Editorial

Psychotherapie-Wissenschaft 15 (2) 2025 5–6

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CC BY-NC-ND

https://doi.org/10.30820/1664-9583-2025-2-5

Liebe Leserinnen und Leser,

mit grosser Freude lege ich Ihnen das erste Heft der Psychotherapie-Wissenschaft unter neuer Herausgeberschaft vor. In der letzten Ausgabe mussten wir Ihnen noch mitteilen, dass die Zukunft der Zeitschrift noch nicht gesichert ist, nachdem die ASP (Assoziation Schweizer Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten) als Herausgeberin und Berufsverband die Zeitschrift aus finanziellen Gründen nicht weiter erscheinen lassen wollte. Wir informierten, dass seitens der Redaktion Bestrebungen im Gange sind, genügend GönnerInnen zu finden, um die Zeitschrift unter neuer Trägerschaft weiterzuführen. Dies ist uns gelungen! Vielen Dank allen, die sich als GönnerInnen beteiligen.

Eine neue Trägerschaft mit dem Namen Herausgeberverein Zeitschrift Psychotherapie-Wissenschaft wurde gegründet. Die Rechte wurden auf den neuen Herausgeber übertragen und mit dem Psychosozial-Verlag wurde ein neuer Vertrag geschlossen. So kann die Zeitschrift weiterhin erscheinen. Allerdings müssen wir leider auf die bisherige Mehrsprachigkeit verzichten. Wir können nur noch deutschsprachige Beiträge mit englischen Abstracts aufnehmen. Um längerfristig zwei Ausgaben pro Jahr herausgeben zu können (für die Jahre 2025 und 2026 ist dies gesichert), brauchen wir allerdings noch weitere GönnerInnen. Wir arbeiten weiter daran.

Das Thema dieses Hefts lautet Psychedelika unterstützte Psychotherapie. Dieses Thema verdient Aufmerksamkeit. Nach einem Boom in den 1970ern wurde der Einsatz psychotroper Substanzen als Therapeutikum in vielen Staaten verboten, entsprechend der damaligen Drogenpolitik und fehlender Studien. In der Schweiz ist es möglich, im Rahmen von Forschungsprojekten diese unter bestimmten Bedingungen in Psychiatrischen Kliniken ergänzend bzw. begleitend zu Psychotherapie einzusetzen, was in der Öffentlichkeit wenig wahrgenommen wurde. Verschiedene Studien aus mehrjährigen Forschungsprojekten weisen darauf hin, dass damit insbesondere bei der Behandlung schwerer Störungen Therapieerfolge möglich sind, die ohne den Einsatz psychotroper Substanzen kaum eintreten würden.

Einen ersten Übersichtsbeitrag von Jean Schulthess Watt zu diesem Thema haben wir in Heft 2/2025 publiziert.1 Um das Thema vertiefter weiterzuführen, konnten wir für das vorliegende Heft zwei Autoren finden. Zudem führte Jean Schulthess Watt ein Interview mit zwei ForscherInnen, das wir als dritten thematischen Beitrag wiedergeben können.

Heiner Dörfler beleuchtet in seinem Beitrag den Stand der Forschung und der klinischen Praxis mit Fokus auf die Schweiz, integriert aktuelle Erkenntnisse zur Wirkweise psychedelischer Substanzen und analysiert zentrale psychotherapeutische Wirkfaktoren wie die therapeutische Beziehung, Achtsamkeit, Integrationserfahrungen sowie die Rolle nonverbaler und körperbasierter Interventionen. Die Darstellung basiert auf aktuellen empirischen und theoretischen Arbeiten und gibt abschliessend Empfehlungen für eine verantwortungsvolle Implementierung in der therapeutischen Praxis.

Gregor Hasler entwickelte den sog. Helioskop-Effekt, der einen durch Psychedelika unterstützten Prozess der traumabezogenen Verarbeitung beschreibt, bei dem schwierige Erinnerungen unter Wahrung emotionaler Sicherheit zugänglich gemacht werden. Das vorliegende Konzept basiert auf qualitativen und quantitativen Studien mit Substanzen wie Psilocybin, LSD und MDMA. Es identifiziert drei zentrale Wirkfaktoren: erhöhte emotionale Zugänglichkeit, reduzierte Vermeidung und gleichzeitig verbesserter Schutz vor Retraumatisierung. Der Effekt wird durch spezifische Rahmenbedingungen begünstigt, insbesondere durch die therapeutische Vorbereitung und Begleitung, klare therapeutische Intentionen und ein sicheres Setting. Der Artikel diskutiert die neurobiologischen Grundlagen des Helioskop-Effekts und seine klinische Relevanz für die Traumatherapie sowie den Beitrag zur Psychotherapieprozessforschung.

Rainer Krähenmann und Anja Vandersmissen, beide ExpertInnen für psychedelisch unterstützte Psychotherapie bei behandlungsresistenten Depressionen, stellten sich Jean Schulthess Watt für ein Fachinterview zur Verfügung. Sie beschreiben ein dreimonatiges Behandlungsprogramm an der Klinik Münsterlingen, das mit einer naturalistischen Längsschnittstudie auf seine Wirksamkeit hin beforscht wird. Die Resultate zeigen, dass Psilocybin für sich allein keine Wirksamkeit zeigt, aber das Ergebnis einer Psychotherapie positiv beeinflusst.

Im Heft finden sich auch zwei Originalarbeiten:

Freihart Regner stellt unter dem Titel Dynamic Containing ein transdisziplinäres Prozessmodell vor, das er aus der Arbeit mit traumatisierten Geflüchteten entwickelt hat. Sein Modell stellt einen integrativen Bezugsrahmen zur Verfügung. Der Artikel leistet einen Beitrag zur aktuellen Debatte um evidenzbasierte Praxis, humanistische Ansätze und erkenntnistheoretische Pluralität in Psychotherapieforschung und -politik.

Eik Niederlohmann fokussiert in seinem Beitrag auf die Behandlung schwerer psychischer Erkrankungen wie schizophreniebezogener Syndrome. Trotz vielfältiger Interventionen fehlt häufig ein übergeordneter Bezugsrahmen, der therapeutische, institutionelle und gesellschaftliche Ebenen integriert. In diesem Beitrag wird ein schematherapeutisch fundiertes, metapsychologisch erweitertes Verständnis vorgeschlagen, das strukturorientiert denkt, neurobiologische Forschung berücksichtigt und zentrale Prinzipien emotionsfokussierter Psychotherapie (ISTDP, EDT) einbettet. Der Beitrag plädiert für ein koordiniertes, humanistisches und evidenzbasiertes Verständnis seelischer Heilung.

Zum Abschluss des Hefts finden Sie zwei Buchrezensionen: Peter Schulthess bespricht das Buch KI in der Psychotherapie(-wissenschaft) von Paolo Raile und Peter Geißler, Kurt Greiner das Buch Deliberate Practice in der Psychotherapie. Wege zu einer effektiveren therapeutischen Praxis von Markus Böckle und Ueli Kramer.

Neu finden Sie auch einen Kongresskalender. Wir freuen uns darauf, auch wieder Kongressberichte publizieren zu können.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre

Peter Schulthess

1 Schulthess Watt, J. (2024). The Use of Psychedelics as an Adjunct to Psychotherapy. Psychotherapie-Wissenschaft, 14(2), 51–57. https://doi.org/10.30820/1664-9583-2024-2-51.