisierung der Psychotherapie“ genannt, wobei auch hier unterschiedliche Arten der Akademisierung gemeint sind: von Direktausbildung bis zur Beibehaltung der Vereinslösung mit universitärer Anbindung. Zum Beispiel favorisiert das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) in Deutschland eine Direktausbildung zum Psychotherapeuten (Bühring et al., 2012). BMG-Ministerialdirigent Dr. Volker Grigutsch forderte auf dem 21. Deutschen Psychotherapeutentag in Düsseldorf die PsychotherapeutInnen auf, sich mit einer Direktausbildung, also einem Hochschulstudium, an dessen Ende ein Staatsexamen mit einer einheitlichen Approbation in Psychotherapie steht, auseinanderzusetzen (Bühring & Meißner, 2012). Diese Überlegungen lösten eine rege Debatte aus. Internetseiten wurden eingerichtet, die sich für eine Direktausbildung aussprechen (Jansen, 2014) oder zu Petitionen wie „Direktausbildung stoppen – Kinderpsychotherapie retten“ (Sedlacek, 2014) aufrufen. Während sich das deutsche Bundesgesundheitsministerium weitgehend für eine Direktausbildung ausspricht, ist der Berufsstand gespalten. So spricht sich die stellvertretende Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeuten-Vereinigung Barbara Lubisch für eine Direktausbildung aus, da sie darin eine formale Parallelisierung der PsychotherapeutInnenausbildung mit der von anderen akademischen Heilberufen sieht (Bühring et al., 2012). Hingegen steht der Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) einer solchen Direktausbildung äußerst skeptisch gegenüber und empfiehlt die Probleme der bestehenden Psychotherapieausbildung durch eine Reform der postgradualen Ausbildung zu lösen (Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen, 2012). Dr. Heiner Vogel und Professor Armin Kuhr (2012) von der Deutschen Gesellschaft für Verhaltenstherapie sprechen sich zwar nicht prinzipiell gegen eine Direktausbildung aus, fordern aber vorab u. a. Modellversuche, um eine Direktausbildung zu evaluieren.

In Österreich gibt es vergleichbare Debatten, die ebenso emotional geführt werden. Warum eigentlich? Sind die Meinungen über diese Thematik so unterschiedlich, dass „wahre Fronten“ aufeinander prallen? Wird aneinander vorbeigeredet, weil relevante Begriffe, wie Akademisierung, unterschiedlich verwendet werden? Oder werden finanzielle Einbußen und Machtverluste befürchtet?

Dieser Artikel möchte sich mit dem Für und Wider sowohl der aktuellen Psychotherapieausbildung als auch einer möglichen Akademisierung befassen.

Wege der Psychotherapieausbildung: Pro und Contra

Die Psychotherapieausbildung in Österreich ist derzeit schulenspezifisch über eigene Ausbildungsvereine innerhalb von 22 Fachspezifika in vier Grundorientierungen organisiert. Diese Diversität innerhalb der Psychotherapie ermöglicht sehr unterschiedliche Methoden, in denen man psychotherapeutische Kompetenz erlangen kann. Während des Propädeutikums werden die Fachspezifika vorgestellt (nur wenige Propädeutikumsanbieter laden Vertreter aller Fachspezifika zur Vorstellung ihres jeweiligen Verfahrens ein) und anschließend kann man sich für jenes entscheiden, welches einem am ehesten entspricht. Es ist naheliegend, dass das Verfahren angestrebt wird, mit dem man sich am meisten identifiziert oder in Verbindung mit der eigenen Persönlichkeit die besten Behandlungserfolge erwartet. Die aktuelle Situation bietet daher ein hohes Maß an unterschiedlichen Ausbildungspfaden.

Für die österreichische Psychotherapieausbildung bedarf es eines sogenannten Quellberufes oder eines Eignungsgutachtens. Daher können im Vergleich zu der deutlich stärkeren Reglementierung in Deutschland Personen weit unterschiedlicherer Berufsgruppen eine Psychotherapieausbildung absolvieren. Diese Heterogenität schafft ein „buntes Bild“ unterschiedlicher Kompetenzen, die die Psychotherapie-Szene zweifelsohne bereichert.

Diese Vielfalt spiegelt sich auch in der Diversität der Ausbildungseinrichtungen wider. In der Liste des Bundesministeriums für Gesundheit (2015) werden derzeit über 40 anerkannte fachspezifische Ausbildungseinrichtungen gelistet. Dieses Angebot ermöglicht es, innerhalb eines Fachspezifikums aus beispielsweise 7 Anbietern zu wählen, wie es bei der Psychoanalyse und Psychoanalytischen Psychotherapie der Fall ist. Damit ist nicht nur die Wahl eines Fachspezifikums, sondern auch des jeweiligen Curriculums möglich.

