Wirkfaktoren, Beziehungsgestaltung, ethische Herausforderungen und die Praxis in der Schweiz
Heiner Dörfler
Psychotherapie-Wissenschaft 15 (2) 2025 7–14
www.psychotherapie-wissenschaft.info
https://doi.org/10.30820/1664-9583-2025-2-7
Zusammenfassung: Die psychedelika assistierte Psychotherapie erfährt aktuell eine wissenschaftlich fundierte Renaissance. Studien zeigen eine therapeutische Wirksamkeit von Substanzen wie Psilocybin, LSD und MDMA bei verschiedenen psychischen Störungsbildern, insbesondere bei therapieresistenter Depression, PTBS, Angst- und Suchterkrankungen. In der Schweiz nimmt diese Entwicklung eine besondere Stellung ein: Als eines der wenigen Länder weltweit ermöglicht sie über bewilligte Einzelfallanträge bereits seit einigen Jahren einen regulierten Zugang zu solchen Verfahren. Der Artikel beleuchtet den Stand der Forschung und klinischen Praxis mit Fokus auf die Schweiz, integriert aktuelle Erkenntnisse zur Wirkweise psychedelischer Substanzen und analysiert zentrale psychotherapeutische Wirkfaktoren wie die therapeutische Beziehung, Achtsamkeit, Integrationserfahrungen und die Rolle nonverbaler und körperbasierter Interventionen. Ein weiterer Fokus liegt auf ethischen Fragen – insbesondere im Umgang mit Berührung – sowie auf der Bedeutung von Supervision, Intervision und qualitativ hochwertiger Ausbildung. Die Darstellung basiert auf aktuellen empirischen und theoretischen Arbeiten und gibt abschliessend Empfehlungen für eine verantwortungsvolle Implementierung in der therapeutischen Praxis.
Schlüsselwörter: Psychedelika, Psychotherapie, Schweiz, therapeutische Beziehung, Integration, Achtsamkeit, MDMA, LSD, Psilocybin, Supervision, Ethik, Berührung
Psychedelische Substanzen, darunter LSD (Lysergsäurediethylamid), Psilocybin und MDMA (3,4-Methylendioxy-N-methylamphetamin) wurden über Jahrzehnte hinweg vor allem mit Gegenkultur, Illegalität und psychischen Risiken assoziiert. Ihre ursprünglich wissenschaftlich-therapeutische Nutzung in den 1950ern und 60ern wurde durch politische Entscheidungen wie das UN-Einheitsabkommen über psychotrope Stoffe von 1971 abrupt beendet. Seit den 2000ern bahnt sich, gestützt durch zunehmende Forschung, eine international sichtbare Renaissance an, verbunden mit dem Anspruch, Psychedelika unter kontrollierten Bedingungen für therapeutische Zwecke nutzbar zu machen (Jungaberle et al., 2018).
Die Schweiz nimmt im Bereich der Psychedelika assistierten Therapie (PAT) eine besondere Rolle ein: Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) erlaubt im Rahmen ärztlicher Einzelfallbewilligungen (§ 71 HMG) den Einsatz psychedelischer Substanzen in einem definierten therapeutischen Setting. Dadurch konnten über Jahre wertvolle Erfahrungen gesammelt werden, etwa durch die Pionierarbeit von Peter Gasser oder Studien an den Universitätskliniken Zürich und Basel. Die Forschung reicht dabei von neuropsychologischen Grundlagen bis zu klinischen Anwendungen bei therapieresistenter Depression, PTBS oder existenziellen Ängsten bei schwerer Krankheit (Liechti, 2019).
PAT findet stets in einem strukturierten Setting statt und sollte immer ergänzend zu einer laufenden Einzeltherapie durchgeführt werden. Substanzsitzungen werden in der Regel nicht häufiger als alle drei Monate angesetzt, um eine sorgfältige Verarbeitung und Integration zu ermöglichen. Die Indikation setzt dabei eine nachgewiesene Behandlungsresistenz voraus. Jeder Einzelfall wird individuell durch das BAG geprüft. Mögliche Indikationen sind therapieresistente Depressionen, PTBS, Angsterkrankungen, Zwangsstörungen oder Suchterkrankungen. Entscheidend ist dabei jedoch nicht allein die Diagnose, sondern vor allem die Psychotherapiefähigkeit der Patientinnen und der Wille, sich aktiv und ernsthaft auf einen psychotherapeutischen Prozess einzulassen. Kontraindikationen wie psychotische Störungen oder schwere Persönlichkeitsstörungen müssen sorgfältig geprüft und in der Indikationsstellung berücksichtigt werden.
Psychedelika wirken nicht wie klassische Pharmaka. Ihre Effekte sind nicht linear dosierbar, sondern in hohem Masse kontextabhängig – beeinflusst durch die psychische Verfassung der Person («Set») und das äussere Umfeld («Setting»). Sie induzieren einen veränderten Bewusstseinszustand, der suggestibel, emotional intensiv, bisweilen regressiv und oft spirituell aufgeladen ist. Die Wirkung entfaltet sich in komplexer Wechselwirkung mit der therapeutischen Haltung, dem Beziehungsgeschehen und der inneren Bereitschaft zur Selbsterfahrung (Griffiths et al., 2006). Die aktuelle Bewegung in Richtung einer medizinischen Zugänglichkeit psychedelischer Substanzen erfordert eine fundierte, verantwortungsvolle Einbettung in psychotherapeutische Konzepte. Dazu gehören neben neuropharmakologischem Wissen auch Kompetenzen in Achtsamkeit, Arbeit mit Traumata, körperorientierter Psychotherapie, ethischer Reflexion und Prozessbegleitung.
