Buchbesprechung

Daniel Goleman & Richard J. Davidson (2017).
Altered Traits. Science Reveals How Meditation Changes Your Mind, Brain, and Body

New York: Avery. ISBN: 978-0-7352-2031-7. 336 S., 9,99 EUR

Psychotherapie-Wissenschaft 9 (2) 113–114 2019

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CC BY-NC-ND

https://doi.org/10.30820/1664-9583-2019-2-113

In diesem faszinierenden und sehr fundierten Buch untersuchen Daniel Goleman und Richard J. Davidson, inwieweit die vielen behaupteten positiven Effekte von Meditation wirklich stichhaltig sind und wissenschaftlich bestätigt werden können. In den letzten Jahren wurde der Begriff «Achtsamkeit» zunehmend verwendet, um nicht nur ein Kernelement psychotherapeutischer Behandlung zu beschreiben, sondern ebenso, um Menschen anzusprechen, die auf der Suche nach einem Mittel gegen Alltagsstress und -ängste sind. Sogar Firmen wie Google, Nike und Apple haben Achtsamkeit schätzen gelernt. Sie bieten ihren Angestellten neuerdings Meditations-Apps an und ermöglichen es ihnen, diese Methoden am Arbeitsplatz anzuwenden. Es wird dabei angenommen, dass das Praktizieren von Achtsamkeit nicht nur einen persönlichen Gewinn wie erhöhte Energie, Gewahrsein und bessere Gesundheit bewirkt, sondern sich auch positiv auf die Arbeitsleistung und ein vermindertes Stressempfinden auswirkt.

Können diese Behauptungen strengen wissenschaftlichen Überprüfungen standhalten? Wer könnte diese Fragen besser beantworten als die beiden Autoren. Goleman, der bekannte Wissenschaftsjournalist und Autor des Welterfolgs EQ. Emotionale Intelligenz (1995) hat seit seinem zweijährigen Studienaufenthalt als Harvard-Student in Indien ein jahrzehntelanges Interesse am Thema Meditation entwickelt. Davidson, ein enger Freund seit ihrer gemeinsamen Studienzeit in Harvard, ist ein anerkannter Neuropsychologe und Leiter eines führenden Hirnforschungslabors an der Universität von Wisconsin. Die beiden Autoren, die selbst seit Jahrzehnten meditieren, blicken mit Freude auf den Aufschwung der Achtsamkeitsbewegung in den letzten 20 Jahren, aber bemängeln die Art und Weise, wie Studienergebnisse in den sozialen Medien und anderswo allzu oft übertrieben oder verfälscht dargestellt werden. In ihrem Buch geht es ihnen darum, vorsichtig zu bleiben und ihre eigenen Schlussfolgerungen auf das zu beschränken, was durch Forschungsergebnisse der besten und striktesten Studien wirklich bestätigt werden kann.

Die beiden Autoren behandeln ein breites Themengebiet und zeigen ihren persönlichen und professionellen Weg auf. In den ersten drei Kapiteln legen sie ihre ersten Vorstösse ins Gebiet der Meditation dar und was sie zu dieser Suche veranlasst hat. Am meisten angefeuert habe sie der Dalai Lama anlässlich eines Meetings im Jahr 2000, als er darauf hinwies, dass die tibetische Tradition ein breites Angebot an erprobten Praktiken zur Eindämmung von destruktiven Emotionen bereithalte. Er habe sie gedrängt, diese Methoden von den religiösen Anteilen zu entschlacken und sie streng wissenschaftlich auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Falls die Praktiken helfen, sollten sie weit verbreitet und einem grossen Publikum zugänglich gemacht werden. In den Kapiteln vier bis zwölf behandeln die Autoren verschiedene Aspekte wie Aufmerksamkeit, Mitgefühl oder Veränderungen in den Hirnstrukturen von Yogis. In den letzten zwei Kapiteln stellen sie den Nutzen der Meditation für Anfänger, für Langzeit-Meditierende und für Yogis dar.

Ich empfehle dieses Buch nicht nur PsychologInnen und interessierten Laien, sondern speziell auch PsychotherapeutInnen, die mehr über neue evidenzbasierte Behandlungen von psychischen Störungen erfahren möchten, bei denen Meditationsformen integriert sind. Im Kapitel über Meditation und Psychotherapie zeigen die Autoren, dass die achtsamkeitsbasierte Meditation Depressionen, Ängste und Schmerzen in ähnlichem Ausmass zu verringern vermag wie Medikamente, aber ohne deren Nebenwirkungen. Die Mitgefühl-Meditation scheint speziell hilfreich bei der Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen zu sein. Die Verbindung von Achtsamkeit mit Psychotherapiemethoden wird in Zukunft nach Meinung der Autoren einen zunehmenden Einfluss auf die Behandlung von vielen weiteren psychischen Störungen haben. Das anschaulich geschriebene Buch, das bislang nur auf Englisch erhältlich ist, liest sich recht flüssig und vermittelt ein vertieftes Verständnis der verschiedenen Aspekte von Meditation. Es regt zudem an, die eigene Meditationspraxis zu intensivieren oder KlientInnen beispielsweise den Besuch eines Kurses in achtsamkeitsbasierter Stressreduktion zu empfehlen.

Felix Hürlimann