Methodenintegration in der psychotherapeutischen Praxis

Hans-Christoph Eichert

Psychotherapie-Wissenschaft 14 (2) 2024 59–70

www.psychotherapie-wissenschaft.info

CC BY-NC-ND

https://doi.org/10.30820/1664-9583-2024-2-59

Zusammenfassung: Im Rahmen einer Befragung von Psychotherapeut:innen in Deutschland, der Schweiz und Österreich wurde untersucht, ob sich die in der Psychotherapiewissenschaft diskutierte Methodenintegration in der psychotherapeutischen Praxis widerspiegelt. Dazu wurden Psychotherapeut:innen (N=150) aus den Ländern gebeten, auf einer 5-stufigen Skala die Bedeutung von Heilfaktoren, Modalitäten und Beziehungsmodalitäten, Medien und Strukturebenen (nach Orth & Petzold 2015) für ihre praktische Arbeit anzugeben. Die verfahrens- und länderbezogene Analyse der Daten zeigt, dass sich unterschiedliche Einschätzungen weniger bei den klassischen Heilfaktoren als bei (Beziehungs-)Modalitäten, Medien und Strukturebenen ergeben. Dabei schätzen Psychotherapeut:innen mit Zweitverfahren Integrative Psychotherapie und Psychotherapeut:innen aus der Schweiz, wo dieses Verfahren verbreiteter ist, die praktische Bedeutsamkeit höher ein.

Schlüsselwörter: Integrative Psychotherapie, Verfahrensvergleich, Heilfaktoren, Modalitäten, Medien

Hintergrund der Studie sind Überlegungen zu einem Forschungsprojekt zur Wirksamkeit theoriebasierter integrativer Psychotherapie i. S. von Petzold (vgl. Orth & Petzold 2015). Die Studie ist Bestandteil des Projekts «Vorstudie zum Forschungsprogramm Integrative Psychotherapie» (IPSY) an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Das Verfahren der «Integrativen Psychotherapie» ist in den 1960er Jahren begründet worden. Neben leibtheoretischen Referenztheorien (Merleau-Ponty 1974 [1966] weist das Verfahren Bezüge zur aktiven Analyse (Ferenczi & Rank 1924), Gestalttherapie (Perls et al. 1951), Psychodrama (Moreno 1990) sowie zu behavioralen (Lazarus & Folkmann 1984) und körperpsychotherapeutischen (Reich 1949, Lowen 1977) Ansätzen auf. Es versteht sich als ein Verfahren, das verschiedene therapeutische Ansätze theoriebasiert integriert. Angewandt wird es heute hauptsächlich in der Schweiz und Österreich. In Deutschland gehört die Integrative Therapie aktuell nicht zu den Richtlinienverfahren. Vor diesem Hintergrund wurden auch Psychotherapeut:innen aus Österreich und der Schweiz in die Befragung einbezogen, um eine breitere Basis für das Verfahren in der Untersuchung gewinnen zu können.

Hintergrund der Studie

Seit vielen Jahren werden im Feld der Psychotherapie die Fragen nach deren Wirksamkeit und Wirkungsweise gestellt und untersucht, ohne dass sich darüber ein allgemeiner Konsens gebildet hätte. Es gilt zwar als unbestritten, dass die Unterschiede zwischen den verschiedenen Therapieverfahren nur gering sind, die verschiedenen Richtungen also ähnlich effizient sind. Auch mag man zur Kenntnis genommen haben, dass auch innerhalb der «Schulen» die Qualität der Therapieergebnisse weit auseinandergeht, dass also in allen Verfahren «gute» und «schlechte» Psychotherapeut:innen gibt (von Wyl et al. 2016).