Psychedelische Substanzen beeinflussen das Bewusstsein vor allem durch Wirkung auf serotonerge Systeme des Gehirns. LSD und Psilocybin, klassische Psychedelika, wirken als partieller Agonist am 5-HT2A-Rezeptor, was zu tiefgreifenden Veränderungen in der Wahrnehmung, im Denken und im Ich-Erleben führt. Die Aktivierung führt zu einer veränderten Informationsverarbeitung, enthemmter Netzwerkkonnektivität und einem temporären Verlust hierarchischer neuronaler Steuerung, was als «Entropie-Hypothese» des Gehirns beschrieben wurde (Carhart-Harris et al., 2014). Zentral für das psychedelische Erleben ist die Deaktivierung bzw. Desynchronisierung des sog. Default Mode Network (DMN), das eng mit Selbstbezug, autobiografischem Gedächtnis und Ich-Funktionen verknüpft ist.
MDMA hingegen zählt nicht zu den klassischen Psychedelika, sondern wird oft als Empathogen bezeichnet. Es wirkt primär durch eine Freisetzung von Serotonin, aber auch von Dopamin und Noradrenalin, wodurch es oft zu intensiven Gefühlen von Verbundenheit, Euphorie und reduzierter Angst kommt, allerdings mit weniger der typischen halluzinogenen Effekte von Psilocybin oder LSD. Eine vergleichende Studie von Schmid et al. (2020) zeigte, dass LSD deutlich stärkere psychedelische Effekte auslöst, während MDMA primär prosoziale und angstlösende Wirkungen entfaltet. Dies unterstreicht die unterschiedlichen neuropharmakologischen Profile beider Substanzen und ihre potenzielle Komplementarität in psychotherapeutischen Kontexten.
Griffiths (2006) konnte in Studien mit gesunden Probandinnen zeigen, dass psychedelische Erfahrungen im sicheren therapeutischen Rahmen als sehr bedeutsam empfunden wurden und nachhaltige Veränderungen im Selbstbild, in der Emotionsverarbeitung und im prosozialen Verhalten bewirkten. Ähnliche Resultate zeigten Studien mit Patientinnen mit behandlungsresistenter Depression, Alkoholabhängigkeit und PTBS (Kočárová et al., 2021). Im schweizerischen Kontext berichteten Patientinnen in einer Studie zu LSD unterstützter Psychotherapie von tiefgreifenden Einsichten, Rückverbindung zu verdrängten Inhalten, Versöhnung mit biografischen Traumata sowie einer veränderten Haltung zu Tod, Körper und Verbundenheit (Gasser et al., 2014). Gleichwohl sind solche Zustände anfällig für Destabilisierung. Ohne adäquates Setting, kompetente therapeutische Begleitung und sorgfältige Integration können sie auch zu psychischen Krisen führen. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer fundierten Ausbildung, klarer ethischer Rahmenbedingungen und einer weitsichtigen therapeutischen Haltung.
Die psychedelische Erfahrung entfaltet ihr therapeutisches Potenzial eingebettet in einen vielschichtigen zwischenmenschlichen Kontext. Zentrale therapeutische Wirkfaktoren, wie sie aus der allgemeinen Psychotherapieforschung bekannt sind, gelten hier in besonders verdichteter Form: Beziehung, Sicherheit, emotionale Regulation, Selbstmitgefühl, Achtsamkeit und das Erleben korrigierender Erfahrungen (Murphy et al., 2022; Aday et al., 2021). Gleichzeitig stellt das veränderte Bewusstseinsniveau unter Psychedelika besondere Anforderungen an die therapeutische Präsenz, Haltung und das Embodiment. Es erfordert eine verkörperte Achtsamkeit und ein mitfühlendes Dasein, das durch nonverbale Signale Sicherheit, Empathie und Zugewandtheit vermittelt. In der psychedelischen Therapie bedeutet Embodiment zudem, mit der eigenen Verkörperung einen stabilen «Anker» zu bieten.
Die therapeutische Beziehung bildet das psychische Sicherheitsnetz, das eine tiefere Öffnung erst ermöglicht. Die Patientinnen begeben sich in einen Zustand erhöhter Suggestibilität, emotionaler Entgrenzung und möglicher Regression. Ohne ein stabiles Beziehungsklima kann diese Offenheit rasch in Angst, Fragmentierung oder Retraumatisierung kippen. Therapeutinnen müssen daher bereits im Vorfeld Vertrauen aufbauen, über fein abgestimmte Resonanzfähigkeit verfügen und achtsam mit transpersonalen oder präverbalen Prozessen umgehen können (Bathje et al., 2022; Phelps, 2024).