Mit diesem Modell ist Österreich kein Einzelfall, da die psychotherapeutische Ausbildung auch in anderen europäischen Ländern vorwiegend in privaten Ausbildungseinrichtungen stattfindet (Strauß & Kohl, 2009).

Es sprechen also viele Punkte für die aktuelle Psychotherapieausbildung. Worin aber liegen ihre Schwächen?

Primäres Ziel einer Psychotherapieausbildung ist die Versorgung von PatientInnen und KlientInnen nach folgenden Kriterien: Wissenschaftlichkeit, empirisch abgesicherte Qualität – nachgewiesen durch Dokumentation ihrer Wirksamkeit und Unbedenklichkeit (was Risiken, Nebenwirkungen und mögliche Schäden anbelangt) – und auch Wirtschaftlichkeit (Müller & Petzold, 2002). Hierzu bedarf es u. a. einer fortlaufenden Überprüfung und Weiterentwicklung der Ausbildungsinhalte sowie einer andauernden Qualitätssicherung in der Lehre.

Der derzeitigen Psychotherapie-Ausbildung in Ausbildungsvereinen, die nicht in Kooperationen mit Universitäten durchgeführt wird, fehlt in der Regel ein wissenschaftliches Begleitprogramm. Dies kann zu einem Problem dabei werden, das jeweilige Verfahren wissenschaftlich hinreichend und nachhaltig zu fundieren.

Da sich Wissen stetig weiterentwickelt, ist in der Medizin etwa die Hälfte aller publizierten Leitlinien nach fünf Jahren bereits obsolet. Es ist also nicht zwingend notwendig, auf jeden neuen Trend „aufzuspringen“. Das heißt aber nicht, dass auf Forschung in der Psychotherapie per se verzichtet werden kann. Gerade die Kombination von universitärer Forschung und Ausbildung zeichne einen akademischen Heilberuf aus, meint Dietmar Schulte (2012), emeritierter Professor für Klinische Psychologie an der Ruhr-Universität Bochum. Der Österreichische Bundesverband für Psychotherapie (ÖBVP) streicht die grundsätzliche wissenschaftliche Kompetenz in der Ausbildung zur PsychotherapeutIn im Sinne einer Weiterentwicklung der Psychotherapie als Wissenschaft heraus und fokussiert die Möglichkeit, sich am internationalen psychotherapiewissenschaftlichen Diskurs zu beteiligen (Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie, 2008). Aber verfügen Ausbildungsvereine (ohne universitäre Anbindung) über entsprechende Ressourcen, eine fundierte wissenschaftliche Ausbildung zu gewährleisten? Nehmen wir an, ein Ausbildungsverein führt eine Studie zur Effektivität des eigenen Verfahrens bei einem bestimmten Störungsbild durch. Diese käme zu dem Ergebnis, dass das eigene Verfahren bei dieser Behandlung einem anderen klar unterlegen sei? Was tun mit solchen Ergebnissen? Die wissenschaftliche Methode oder gar die Sinnhaftigkeit von Forschung in Frage stellen? Oder Folgestudien veranlassen, auf die Gefahr hin, dass diese Ergebnisse repliziert werden. Und was dann?

Es stellt sich aber auch die Frage, ob Universitäten über entsprechendes Erfahrungswissen verfügen, um eine lebendige Ausbildungskultur weiterzutragen.

Selbst die Problematik der Finanzierung trifft sowohl Vereine als auch Universitäten. Sie erfolgt zum Großteil durch die Gebühren der AusbildungskandidatInnen. Damit sind die Institutionen finanziell auf die AusbildungskandidatInnen angewiesen. Das ist nicht per se problematisch, da auch internationale Eliteuniversitäten zumindest teilweise ihr Budget durch Studiengebühren abdecken. Solange genügend Nachfrage besteht, sollte es daher keinen Interessenskonflikt geben. Aber welche Konsequenzen hätte es, wenn die Zahl an InteressentInnen stetig abnähme? Wäre es möglich, dass Personen dann aufgenommen würden, die in einer anderen Situation abgelehnt worden wären?

Kritisch sollte auch das Thema Abschlussprüfung von PsychotherapeutInnen betrachtet werden. Diese erfolgt nach Erbringen der entsprechenden Vorgaben in Theorie und Praxis durch die Institutionen selbst. Um eine Prüfung möglichst objektiv abnehmen zu können, muss der Prüfer, die Prüferin jedoch unbefangen sein. Daher wird die Prüfung zum Facharzt oder zur Fachärztin nicht von den AusbildnerInnen, sondern von anderen ExpertInnen durchgeführt. Warum werden PsychotherapeutInnen nicht auch von anderen fachkundigen ExpertInnen geprüft? Wie in anderen Bereichen scheint es hier eher historische Gründe zu geben. Ein vorrangiges Ziel könnte sein, ein detailliertes Kompetenzprofil von PsychotherapeutInnen zu erstellen, welches schulenübergreifend zum Einsatz käme.