Auf der Suche nach den Wirkungsweisen und Wirkfaktoren hat man sich nach einer anfänglich reinen Outcome-Forschungs-Phase im Rahmen der Prozessforschung seit 1955 mit allgemeinen Wirkfaktoren der Therapie befasst, welche in jeder Therapie zum Tragen kommen, unabhängig davon, welche Methoden und Techniken der/die Therapeut:in anwendet (vgl. Helle 2019). Nach Grawe (1998) gehören dazu Ressourcenaktivierung, Motivationale Klärung, Problemaktualisierung, Problembewältigung und die Therapeutische Beziehung. Andere Autor:innen haben diese Aufstellung durch weitere Konzepte ergänzt wie z. B. Emotionales Abreagieren, Korrektive emotionale Erfahrung, Emotionsregulation, Mentalisierung und Selbstnarration (Jorgenson 2004).

Spätere Beiträge zum Thema befassen sich mit den Zusammenhängen zwischen spezifischen Techniken und allgemeinen Wirkfaktoren. So beziehen Pfammatter et al. (2012, S. 25) 22 in der Literatur beschriebene allgemeine Wirkfaktoren auf 22 Standardtechniken psychotherapeutischer Hauptrichtungen (Kognitive Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologische Psychotherapie, Humanistische Psychotherapie und Systemische Therapie) und legen nahe, dass «die Umsetzung und Wirkung allgemeiner Wirkfaktoren sehr wohl von der spezifischen Therapietechnik und dem spezifischen Störungsbild abhängen» (ibid., S. 30).

Eine Metaanalyse von Wampold et al. (2018) zu allgemeinen und spezifischen Wirkfaktoren (2018) kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass Kontextuelle Faktoren (Allianz, Empathie, Zielkonsens, Wertschätzung, Echtheit, kulturelle Adaption und die Therapeut:innenpersönlichkeit) mit grösseren Effektstärken verbunden sind als spezifische Wirkfaktoren.

Petzold et al. (2016) haben vor dem Hintergrund integrativ-therapeutischer Überlegungen 17 Heil- und Wirkfaktoren theoretisch herausgearbeitet, welche, differenziell angewandt, gezielt für spezifische Veränderungsprozesse eingesetzt werden. Formuliert sind die Heilfaktoren als Bereiche, in denen eine psychotherapeutische Förderung stattfindet. Ergänzt werden die Heil- und Wirkfaktoren durch Modalitäten, Beziehungsmodalitäten, Medien und Strukturebenen der psychotherapeutischen Behandlung, die i. S. spezifischer Faktoren wirken. In Tabelle 1 findet sich eine Übersicht aller Faktoren.

Heilfaktoren

Modalitäten

Beziehungsmodalitäten

Medien

Strukturebenen

Einfühlendes Verstehen, Empathie

Übungszentriert-funktionale Modalität

Kontakt

Sprache

Stärkung von Selbst- und Selbstwertgefühl

Emotionale Annahme und Stütze

Konservativ-stützende Modalität

Begegnung

bildnerische Medien

Stärkung von Kohärenzwahrnehmung

Hilfen bei der realitätsgerechten Lebensbewältigung

Erlebniszentriertstimulierende Modalität

Beziehung

poetische Medien

Stärkung von Selbstwirksamkeit/Souveränität

Förderung emotionalen Ausdrucks und volitiver Entscheidungskraft

Konfliktzentriert-aufdeckende Modalität

Bindung

Bewegung und Tanz

Förderung von Ich-Stärke

Förderung von Einsicht, Sinnerleben, Evidenzerfahrungen

Netzwerk- und lebenslageorientierte Modalität

Mutualität

Musik

Förderung von Ich-Flexibilität

Förderung kommunikativer Kompetenz und Beziehungsfähigkeit

Supportive Modalität

Übertragung/Gegenübertragung

Puppen, Masken und dramatherapeutische Medien

Förderung von Identitätsstabilität

Förderung leiblicher Bewusstheit

Medikamentengestützte, supportive Modalität

Förderung von Identitätsflexibilität

Förderung von Lernmöglichkeiten, Lernprozessen und Interessen

Förderung der Leiblichkeit

Förderung kreativer Erlebnismöglichkeiten

Förderung des Sozialen Netzwerks

Erarbeitung positiver Zukunftsperspektiven und Erwartungshorizonte

Förderung von Arbeit/Leistung/Freizeit

Förderung positiver persönlicher Wertebezüge

Förderung materieller Sicherheit

Förderung eines prägnanten Selbst- und Identitätserlebens und positiver selbstreferenzieller Gefühle und Kognitionen