Essenzielle Haltungen in der therapeutischen Beziehung bei psychedelisch unterstützter Therapie umfassen Präsenz und Gegenwärtigkeit, verstanden als stilles, urteilsfreies Mitsein, das Sicherheit vermittelt. Zentral ist auch Empathie, also das achtsame Spiegeln emotionaler Zustände ohne vorschnelle Interpretation. Der sog. Anfängergeist («Beginner’s Mind») beschreibt eine offene, nicht-wissende Haltung gegenüber dem Prozess und der Unvorhersehbarkeit innerer Erfahrungen. Therapeutinnen benötigen zudem eine ausgeprägte Selbstregulationsfähigkeit, um eigene Affekte stabil zu halten, sowie eine verkörperte Präsenz, also bewusste Körperwahrnehmung und somatische Orientierung. Murphy et al. (2022) zeigen, dass der therapeutische Rapport, insbesondere erlebte Authentizität und emotionale Zugänglichkeit der Therapeutin, stark mit dem Behandlungserfolg bei Psilocybin unterstützter Therapie korreliert. Auch in der Schweiz betonen Pioniere wie Gasser (2014) und Schmid (et al., 2020), dass das Vertrauen in die therapeutische Beziehung das zentrale strukturelle Element bildet und oft sogar bedeutsamer ist, als die pharmakologische Wirkung der Substanz selbst.
Das Konzept des «Holdings» nach Winnicott (1965) beschreibt eine schützende, emotional präsente Haltung, die einen sicheren Raum schafft, während «Containing» nach Bion (1962) die Fähigkeit meint, überwältigende innere Zustände aufzunehmen, zu verarbeiten und dem Gegenüber reflektiert zurückzugeben. In der psychedelischen Therapie gewinnen beide Prozesse besondere Bedeutung, da die Substanzen intensive Emotionen, existenzielle Ängste oder archaische Inhalte auslösen können. Therapeutinnen übernehmen hier die Rolle von Resonanzkörpern, emotionalen Containern und stabilen Bezugspersonen, auch in nonverbalen oder mythisch gefärbten Erlebenszuständen. Zentral ist dabei die Fähigkeit, schwierige Prozesse nicht vorschnell zu deuten oder zu korrigieren, sondern präsent zu bleiben, Raum zu halten und Integration zu ermöglichen.
Achtsamkeit als urteilsfreies Gewahrsein des gegenwärtigen Moments zeigt sowohl neurobiologisch als auch psychologisch enge Parallelen zum psychedelischen Erleben. Die Kombination aus Achtsamkeitspraxis und psychedelischer Erfahrung kann die Selbstbeobachtung, Emotionsakzeptanz und Perspektivenflexibilität deutlich stärken. Studien belegen, dass ein achtsamkeitsbasiertes Training vor einer Psilocybin-Sitzung die Integration erleichtert und die Selbstwahrnehmung langfristig verändert (Smigielski et al., 2019). Therapeutische Achtsamkeit bedeutet dabei, sowohl die eigene Innenwelt als auch äussere Signale des Gegenübers achtsam wahrzunehmen. Diese bifokale Aufmerksamkeit erfordert ein Pendeln zwischen Selbstwahrnehmung und empathischem Gewahrsein und ist geprägt von Offenheit, Neugier und Präsenz. Dieses Prinzip findet sich auch in körperorientierter Traumatherapie wieder.
Ein zentrales therapeutisches Ziel ist die Förderung von Selbstmitgefühl, insbesondere bei Menschen mit starker Selbstkritik, Scham oder Trauma. Unter dem Einfluss von Psychedelika berichten viele Patientinnen von Erlebnissen tiefer Selbstannahme, Vergebung oder transpersonaler Verbundenheit. Therapeutinnen können diesen Prozess unterstützen, indem sie bedingungslose Akzeptanz vermitteln und innere Widerstände achtsam begleiten. Diese Haltung schliesst auch prosoziale Werte wie Fürsorglichkeit, Berührbarkeit und emotionale Wärme ein. Das therapeutische Gegenüber wird so nicht nur zum Spiegel, sondern auch zum Katalysator heilender Beziehungserfahrungen.
Unter psychedelischen Substanzen kommt es häufig zu einem vorübergehenden Loslösen vom habitualisierten Selbstkonzept. Diese «Disidentifikation» erlaubt eine Neubewertung von Überzeugungen, ein Reframing biografischer Themen und die Wahrnehmung alternativer innerer Stimmen. Therapeutisch können hier Interventionen wie innere Dialoge, bildhafte Verankerung oder Arbeit mit inneren Anteilen (wie z. B. in der Ego States-Therapie oder dem IFS-Modell) hilfreich sein. Ziel ist es, dem Erlebten eine narrative, symbolische oder somatisch verankerte Bedeutung zu geben, ohne es vorschnell zu «verstehen» oder in das alte Ich-Modell zu integrieren. Die therapeutische Beziehung dient dabei als sicherer Hafen und Beobachtungsraum für die Erkundung neuer innerer Realitäten.
Die Wirkung psychedelischer Substanzen auf das menschliche Bewusstsein lässt sich nicht allein kognitiv oder sprachlich erfassen. Vielmehr öffnet sich unter ihrem Einfluss ein psychischer Erfahrungsraum, der Zugang zu präverbalen, somatischen und symbolischen Inhalten erlaubt, vergleichbar mit Träumen, regressiven Zuständen oder tiefer Meditation. In dieser Auflösung gewohnter mentaler Strukturen zeigt sich eine zentrale therapeutische Chance im Aufdecken und Neuverhandeln verdrängter, unintegrierter oder unbewusster psychischer Anteile. Viele Patientinnen berichten von plötzlichen, nicht rational hergeleiteten Erinnerungen an frühe Lebensereignisse. Diese können aus der vorsprachlichen Kindheit stammen oder sogar als körperlich-emotionale Zustände ohne klare biografische Einordnung auftreten. Solche Zustände sind oft mit intensiver emotionaler Ladung verbunden, wie etwa Angst, Hilflosigkeit, Wut, Scham oder tiefem Schmerz.