Bereits 2010 nannte Michael Kierein, Leiter der Abteilung A/3 (Rechtsangelegenheiten ÄrztInnen, Psychologie, Psychotherapie und Musiktherapie) im Bundesministerium für Gesundheit, im Rahmen der Jubiläumsveranstaltung „20 Jahre Psychotherapiegesetz“ des ÖBVP die Akademisierung der Psychotherapie als ein wesentliches Zukunftsthema (Österreichischer Bundesverband für Psychotherapie, 2010). Rieken (2013) sieht darin eine Möglichkeit, Profession und Wissenschaft, „little science“ und „big science“, einander näherzubringen.

Aktuell werden unterschiedliche Modelle der Akademisierung diskutiert. Unter den Fachspezifika besteht auch ein Konsens darüber, dass eine Akademisierung der Psychotherapie in Richtung Forschung, Lehre und Praxis anzustreben ist – so das Ergebnis einer Tagung des ÖBVP im Jänner 2011, auf der 21 der 28 im ÖBVP organisierten Fachspezifika vertreten waren (Pawlowsky, 2011). Eine Direktausbildung, wie vom Bundesministerium für Gesundheit in Deutschland präferiert, würde derzeit dem österreichischen Psychotherapiegesetz in mehreren Bereichen widersprechen. Dieses legt fest, dass vor Beginn der Psychotherapieausbildung eine Ausbildung in einem Quellberuf oder ein Eignungsgutachten zu erfolgen habe. Damit soll eine gewisse Lebens- und/oder Berufserfahrung sichergestellt werden, wie der stv. Vorsitzende des Wiener Landesverbandes für Psychotherapie, Gerhard Pawlowsky (2011), festhielt. Eine Direktausbildung widerspricht diesem Gesetz dahin gehend, dass der Beginn einer Psychotherapieausbildung ohne die oben genannten Voraussetzungen möglich wäre. Auch die Rolle des Alters von (angehenden) PsychotherapeutInnen wird in diesem Zusammenhang diskutiert. So kann nach dem österreichischen Psychotherapiegesetz (Bundesministerium für Gesundheit, 1990) erst mit dem vollendeten 28. Lebensjahr der Berufstitel „Psychotherapeut/in“ erworben werden. Auch hier bleibt fraglich, ob eine Direktausbildung diese Altersvorgaben lösen kann oder ob diese Altersvorgaben gar geändert werden sollten? Arthur Drexler und Julia Heck vom Institut für Psychosoziale Intervention und Kommunikationsforschung der Universität Innsbruck sind dieser Fragestellung nachgegangen. Anhand einer ExpertInnenbefragung kamen die AutorInnen zu dem Schluss, dass eine Psychotherapieausbildung erst ab dem 24. bis 25. Lebensjahr beginnen sollte (Drexler & Heck, 2011). Um diese Frage jedoch wirklich zu beantworten, müssten Behandlungsergebnisse von PsychotherapeutInnen ober und unter dieser Altersgrenze miteinander verglichen werden.

Aber wie könnte eine Akademisierung überhaupt aussehen? Psychotherapie ist eine Heilkunst, die sich aus theoretischem Wissen sowie praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten zusammensetzt. Eine theoretische Ausbildung kann zwar Wissen, nicht jedoch die psychotherapeutischen Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln. Der Begriff Psychotherapie-Studium impliziert, dass man nach Abschluss des Studiums PsychotherapeutIn ist. Auch in der Medizin wird jedoch nicht sogleich Arzt oder Ärztin studiert, sondern die speziellen praktischen Fähigkeiten und Fertigkeiten werden erst in der anschließenden Ausbildung zum Allgemeinmediziner oder Facharzt, zur Allgemeinmedizinerin oder Fachärztin erlangt. Daran angelehnt könnte man in einem Studium „Psychotherapie-Wissenschaften“ studieren, und die anschließende Ausbildung zur PsychotherapeutIn könnte in entsprechenden Weiterbildungsstätten absolviert werden.