Förderung der Werte

Förderung tragfähiger sozialer Netzwerke

Thematisierung genderspezifischer Perspektiven

Ermöglichung von Empowerment- und Solidaritätserfahrung

Thematisierung schichtspezifischer Perspektiven

Förderung eines lebendigen und regelmässigen Naturbezugs

Thematisierung lebensaltersspezifischer Perspektiven

Vermittlung heilsamer ästhetischer Erfahrungen

Synergetische-Multimodalität

Tab. 1: Heilfaktoren, Modalitäten, Beziehungsmodalitäten, Medien, Strukturebenen

Zusammenfassend kann man feststellen, dass sich die Psychotherapietheorie und -forschung in den letzten Jahrzehnten umfassend mit allgemeinen Wirkfaktoren in der Psychotherapie und deren Zusammenhang mit spezifischen Techniken befasst hat und dabei zuletzt auch integrative bzw. transtheoretische Perspektiven eingenommen hat (Lutz & Rief 2022).

Die vorliegende Studie befasst sich vor diesem Hintergrund mit der Frage, inwieweit diese Integrationsbewegungen in der therapeutischen Theorie und Forschung auch in der Praxis der Psychotherapie bedeutsam geworden sind.

Fragestellung und Hypothesen

Die Studie geht der Frage nach, wie Psychotherapeut:innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Bedeutung von Heilfaktoren, Modalitäten, Beziehungsmodalitäten, Medien und Strukturebenen i. S. der Integrativen Therapie von Orth und Petzold (2015) für ihre psychotherapeutische Praxis einschätzen. Neben der allgemeinen Bedeutsamkeitseinschätzung stehen mögliche Unterschiede zwischen psychotherapeutischen Verfahren und Ländern im Fokus.

Die folgenden Annahmen liegen der Untersuchung zugrunde:

  1. 1. Angehörige verschiedener therapeutischer Ausrichtungen unterscheiden sich hinsichtlich der Einschätzung der Bedeutung von Heilfaktoren, Modalitäten, Beziehungsmodalitäten, Medien und Strukturebenen in ihrer psychotherapeutischen Praxis. Therapeut:innen mit einem integrativtherapeutischen Hintergrund (Erst- oder Zweitverfahren) schätzen deren praktische Bedeutung insgesamt höher ein als andere Therapeut:innen, da sie einen breiteren methodischen und theoretischen Hintergrund nutzen.
  2. 2. Bei Psychotherapeut:innen aus Österreich und der Schweiz ist die Einschätzung der praktischen Bedeutsamkeit von Heilfaktoren, Modalitäten, Beziehungsmodalitäten, Medien und Strukturebenen höher als bei Therapeut:innen in Deutschland, da dort die Verfahrensvielfalt grösser ist.

Methodik

Untersuchungsdesign. Zur Untersuchung der Fragestellung sollten die Studienteilnehmer:innen die Bedeutung von Heilfaktoren, Modalitäten, Beziehungsmodalitäten, Medien und Strukturebenen aus der Integrativen Therapie i. S. von Orth und Petzold (2015) (Tab. 1) für ihre eigene therapeutische Praxis auf einer 5-stufigen Likertskala einschätzen.

Auswertung. Zur deskriptiven Auswertung wurden jeweils Mittelwert, Standardabweichung, Kurtosis und Schiefe berechnet. Mittels Varianzanalyse und T-Test für unabhängige Stichproben wurden Unterschiede zwischen verschiedenen Psychotherapieformen (Erst- und Zweitverfahren) und Ländern untersucht. Zusätzlich wurde bei signifikanten Unterschieden die Effektstärke h² berechnet. Die Interpretation erfolgte nach Cohen 1988 (zit. n. Döring 2023, S. 804): < 0,01 kein Effekt; 0,01–0,06 kleiner Effekt; 0,060–0,140 mittlerer Effekt; > 0,140 grosser Effekt

Für die Studie lag ein positives Ethikvotum der Ethikkommission der PH Heidelberg und der SRH-Hochschule vor.