In der psychodynamischen Theorie spricht man hier von einer Regression im Dienst des Ichs, einer kontrollierten Rückkehr in frühere Bewusstseinszustände mit dem Ziel der Integration. Die psychedelische Substanz senkt dabei die Ich-Abwehr, hebt Verdrängungsmechanismen auf und verstärkt die Assoziationsfähigkeit. Therapeutinnen begegnen dann möglicherweise einer Patientin, die nicht mehr spricht, sondern weint, schreit, sich embryonal einkrümmt oder nach Nähe sucht – körperlich archetypische Ausdrucksformen unbewusster Prozesse. Hier ist grösste therapeutische Sorgfalt gefragt. Die nonverbale Resonanz, die Fähigkeit zum achtsamen Dabeibleiben und die klare innere Haltung von «Du darfst jetzt so sein» bilden den Container für diese tiefenpsychologischen Öffnungen. Verbalisierung ist nicht primäres Ziel, sondern achtsame Begleitung des Prozesses in seiner je eigenen Ausdrucksform.
Wie Robinson et al. (2024) zeigen, treten unter der Wirkung psychedelischer Substanzen häufig Erlebnisse auf, die sich der Sprache entziehen. Dies betrifft insbesondere präverbale Strukturen, wie sie in der frühen Mutter-Kind-Interaktion angelegt sind: Rhythmen, Blicke, Hautkontakt, Gerüche, Stimmmelodie. Diese Erlebnisebenen erscheinen in der psychedelischen Sitzung oft in Form von Körperempfindungen, intensiven Affektzuständen oder symbolhaften Bildern. Sie sind «gefühltes Wissen», ein direktes Erleben von Bindung, Sicherheit oder Verletzung jenseits kognitiver Verarbeitung. Die Therapeutin wird hier zur «Stimmungsträgerin», zur verkörperten Bezugsfigur, deren feine Signale (Atmung, Blick, Stimme, Haltung) entscheidend sind. Dabei ist es essenziell, sich nicht auf eine kognitive «Deutung» zu stützen, sondern präsent zu bleiben und die Integration dieser präverbalen Erfahrung zu begleiten, oft in Stille oder mit wenigen, klaren Worten wie «Ich bin da» oder «Das darf jetzt da sein».
Ein weiteres Phänomen psychedelisch aufgedeckter Prozesse ist die verstärkte Symbolisierung innerer Zustände. Patientinnen berichten von visionären Erlebnissen, archetypischen Bildern oder spirituellen Szenarien, die eine hohe subjektive Bedeutung besitzen. Solche Inhalte treten häufig als allegorische Szenen auf, z. B. als Begegnung mit einer «inneren Mutter» oder einem «Schattenwesen». Diese symbolischen Darstellungen ermöglichen einen kreativen, nicht-linearen Zugang zu psychischen Themen und stellen oftmals ein emotionales Korrektiv zu biografisch geprägten Selbstbildern dar. Therapeutinnen sind in solchen Momenten als achtsame Zeugen und Resonanzkörper gefragt. Es geht nicht primär um Bedeutung, sondern darum, wie es sich anfühlt und was es auslöst. So wird die innere Welt zu einem Spielraum für Bewusstseinsarbeit, Neuverhandlung und Transformation.
Die körperorientierte Psychotherapie hat seit Langem darauf hingewiesen, dass traumatische Erfahrungen sich nicht nur kognitiv, sondern insbesondere auch somatisch manifestieren, in Form von Muskelspannungen, vegetativen Mustern oder chronischen Schmerzsymptomen. Auch psychedelische Erfahrungen zeigen deutlich, dass der Körper nicht nur «mitbetroffen», sondern zentraler Austragungsort psychischer Prozesse ist. Während einer Sitzung kann es zu Zittern, spontanen Bewegungsimpulsen, Übelkeit, Hitzewellen oder Stimmäusserungen kommen. Solche körperlichen Entladungen sind oft Ausdruck innerer Heilungsprozesse, sogenannter somatischer Release-Reaktionen. In der Psychotherapiemethode der bioenergetischen Analyse (Lowen) oder dem Somatic Experiencing wird dies als physiologischer Ausdruck der Lösung von Traumaspannung verstanden. Die Aufgabe der Therapeutinnen besteht hier im Co-Regulieren. Durch die Präsenz kann das autonome Nervensystem der Patientinnen stabilisiert werden, ohne den Prozess zu unterbrechen. Körperliche Phänomene sind keine «Störungen», sondern potenzielle Schlüssel zu tiefer Integration. Wesentlich ist die Erkenntnis, dass nicht das kognitive Verstehen, sondern das Erleben der Weg der Heilung ist. Aufdeckende Prozesse können in eine neue innere Kohärenz führen, wenn sie eingebettet sind in Beziehung, Sicherheit und einen klar strukturierten Rahmen.