Hierfür würde es einige Veränderungen benötigen, da die psychotherapeutische Kompetenz nicht an Hochschulen, sondern innerhalb der Vereine liegt. Zudem müssten alle anerkannten Psychotherapie-Verfahren zu gleichen Teilen an den Hochschulen gelehrt werden. Kritisch ist bei diesem Modell anzumerken, dass das Studium einer allgemeinen Psychotherapie-Wissenschaft nicht die spezifischen metatheoretischen, therapietheoretischen und praxeologischen Grundlagen der einzelnen Fachspezifika abdecken könnte und so zu einer Nivellierung der Theorie führen würde. Eine weitere Alternative der Akademisierung wäre ein hybrides Modell in Form von Kooperationen der fachspezifischen Vereine mit Universitäten. Ziel dabei ist nicht die Assimilierung, sondern die Vernetzung vorhandener Erfahrung und Wissensbestände. Eine Gefahr bei diesem Modell ist, dass die Vernetzung nicht ausreichend gut gelingt und die beteiligten Institutionen in ihrer Weiterentwicklung beeinträchtigt werden.

Eine Psychotherapieausbildung ist derzeit mit sehr hohen Kosten verbunden. Ein Vorteil von Selbstzahlung könnte ein hohes Maß an intrinsischer Motivation sein. Ein offensichtlicher Nachteil ist, dass sich nicht jeder diese Ausbildung leisten kann. Hinzu kommt, dass die geforderten Praktika in aller Regel ohne entsprechendes Entgelt absolviert werden. Es bleibt fraglich, ob diese finanzielle Selektion zur Rekrutierung der geeignetsten KandidatInnen führt.

Zusammenfassung

Die Frage der Akademisierung der Psychotherapieausbildung ist differenziert zu beantworteten. Vorab muss geklärt werden, von welcher Form der Akademisierung (Direktausbildung, Vernetzung von Ausbildungsvereinen mit Universitäten etc.) die Rede ist. Eine Überarbeitung der aktuellen Psychotherapieausbildung ist notwendig. Ebenso lassen sich für die Akademisierung Vor- und Nachteile anführen.

Welche Veränderungen auch kommen, diese sollten ausführlich und sachlich diskutiert werden, auf dem bisherigen Wissen aufbauen und entsprechend evaluiert sein oder werden.

Literatur

Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (2012). Positionspapier des Berufsverbandes Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V. zur Reform der Psychotherapieausbildung. Verfügbar unter:

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Zugriff am 08.05.2015.

Drexler, A., & Heck, J. (2011). Wie alt sollen PsychotherapieausbildungskandidatInnen sein? Eine empirische Erhebung bei Ausbildungseinrichtungen in den deutschsprachigen Ländern. Psychotherapie-Berufsentwicklung, 1, 36–38.

Jansen, F. (2014). Direktausbildung für unsere Zukunft. Verfügbar unter

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Müller, L., & Petzold, H. (2002). Problematische und riskante Therapie (nicht nur) in der Arbeit mit älteren und alten Menschen in „Prekären Lebenslagen“ – „Client dignity?“ In: Märtens, M., & Petzold, H. (Hrsg.), Therapieschäden. Risiken und Nebenwirkungen von Psychotherapie (S. 293–332). Mainz: Grünewald.

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Pawlowsky, G. (2011). Gegenwärtige Modelle zur Akademisierung der Psychotherapie. WLP News Zeitschrift des Wiener Landesverbandes für Psychotherapie, 2011(1), 5–6.

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Vogel, H., & Kuhr, A. (2012). Direktausbildung für Psychotherapeuten – eine gute Idee? Verhaltenstherapie, 22, 60–63.

AutorInnen

Univ.-Prof. Dr. Anton Leitner, MSc, Leiter des Departments für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit an der Donau-Universität Krems, Mitglied des Obersten Sanitätsrates im Bundesministerium für Gesundheit der Republik Österreich (seit 2008) und im Psychotherapiebeirat. Arbeitsschwerpunkte: Psychotherapie, Psychotherapeutische und Psychosomatische Medizin, Psychotherapieforschung.

Mag. Alexandra Koschier, Klinische und Gesundheitspsychologin, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrgangsleiterin am Department für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit an der Donau-Universität Krems, Frauenberatung. Forschungsschwerpunkte: Psychotherapieforschung, Evaluationsstudien.

Mag. Gerhard Hintenberger, Psychotherapeut in freier Praxis; Fachbereichsleiter für Psychotherapie und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Department für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit an der Donau-Universität Krems.

Univ.-Prof. Dr. Christoph Pieh, Universitätsprofessor für Differenzielle Psychotherapie und Beratungsforschung, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Balintgruppenleiter, Leiter des Zentrums für Psychosomatische Medizin und Supervision am Department für Psychotherapie und Biopsychosoziale Gesundheit an der Donau-Universität Krems, Studiengangsleiter des Bachelorstudiums Psychotherapie- und Beratungswissenschaften der Karl-Landsteiner-Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften.

Korrespondenz

E-Mail: anton.leitner@donau-uni.ac.at