Stichprobengewinnung und Befragungsverlauf. Von August bis Oktober 2023 wurden Psychotherapeutenkammern und Berufsverbände in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit der Bitte um Veröffentlichung einer Einladung zur Teilnahme an der Studie angeschrieben. Der Bitte entsprachen nicht alle angeschriebenen Einrichtungen. Daher wurden in Bundesländern, in denen die Kammern nicht zugesagt hatten, Psychotherapeut:innen zufällig ausgewählt und persönlich per Mail zur Teilnahme eingeladen.

Die Befragung fand schliesslich vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2023 als Onlinebefragung auf der Befragungsplattform Soscisurvey statt. In der Zeit klickten 600 Personen auf den Fragebogenlink. 211 Personen begannen das Interview. Davon waren nach der Bereinigung um abgebrochene oder unvollständige Interviews 150 Interviews auswertbar.

Zusammensetzung der Stichprobe. Das Durchschnittsalter ist mit 52,59 Jahren (Spannweite 29–80 Jahre) relativ hoch, an der Befragung haben weit überwiegend Frauen teilgenommen. Die Studienteilnehmer:innen kommen hauptsächlich aus Deutschland und der Schweiz, aus Österreich kam lediglich ein:e Teilnehmer:in. Die Verteilung der Herkunft nach Bundesländern (Deutschland) und Kantonen (Schweiz) ergibt sich aus den Abbildungen 1 und 2.

Abb. 1: Verteilung Bundesländer

Abb. 2: Verteilung Kantone

Fast alle arbeiteten mit Erwachsenen, knapp ein Viertel auch mit Kindern und Jugendlichen. Von den genannten Erstverfahren dominieren Verhaltenstherapie und Tiefenpsychologische Therapie. Integrative Therapie wurde am dritthäufigsten genannt, mit 87,5 % überwiegend in der Schweiz (c²=46,95, df=3, p<0,001). Andere Verfahren benannten 12 % der Befragten. Hierunter fallen verschiedene Verfahren, die der dritten Welle der Verhaltenstherapie zugeordnet werden können. Ausserdem wurden verschiedene körperorientierte Verfahren genannt.

Abb. 3: Stichprobenzusammensetzung

Bei den Zweitverfahren waren Mehrfachnennungen möglich. Hier dominierten Entspannungsverfahren, achtsamkeitsorientierte Verfahren, Systemische Therapie, Gesprächstherapie, Schematherapie und Dialektisch-Behaviorale Therapie. Integrative Therapie als Zweitverfahren benannten 28 Psychotherapeut:innen, signifikante Länderunterschiede bestanden nicht.

Bei den «Anderen Verfahren» dominierten Verfahren der dritten Welle der Verhaltenstherapie und traumatherapeutische Verfahren.

Deskriptive Ergebnisse

Die Bewertung der einzelnen Heilfaktoren, Modalitäten, Beziehungsmodalitäten, Medien und Strukturebenen psychotherapeutischer Arbeit durch alle Psychotherapeut:innen ergibt sich aus Tabelle 2.

Heilfaktoren

N

Mean

Std Abw

Varianz

Kurtosis

Schiefe

Einfühlendes Verstehen, Empathie

150

4,7

0,63

0,4

14,48

-3,22

Emotionale Annahme und Stütze

148

4,52

0,71

0,51

4,57

-1,83

Hilfen bei der realitätsgerechten praktischen Lebensbewältigung

149

3,64

0,92

0,84

-0,89

0,04

Förderung emotionalen Ausdrucks und volitiver Entscheidungskraft

147

4,12

0,78

0,61

-0,19

-0,56

Förderung von Einsicht, Sinnerleben, Evidenzerfahrungen

147

4,00

0,85

0,73

-0,65

-0,4

Förderung kommunikativer Kompetenz und Beziehungsfähigkeit

149

4,21

0,74

0,55

-0,29

-0,57

Förderung leiblicher Bewusstheit, Selbstregulation

148

3,99

0,88

0,78

-0,06

-0,58

Förderung von Lernmöglichkeiten, Lernprozessen und Interessen

148

3,37

1,08

1,16

-0,74

-0,13

Förderung kreativer Erlebnismöglichkeiten und Gestaltungskräfte

149

3,27

1,04

1,09

-0,68

0,13

Erarbeitung positiver Zukunftsperspektiven und Erwartungshorizonte

149

4,01

0,79

0,63

-0,32

-0,42

Förderung positiver persönlicher Wertebezüge, Konsolidierung der existenziellen Dimension