Durch eine einmalige oder wiederholte Gabe von Psychedelika können strukturelle Veränderungen in der Persönlichkeit angestossen werden, wobei nicht nur die Substanzerfahrung selbst, sondern vor allem ihre sorgfältige Integration eine zentrale Rolle spielt (Erritzoe et al., 2018). Die nachhaltige therapeutische Wirksamkeit psychedelischer Erfahrungen entfaltet sich nicht allein im Moment der Einnahme, sondern vor allem darin, das angestossene psychische Material bewusst zu verarbeiten, zu reflektieren und in den Alltag zu übertragen (Bathje et al., 2022). Der Begriff «Integration» leitet sich vom lateinischen «integrare» ab und beschreibt die Wiederherstellung eines Ganzen. Im psychotherapeutischen Kontext bedeutet dies, zuvor abgespaltene, verdrängte oder unbewusste Anteile der Persönlichkeit wieder in das Selbstbild und das psychische Funktionieren zu integrieren. Nach einer psychedelischen Sitzung können dies neue Einsichten, emotionale Klärungen, biografische Erinnerungen oder spirituelle Erfahrungen sein, die verarbeitet und sinnvoll verankert werden müssen. In der anschliessenden Begleitphase werden diese inneren Prozesse in einer fortgeführten Psychotherapie im Einzel- und Gruppensetting aufgegriffen, analysiert und integriert. Solche Prozesse wirken sich auch auf die Übertragung aus. Neue Beziehungsmuster werden spürbar, Übertragungsphänomene treten hervor und finden in der therapeutischen Arbeit ihren Platz. All dies zeigt, dass PAT immer in ein tragfähiges Gesamtkonzept eingebettet sein muss, das Raum für Reflexion, Nachbereitung und Integration schafft und zugleich anerkennt, dass manche Fragen offenbleiben dürfen.
Ein zentraler Bestandteil ist die gesprächspsychotherapeutische Reflexion, bei der das Erlebte verbal verarbeitet und in biografische sowie psychodynamische Muster eingeordnet wird. Ergänzend dazu können körperorientierte Methoden wie somatische Achtsamkeit, Atemarbeit oder körperliche Aussdrucksformen zum Einsatz kommen. Auch können kreatives Malen, Schreiben oder Musizieren ermöglichen, dem oft schwer Sagbaren einen symbolischen Ausdruck zu verleihen. Wenn die Erfahrung mystische oder transpersonale Elemente beinhaltete, können Ritualarbeit oder spirituelle Begleitung eine sinnvolle Ergänzung darstellen. Zentral bleibt in jedem Fall der Bezug zur therapeutischen Beziehung. Die Integration geschieht im Dialog, im achtsamen Spiegeln und Validieren des inneren Erlebens.
Die Integrationsphase beginnt bereits beim Ausklingen der psychedelischen Sitzung, erstreckt sich jedoch häufig über Wochen oder sogar Monate. Viele Patientinnen berichten von verzögert auftretenden Effekten, wie aufkommenden Erinnerungen, Stimmungsschwankungen oder dem sich Stellen existenzieller Fragen, die nicht unmittelbar während der Sitzung, sondern erst im Nachhinein entstehen. Therapeutinnen sind daher gefordert, einen offenen und prozessorientierten Rahmen zu schaffen, der nicht vorschnell auf ein «Abschliessen» drängt, sondern die langfristige Entwicklung respektiert. Ein hilfreicher Ablauf kann ein erstes Nachgespräch noch am Tag der Sitzung oder am Folgetag zur Initialintegration beinhalten, gefolgt von einer fortlaufenden therapeutischen Begleitung zur Verarbeitung nachträglich auftauchender Themen, so lange, wie es individuell erforderlich ist. In der mittel- und langfristigen Prozessreflexion stehen Fragen im Vordergrund wie: Was hat sich verändert? Was bleibt bestehen? Ergänzend sollte gezielt an der Ressourcenstärkung gearbeitet werden, um neue Einsichten nachhaltig im Alltag zu verankern. Therapeutische Geduld und Offenheit sind essenziell, denn Integration verläuft nicht linear, sondern in Wellen. Sie erfordert Zeit, Raum und Vertrauen.
Der Integrationsprozess gewinnt im Gruppensetting besondere Bedeutung, wie es etwa Gasser (2021) für die Schweiz beschreibt. Gruppen bieten einen geschützten Raum, in dem individuelle Erfahrungen im Resonanzfeld anderer gespiegelt und dadurch normalisiert werden können. Dieser kollektive Rahmen wirkt stabilisierend, inspirierend und fördert zwischenmenschliche Beziehungen. Die Gruppenintegration umfasst dabei verschiedene Formate, etwa das Teilen der Erfahrungen in geschützten Sharing-Runden, das Einholen von Feedback und Spiegelung durch die Gruppe sowie die Stärkung sozialer Kompetenzen für den Alltagstransfer. Damit wird deutlich, dass Integration nicht nur ein individueller, sondern auch ein zutiefst sozialer Prozess ist, bei dem das In-Beziehung-Treten mit anderen oft heilend wirken kann.
Die therapeutische Beziehung ist das stabile Fundament Psychedelika assistierter Psychotherapie. Psychedelische Zustände gehen mit Kontrollverlust, Auflösung des Selbstgefühls und intensiven Gefühlen einher. Um diese Prozesse therapeutisch nutzbar zu machen, braucht es eine sichere Beziehung, die solche Erfahrungen hält. Vertrauen wird durch Transparenz, Empathie, Kongruenz und achtsame Präsenz aufgebaut. Studien zeigen, dass Patientinnen mit starkem Vertrauen in ihre Therapeutin eher bereit sind, sich auf tiefgehende innere Prozesse einzulassen, emotionale Risiken einzugehen und auch schmerzhafte Themen zuzulassen (Murphy et al., 2022).
