Rezension

Yvonne Peinhopf

Ressl, I. (2011). Das Burnout-Syndrom aus dem Blickwinkel des Psychodramas

Einzelfallstudie eines monodramatischen Therapieprozesses.

Saarbrücken: VDM Verlag Dr. Müller. ISBN: 978-3-639-34845-3, 132 S., Taschenbuch, 59 Euro

Irmgard Ressl ist Psychotherapeutin in eigener burgenländischer Praxis mit psychodramatischem Behandlungsschwerpunkt. In ihrer Masterthese „Das Burnout-Syndrom aus dem Blickwinkel des Psychodramas: Einzelfallstudie eines monodramatischen Therapieprozesses“ setzt sie sich qualitativ-inhaltsanalytisch mit der Fragestellung auseinander, welche psychodramatischen Interventionsformen sich sowohl aus der Sicht ihres Klienten wie auch aus ihrer Sicht bei der Bewältigung eines Burnout-Syndroms als wirksam erweisen. Im Zuge einer Einzelfallanalyse werden unter Einbezug von Erkenntnissen wie etwa aus dem Bereich der Bindungstheorie nach Bowlby und Ainsworth, der Rollentheorie nach Moreno und dem Modell zur Erklärung des Burnout-Syndroms nach Burisch psychodramatische Wirkfaktoren und die konkrete Wirkung dieser Interventionsformen auf die emotionale und kognitive Befindlichkeit wie auch auf die Verhaltensebene untersucht.

Ihr persönliches Forschungsinteresse begründet die Autorin damit, dass es bezüglich des bisher im ICD10 nur im Anhang angeführten Erschöpfungszustandes (Burnout-Syndrom) zwar eine Vielzahl allgemeiner Konzepte gibt, bis dato aber nur wenige ausgereifte und umfassende psychodramatische Behandlungskonzepte verfügbar sind. In Anlehnung an Jakob Levi Morenos psychodramatische Rollentheorie stellt die Autorin die These auf, dass die Entwicklung eines Burnout-Syndroms mit einer Störung in der Rollenentwicklung bzw. Rollenausübung einhergeht. Menschen entwickeln über ihre gesamte Lebensspanne hinweg Handlungskompetenzen, um die unterschiedlichsten sozialen Anforderungen kreativ und spontan bewältigen zu können. Um Rollensicherheit und ein adäquates Rollenhandeln zu entwickeln, ist ein ausreichendes Erleben und Training der somatischen, psychosomatischen, sozialen wie auch transzendenten Rollen notwendig. Wiederholt missglückte frühkindliche Beziehungserfahrungen, welche in Form interner Repräsentationen auf der innerseelischen Bühne abgespeichert werden, und fehlende Hilfs-Ich-Kompetenzen können nach Ressl die Basis für psychische Störungen im Erwachsenenalter darstellen, da zentrale Bindungsbedürfnisse, wie jene nach Sicherheit und Unterstützung, wie auch die affektregulierende Funktion einer Bindung nur unzureichend erfüllt wurden.

Unter Einbeziehung bindungstheoretischer Erkenntnisse sieht Ressl Parallelen zwischen einem unsicher-vermeidenden Bindungsstil und der Entwicklung eines Burnout-Syndroms, denn da emotionale Sicherheit nicht durch die Nähe zur Bezugsperson hergestellt werden kann, wird versucht, Zuwendung und Anerkennung mittels einer übersteigerten Leistungsbereitschaft zu erreichen, wobei die Eltern als „Antreiber“ in das eigene innere Rollenrepertoire integriert werden.

„Das Burnout-Syndrom aus dem Blickwinkel des Psychodramas“ ist eine empfehlenswerte, einführende, wissenschaftliche Lektüre, welche sich in gut strukturierter und leicht verständlicher Art und Weise mit einem Thema befasst, das aufgrund gesellschaftlicher und arbeitspolitischer Entwicklungen aktuell ist. Neben fundierten und neuen Erkenntnissen aus dem Bereich der Burnout-Forschung bietet das Werk eine grobe Einführung in die Methode des Psychodramas und legt letztendlich den Fokus auf Burnout aus psychodramatischer Sichtweise. Da themenrelevante Schlüsselbegriffe klar umrissen werden, wie auch ein praktischer Bezug zu theoretischen, psychodramatischen Erkenntnissen deutlich zu erkennen ist, eignet sich diese Lektüre hervorragend für Interessierte unterschiedlichen Wissensstandes. Ressls Hauptaugenmerk bei der Erläuterung der Entstehungsbedingungen von Burnout liegt auf den Individuum-zentrierten Ansätzen, also der Bedeutung disponierender Persönlichkeitsmerkmale und Handlungsressourcen, wobei die Relevanz gesellschaftlicher wie auch arbeitsplatzbezogener Missstände für die Entwicklung eines Burnout-Syndroms weitgehend unberücksichtigt bleiben.

Der empirische Teil des Werkes zeichnet sich ebenfalls durch leichte Lesbarkeit und Übersichtlichkeit aus. Auch wenn die Ergebnisse der Einzelfallanalyse nur bedingt generalisierbar sind, gelingt es Ressl mit ihrer Fallauswahl das laienhafte Vorurteil zu widerlegen, dass Burnout eine Erkrankung der helfenden Berufsgruppen darstellt. Die erzielten Ergebnisse werden eindrucksvoll mit theoretischen Erkenntnissen in Beziehung gesetzt, wodurch sich ein abgerundetes Bild für den/die LeserIn ergibt und sich auch die psychodramatische Ziel-Quintessenz, eine Erweiterung des Energie, Handlungs- und Rollenrepertoires, wie auch die Erfüllung der psychodramatischen Therapieziele nach Zeitlinger-Hochreiter leicht nachvollziehen lässt. Nach Angaben der Autorin liegt das Hauptaugenmerk nicht lediglich auf psychodramatischen Interventionen, die sich aus Sicht des Klienten als wirksam erwiesen haben, sondern auch auf jenen, die eher als kontraindiziert aufgefasst wurden, wobei nur ein vager Verweis auf letztgenannte zu finden ist.

Letztendlich gelingt es der Autorin aber eindrucksvoll, auch LeserInnen von den potentiellen Wirkfaktoren sowohl auf der Begegnungsbühne als auch auf der Spielbühne und Vorteilen einer psychodramatischen Vorgehensweise im Zuge der Behandlung des Burnout-Syndroms zu überzeugen. Ressls Bestrebung, die induktiv aus dem Material abgeleiteten Unterkategorien bezüglich der als hilfreich erlebten Interventionen den vier Rollenebenen zuzuordnen, kann aufgrund ungünstiger Formatierungen von den LeserInnen leider kaum nachvollzogen werden, da die feinen Unterschiede in den Grauschattierungen mit freiem Auge nicht zu erkennen sind. Obwohl die methodische Vorgehensweise umfangreich und gut verständlich erläutert wird, wäre eine präzisere Beschreibung der psychodramatischen Vorgehensweisen auf der Spielbühne ebenfalls wünschenswert gewesen.

Abschließend möchte ich noch anmerken, dass Ressls Masterthese zwar gut strukturiert und auch für Laien nachvollziehbar ist, eine grafische Überarbeitung wie auch ein Korrekturlesen aber empfehlenswert gewesen wären. Der Preis von 59 Euro ist für dieses Werk relativ hoch bemessen und ein Kauf mit dementsprechend hohen Erwartungen verbunden, wobei die Tipp- und Formatierungsfehler den Lesefluss deutlich beeinträchtigen.