149

3,77

0,88

0,78

0,35

-0,6

Förderung eines prägnanten Selbst- und Identitätserlebens und positiver selbstreferenzieller Gefühle und Kognitionen

149

4,01

0,86

0,74

1,15

-0,92

Förderung tragfähiger sozialer Netzwerke

149

3,82

0,81

0,66

0,95

-0,64

Ermöglichung von Empowerment- und Solidaritätserfahrung

148

3,57

0,96

0,91

-0,23

-0,29

Förderung eines lebendigen und regelmässigen Naturbezugs

149

2,91

0,99

0,97

-0,32

0,05

Vermittlung heilsamer ästhetischer Erfahrungen

145

2,37

1,01

1,03

-0,04

0,54

Synergetische-Multimodalität

142

2,61

1,2

1,43

-0,7

0,25

Modalitäten

N

Mean

Std Abw

Varianz

Kurtosis

Schiefe

Übungszentriert-funktionale Modalität

149

3,35

1,19

1,4

-0,93

-0,24

Konservativ-stützende Modalität

148

3,34

0,78

0,61

-0,06

-0,08

Erlebniszentriert-stimulierende Modalität

149

3,98

0,89

0,79

0,09

-0,66

Konfliktzentriert-aufdeckende Modalität

150

3,87

0,88

0,78

-0,08

-0,51

Netzwerk- und lebenslageorientierte Modalität

148

3,33

0,85

0,73

-0,02

0,04

Supportive Modalität

148

3,69

0,9

0,81

-0,37

-0,3

Medikamentengestützte, supportive Modalität

146

1,84

0,93

0,86

0,5

0,95

Beziehungsmodalitäten

N

Mean

Std Abw

Varianz

Kurtosis

Schiefe

Kontakt

148

4,45

0,73

0,53

0,58

-1,13

Begegnung

150

4,35

0,74

0,55

-0,43

-0,76

Beziehung

149

4,62

0,62

0,38

3,48

-1,78

Bindung

148

4,05

0,84

0,71

-1,04

-0,3

Mutualität

144

3,35

0,98

0,97

-0,34

0,01

Übertragung/Gegenübertragung

150

3,57

1,14

1,29

-0,59

-0,46

Medien

N

Mean

Std Abw

Varianz

Kurtosis

Schiefe

Sprache

149

4,87

0,4

0,16

18,78

-3,75

bildnerische Medien

149

2,93

1,11

1,23

-0,74

0

poetische Medien

145

2,06

0,92

0,85

-0,77

0,41

Bewegung und Tanz

146

2,17

1,26

1,59

-0,48

0,82

Musik

146

1,67

0,86

0,75

1,31

1,28

Puppen, Masken und dramatherapeutische Medien

147

1,98

1,24

1,53

-0,14

1,03

Strukturebenen

N

Mean

Std Abw

Varianz

Kurtosis

Schiefe

Stärkung von Selbst- und Selbstwertgefühl

149

4,68

0,54

0,29

3,5

-1,68

Stärkung von Kohärenzwahrnehmung

149

4,1

0,77

0,59

-0,7

-0,36

Stärkung von Selbstwirksamkeit/Souveränität

150

4,5

0,66

0,44

0,68

-1,12

Förderung von Ich-Stärke

149

4,28

0,78

0,61

1,43

-1,05

Förderung von Ich-Flexibilität

150

4,11

0,85

0,73

0,07

-0,67

Förderung von Identitätsstabilität

149

3,88

0,83

0,69

0,06

-0,42

Förderung von Identitätsflexibilität

147

3,78

0,93

0,87

-0,43

-0,4

Förderung der Leiblichkeit

149

3,44

1,19

1,41

-0,89

-0,25

Förderung des Sozialen Netzwerks

149

3,6

0,84

0,7

-0,06

-0,38

Förderung von Arbeit/Leistung/Freizeit

150

3,47

0,95

0,91

-0,33

-0,23

Förderung materieller Sicherheit

150

2,55

0,88

0,77

-0,42

0,07

Förderung der Werte

150

3,61

1,05

1,1

-0,69

-0,29