Psychedelische Zustände erhöhen die Sensibilität für feine atmosphärische und zwischenmenschliche Schwingungen. Therapeutinnen werden in dieser Phase zu Bezugspersonen, deren Haltung und Präsenz sehr spürbar ist. Konzepte wie «therapeutische Präsenz» beschreiben eine Haltung, die von Einfühlung und Resonanzfähigkeit sowie von Gegenwärtigkeit, Offenheit und Nicht-Wissen geprägt ist. Solche Qualitäten erlauben es, auch in emotional überwältigenden Sitzungen «Halt zu geben, ohne zu halten». Dabei kann die innere Haltung «Ich bin da, egal, was kommt» oft heilsamer wirken als andere aktive Interventionen.
In psychedelischen Sitzungen, in denen es zu starken Affektausbrüchen und regressiven Zuständen kommen kann, ist die Fähigkeit zu «containen» essenziell. Die therapeutische Person muss hier nicht «lösen» oder «verstehen», sondern den emotionalen Raum offenhalten, Halt geben und wenn nötig Grenzen setzen, mit einer Haltung von liebevoller Klarheit. Dies gilt besonders für präverbale und somatisch gespeicherte Inhalte, die sich nicht sprachlich fassen lassen (Robinson et al., 2024).
Der therapeutische Kontext psychedelischer Prozesse ist besonders anfällig für Übertragungen, die sowohl positiv als auch problematisch sein können. Aufgrund der Intensität der Erfahrungen entwickeln Patientinnen häufig idealisierende Gefühle gegenüber den begleitenden Personen. Deshalb ist eine klare und professionell reflektierte therapeutische Rolle von grosser Bedeutung. Eine bewusste Rollenklärung beinhaltet Transparenz bezüglich Erwartungen und Grenzen sowie die Reflexion eigener Resonanzen und Gegenübertragungen. Wie Willison und Masson (1986) betonen, gewinnt die ethische Verantwortung in der therapeutischen Beziehung besonders dann an Bedeutung, wenn Patientinnen sich in Zuständen erhöhter Suggestibilität und psychischer Offenheit befinden.
Die Anforderungen an Therapeutinnen in der PAT gehen weit über herkömmliche psychotherapeutische Kompetenzen hinaus. Essenziell sind fundierte Kenntnisse in transpersonaler Psychologie sowie grundlegende Fertigkeiten der Körperpsychotherapie. Ergänzend dazu sind Fortbildungen in traumasensibler Begleitung sowie eine Supervisionskultur und kollegiale Intervision notwendig. Deshalb sind kontinuierliche Schulung, ein ausgeprägtes Ethikbewusstsein und Demut gegenüber der Tiefe menschlichen Erlebens von besonderer Bedeutung.
Gruppensettings gewinnen in der PAT zunehmend an Bedeutung. Sie bieten nicht nur einen ressourcenschonenden Rahmen für die Durchführung, sondern eröffnen auch zusätzliche therapeutische Wirkfaktoren, die im Einzelsetting so nicht zugänglich sind. In der Schweiz wurde dieses Modell durch Peter Gasser (2021) und Kolleginnen erprobt und dokumentiert.
Die psychodynamischen und gruppentherapeutischen Prozesse, die durch psychedelische Substanzen angestossen werden, entfalten in Gruppen eine besondere Wirksamkeit. Ein wesentlicher Vorteil liegt in der sozialen Resonanz und Spiegelung. Die Teilnehmenden erleben sich im Austausch mit anderen nicht mehr als «allein mit ihrem Leid», sondern erkennen gemeinsame Muster, was normalisierend, entlastend und verbindend wirkt. Zudem fördert das Gruppensetting Empathie und Perspektivenwechsel, da die Wahrnehmung unterschiedlicher Erfahrungswelten zu einem tieferen Verständnis, auch für das eigene Erleben, führen kann. Die Gruppe schafft ausserdem Gemeinschaft und Zugehörigkeit, indem sie ein soziales Gefäss bietet, das das durch die psychedelische Erfahrung geweckte Gefühl existenzieller Verbundenheit menschlich bestätigt. Gerade in einer individualisierten Gesellschaft wie der Schweiz, in der viele Menschen unter Vereinsamung und Entfremdung leiden, können solche Gruppenerfahrungen heilsame neue Beziehungen fördern.
Die Durchführung psychedelischer Gruppensitzungen ist trotz ihrer Vorteile mit komplexen therapeutischen Herausforderungen verbunden. Zu den Schwierigkeiten zählen unter anderem das unterschiedliche Tempo und die unterschiedliche Tiefe der Erfahrungen innerhalb der Gruppe. Scham, Exposition und Unsicherheit bei einzelnen Gruppenmitgliedern stellen weitere Herausforderungen dar. Die Gruppenleitung muss emotionale Sicherheit schaffen, Offenheit fördern, klare Strukturen etablieren und zugleich non-direktiv begleiten. Ein wirksames Gruppenformat gliedert sich typischerweise in mehrere Phasen. Die Vorbereitungsphase umfasst mehrere Sitzungen zum Kennenlernen, Vertrauensaufbau, Psychoedukation, Settingklärung und Sicherheitsvereinbarungen. Die akute Sitzung beinhaltet die Substanzeinnahme, begleitet von mindestens zwei Therapeutinnen. Darauf folgt eine erste Integration in den nächsten Tagen, in der das Erlebte erzählt, zugehört und ohne Bewertung verarbeitet wird. Die längerfristige Integration erfolgt über fortlaufende Gruppensitzungen, mit vertiefter Reflexion, Alltagstransfer und Ressourcenstärkung. Dieses mehrphasige Modell ermöglicht sowohl individuelle Tiefe als auch kollektive Resonanz und Integration, wobei bei Bedarf auch eine wiederholte Teilnahme an mehreren Zyklen möglich ist.
Nicht alle Patientinnen eignen sich für Gruppensettings, weshalb bestimmte Ausschlusskriterien beachtet werden müssen. Dazu zählen ausgeprägte soziale Ängste oder paranoide Muster, dissoziative oder psychotische Neigungen, stark destruktive Interaktionsstile sowie aktive Substanzabhängigkeit oder schwere Selbstgefährdung. Um ein sicheres und förderliches Gruppenfeld zu gewährleisten, sind daher eine sorgfältige Indikationsstellung und vorbereitende Einzelgespräche unerlässlich.
Die Kombination von intensiven Emotionen, regressiven Zuständen und einem tiefen Vertrauensverhältnis kann Berührung zu einem wichtigen Mittel machen, zugleich aber auch zu einem Risikofaktor, der grösste Sorgfalt und ethische Reflexion verlangt. Wohldosiert und bewusst eingesetzt, kann Berührung als nonverbale Form von Containment und Regulation dienen. Körperpsychotherapeutische Perspektiven betonen, dass viele traumatische Erfahrungen in präverbalen, nicht-narrativen Schichten gespeichert sind, die sich häufig erst im veränderten Bewusstseinszustand zeigen (vgl. Robinson et al., 2024). Aktuelle Übersichten heben hervor, dass Berührung in der körperorientierten Psychotherapie eine zentrale Rolle für Bindung, emotionale Integration und die Regulation des Nervensystems spielt, zugleich aber klare methodische und ethische Rahmenbedingungen erfordert (Röhricht, 2024).
Die Anwendung physischer Berührung im psychedelischen Setting ist aufgrund ihrer Chancen und Risiken umstritten. Positiv kann Berührung zur Affektregulation bei starken Emotionen beitragen, bspw. durch eine beruhigende Hand auf der Schulter bei Angst oder Erstarrung, sowie zur Verkörperung und Orientierung bei Dissoziation. Sie kann sichere Bindungserfahrungen fördern und regressiven oder frühkindlichen Erlebnissen durch «heilsame Berührung» Integration ermöglichen. Demgegenüber stehen jedoch Risiken wie Grenzverletzungen, die Reinszenierung von Trauma, Erotisierung der therapeutischen Beziehung, Abhängigkeit oder Idealisierung sowie mögliche Fehlinterpretationen durch die Patientinnen. Diese Gefahren werden durch die Wirkung psychedelischer Substanzen, etwa erhöhte Suggestibilität, Regression und psychische Offenheit, noch verstärkt. Daher muss der Einsatz von Berührung sorgfältig vorbereitet, reflektiert und in einen klaren ethischen Rahmen eingebettet sein. Voraussetzungen für einen verantwortungsvollen Einsatz umfassen fachliche Schulungen in körperorientierten Methoden wie Bioenergetik, Somatic Experiencing oder Hakomi, eine explizite Vorbesprechung und Einwilligung vor der Sitzung mit der Möglichkeit, Berührung abzulehnen oder abzubrechen. Zusätzlich sind Selbstreflexion der eigenen Motivation seitens der Therapeutinnen und kontinuierliche Supervision zur Verarbeitung von Übertragungsdynamiken unerlässlich. Phelps (2024) betont, dass physische Interventionen in psychedelischen Settings nur von speziell ausgebildeten Fachpersonen durchgeführt werden sollten, da jede körperliche Berührung ohne entsprechende Schulung eine potenzielle Gefährdung des therapeutischen Raums darstellt.
Wichtig ist die Schaffung eines reflexiven Rahmens, der auch das Thema Nicht-Berührung explizit behandelt. Denn: Das Erleben von unerfülltem Berührungswunsch – z. B. während eines regressiven Zustands – kann bei Patientinnen auch Gefühle von Verlassenheit oder existenzieller Not hervorrufen.
Der rechtliche Umgang mit Berührung im psychotherapeutischen Kontext ist in der Schweiz nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt, wird jedoch durch die ethischen Richtlinien beruflicher Verbände wie der FSP, ASP oder SGPP mitgestaltet. Diese fordern eine klare berufsethische Haltung, die informierte Zustimmung der Patientinnen, den Respekt vor deren Autonomie und Integrität sowie die Wahrung professioneller Distanz. Gerade im Kontext psychedelischer Therapie, in dem körperliche Nähe besonders sensibel ist, ist die bewusste Reflexion dieser ethischen Prinzipien von zentraler Bedeutung.
Die Durchführung von Psychedelika unterstützter Psychotherapie stellt besonders hohe Anforderungen an die therapeutische Haltung, emotionale Präsenz und fachliche Selbstreflexion. Supervision und Intervision sind eine ethisch-professionelle Notwendigkeit. Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomene können sich unter Substanzeinfluss intensivieren, eigene unbewusste Anteile wie Retterfantasien oder Unzulänglichkeitsgefühle können aktiviert werden. Themen wie Berührung und Bindung berühren dabei stets ethische und professionelle Grenzen. Supervision dient als externer Spiegel, macht unbewusste Dynamiken sichtbar, ordnet sie ein und unterstützt sowohl Patientinnen als auch Therapeutinnen selbst. Zentrale Themen sind Sicherheits- und Krisenmanagement, Dosis- und Settingreflexion, Grenzfragen (z. B. Nähe-Distanz, Berührung, Spiritualität), die Rolle der eigenen Person im therapeutischen Prozess sowie die Begleitung schwieriger Integrationsprozesse. Die Schweizerische Ärztegesellschaft für Psycholytische Therapie (Säpt) bietet eine Plattform für Fortbildung, Intervision und Supervision.