Thematisierung genderspezifischer Perspektiven

148

2,79

1,1

1,21

-0,74

0,05

Thematisierung schichtspezifischer Perspektiven

148

2,64

1,01

1,02

-0,34

0,3

Thematisierung lebensaltersspezifischer Perspektiven

149

3,61

0,89

0,79

-0,07

-0,31

Tab. 2: Deskriptive Ergebnisse

Heilfaktoren. ‹Einfühlendes Verstehen›, ‹Emotionale Annahme›, ‹Förderung des emotionalen Ausdrucks›, und ‹Förderung der Beziehungsfähigkeit› wurden mit Werten über vier am höchsten bewertet. ‹Einfühlendes Verstehen› und ‹Emotionale Anteilnahme› waren deutlich linksschief und sehr steil verteilt. Hier könnten Deckeneffekte vermutet werden. Andererseits handelt es sich aber um Faktoren, deren Bedeutung in der Psychotherapie inzwischen unstrittig ist, was die einheitlich hohe Bewertung gut erklären kann. Als weniger bedeutsam wurden mit Werten unter drei ‹Förderung des Naturbezugs›, ‹Vermittlung heilsamer ästhetischer Erfahrungen›, sowie ‹synergetische Multimodalität› bewertet. Hierbei handelt es sich um «neue» Faktoren, die vor allem in der Integrativen Therapie diskutiert werden.

Modalitäten. Die ‹Medikamentengestützte supportive Modalität› wurde am niedrigsten eingeschätzt, was nicht weiter verwunderlich ist, da ärztliche Psychotherapeut:innen nicht in die Befragung einbezogen waren. Alle anderen Modalitäten wurden im mittleren Bereich eingeschätzt.

Beziehungsmodalitäten. Alle Beziehungsmodalitäten wurden überdurchschnittlich bedeutsam eingeschätzt, wobei ‹Mutualität› und ‹Übertragung/Gegenübertragung› vergleichsweise niedrig eingeschätzt wurden. Linksschief und steil war die Verteilung bei der Modalität ‹Beziehung›.

Medien. Beim Medieneinsatz dominierte ‹Sprache›, mit einer deutlich linksschiefen und steilen Verteilung. Hier könnte ein Deckeneffekt vermutet werden. Die einheitlich hohe Bewertung ist auf die umfassende praktische Bedeutung der Sprache als Kernmedium der Psychotherapie erklärbar. Alle anderen Medien wurden unterdurchschnittlich eingeschätzt. Die Bewertungsverteilung für das Medium ‹Musik› war rechtsschief.

Strukturebenen. Bei den Strukturebenen erreichten ‹Stärkung des Selbstwertgefühls›, ‹Stärkung der Kohärenzwahrnehmung› sowie ‹Stärkung der Selbstwirksamkeit› die höchsten Werte. Die niedrigste Bewertung ergab sich für Thematisierung ‹Förderung materieller Sicherheit›, ‹genderspezifischer Perspektiven› und ‹schichtspezifischer Perspektiven›. Die Verteilung für Stärkung des Selbstwertgefühls war linksschief und steil, hier könnten Deckeneffekte vermutet werden. Die einheitlich hohe Bewertung ist aber durch die unstrittige Bedeutung dieser Ebene in allen Psychotherapien erklärbar.

Gruppenunterschiede

Die Einschätzungen der Psychotherapeut:innen wurden hinsichtlich der psychotherapeutischen Erstverfahren, der Zweitverfahren Integrative Therapie (IT) vs. nicht IT als Zweitverfahren und hinsichtlich der Länder verglichen.