Basierend auf den bisherigen Erkenntnissen, Forschungsergebnissen und Erfahrungen aus der Praxis lassen sich konkrete Empfehlungen formulieren, um Psychedelika-assistierte Psychotherapie im klinischen und psychotherapeutischen Kontext sicher, wirksam und ethisch fundiert umzusetzen. Eine Übersichtsarbeit hierzu liefern Aicher et al. (2024).
Psychedelika sind kein Allheilmittel und nicht für jede Person geeignet. Ihre Anwendung erfordert eine sorgfältige diagnostische Einschätzung. Geeignete Indikationen umfassen therapieresistente Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen, Angststörungen und in manchen Fällen auch Abhängigkeitserkrankungen und Zwangsstörungen. Kontraindikationen hingegen bestehen bei akuten Psychosen, schweren Persönlichkeitsstörungen, instabiler Affektregulation, Suizidalität, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aktivem Substanzmissbrauch sowie fehlender Integrationsfähigkeit.
Für die professionelle Ausübung psychedelisch begleiteter Psychotherapie sind qualifizierte Ausbildungen entscheidend. Eine abgeschlossene psychotherapeutische Grundausbildung bildet die Basis, ergänzt durch Zusatzausbildungen in traumasensibler, achtsamkeits- oder körperorientierter Therapie sowie spezifische Fortbildungen zu Psychedelika. Supervision, Intervision und idealerweise auch eigene substanzbegleitete Selbsterfahrung (sofern rechtlich möglich) sind integrale Bestandteile.
Schliesslich muss jede Anwendung psychedelischer Substanzen im therapeutischen Kontext einem klaren ethischen und rechtlichen Rahmen folgen. In der Schweiz sind Behandlungen derzeit nur im Rahmen bewilligter Studien oder über Ausnahmebewilligungen erlaubt. Unverzichtbar sind die Einhaltung berufsethischer Standards, informierte Einwilligung, Verantwortung für Nachsorge und Integration sowie die ständige Reflexion der eigenen Rolle und Grenzen im therapeutischen Prozess. Psychedelika unterstützte Psychotherapie eröffnet neue Wege zur Heilung. Doch sie verlangt ein ausserordentlich hohes Mass an Integrität, Ausbildung, Achtsamkeit und Verantwortungsbewusstsein. Die Zukunft dieser Therapieform in der Schweiz hängt massgeblich davon ab, wie sorgfältig und menschlich sie praktiziert wird.
Aday, J. S., Mitzkovitz, C. M., Bloesch, E. K., Davoli, C. C. & Davis, A. K. (2021). Exploring the interaction between mindfulness and psychedelics: A review of the literature. ACS Pharmacology & Translational Science, 4(2), 586–592. https://doi.org/10.1021/ acsptsci.0c00194
Aicher, H., Schmid, Y. & Gasser, P. (2024). Psychedelika-assistierte Psychotherapie. Psychotherapie. https://doi.org/10.1007/s00278 -024-00711-y
Bathje, G. J., Majeski, E. & Kudowor, M. (2022). Psychedelic integration: An analysis of the concept and its practice. Frontiers in Psychology, 13, 824077. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2022.824077
Bion, W. R. (1962). Learning from Experience. Heinemann.
Carhart-Harris, R. L. et al. (2014). The entropic brain: A theory of conscious states informed by neuroimaging research with psychedelic drugs. Frontiers in Human Neuroscience, 8, 20. https://doi.org/10.3389/fnhum.2014.00020
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Psychedelic-assisted Therapy
Effective factors, relationship building, ethical challenges, and practice in Switzerland
Abstract: Psychedelic-assisted therapy is undergoing a scientifically grounded resurgence. Numerous studies have demonstrated the therapeutic efficacy of substances such as psilocybin, LSD, and MDMA in treating various mental health conditions – particularly treatment-resistant depression, PTSD and anxiety disorders. Switzerland holds a special position in this development: as one of the few countries worldwide, it has allowed regulated access to such therapies through compassionate use and approved individual case applications for years. This article examines the current state of research and clinical application with a focus on Switzerland. It integrates recent findings on the mechanisms of action of psychedelic substances and explores central psychotherapeutic factors such as the therapeutic alliance, mindfulness, integration practices, and the role of non-verbal and body-oriented interventions. Ethical questions, especially around the use of touch, are critically discussed, alongside the importance of supervision, intervision, and professional training. The article draws on empirical and theoretical sources and concludes with recommendations for responsibly incorporating psychedelic-assisted therapy into clinical practice.
Keywords: psychedelics, psychotherapy, Switzerland, therapeutic relationship, integration, mindfulness, MDMA, LSD, psilocybin, supervision, ethics, touch
Biografische Notiz
Dr. med. Heiner Dörfler ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH und arbeitet in selbstständiger Praxis in Zürich. Zu seinen Interessen und Forschungsgebiete zählen die indigene Medizin und der Einsatz psychedelischer Substanzen in der Psychotherapie.
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