Vergleich Erstverfahren

Heilfaktoren

F

Sig.

h²

Förderung tragfähiger sozialer Netzwerke

3,96

0,01

0,024

Synergetische-Multimodalität

3,71

0,014

0,078

Modalitäten

Übungszentriert-funktional

21,66

0,001

0,017

Erlebniszentriert-stimulierende

3,14

0,028

0,053

Konfliktzentriert-aufdeckende

4,67

0,004

<0,001

Beziehungsmodalitäten

Bindung

5,83

0,001

0,065

Mutualität

3,97

0,01

0,032

Übertragung/Gegenübertragung

16,17

0,001

0,061

Medien

Bewegung und Tanz

2,93

0,036

0,046

Puppen, Masken und dramatherapeutische Medien

3,28

0,023

0,02

Strukturebenen

Förderung von Identitätsstabilität

3,85

0,011

0,012

Förderung der Leiblichkeit

3,59

0,016

0,053

Förderung des Sozialen Netzwerks

5,72

0,001

< 0,001

Förderung von Arbeit/Leistung/Freizeit

6,12

0,001

0,035

Vergleich Zweitverfahren

Heilfaktoren

F

Sig.

h²

Förderung leiblicher Bewusstheit, Selbstregulation, psychophysischer Entspannung

-2,24

0,027

0,0509

Förderung von Lernmöglichkeiten, Lernprozessen und Interessen

-2,09

0,039

0,0446

Förderung kreativer Erlebnismöglichkeiten und Gestaltungskräfte

-2,67

0,008

0,0708

Förderung tragfähiger sozialer Netzwerke

-2,39

0,018

0,0575

Ermöglichung von Empowerment- und Solidaritätserfahrung

-2,05

0,042

0,043

Förderung eines lebendigen und regelmässigen Naturbezugs

-2,68

0,008

0,0713

Modalitäten

Konservativ-stützende Modalität

-2,43

0,016

0,0593

Medien

bildnerische Medien

-2,3

0,023

0,0536

Bewegung und Tanz

-2,11

0,042

0,0454

Musik

-2,53

0,013

0,064

Puppen, Masken und dramatherapeutische Medien

-1,99

0,049

0,0405

Strukturebenen

Förderung von Ich-Flexibilität

-2,19

0,03

0,0488

Förderung der Leiblichkeit

-2,14

0,034

0,0466

Förderung materieller Sicherheit

-2,18

0,031

0,0484

Thematisierung schichtspezifischer Perspektiven

-3,53

0,001

0,1176

Ländervergleich

Heilfaktoren

F

Sig.

h²

Förderung von Lernmöglichkeiten, Lernprozessen und Interessen

-2,09

0,039

0,0365

Förderung kreativer Erlebnismöglichkeiten und Gestaltungskräfte

-2,34

0,020

0,0454

Förderung eines lebendigen und regelmässigen Naturbezugs

-2,09

0,039

0,0365

Vermittlung heilsamer ästhetischer Erfahrungen

-2,2

0,030

0,0403

Synergetische-Multimodalität

-3,13

0,002

0,0783

Modalitäten

Erlebniszentriert-stimulierende Modalität

-2,16

0,032

0,0386

Medikamentengestützte, supportive Modalität

-2,04

0,043

0,0348

Beziehungsmodalitäten

Übertragung/Gegenübertragung

-2,48

0,015

0,0507

Medien

Bewegung und Tanz

-3,7

0,000

0,1061

Musik

-2,14

0,034

0,0383

Puppen, Masken und dramatherapeutische Medien

-1,97

0,050

0,0341

Strukturebenen

Förderung der Leiblichkeit

-2,38

0,019

0,0468

Thematisierung genderspezifischer Perspektiven

-2,86

0,005

0,0663

Thematisierung schichtspezifischer Perspektiven

-2,16

0,033

0,0388

Thematisierung lebensaltersspezifischer Perspektiven

-2,02

0,047

0,0341

Tab. 3: Gruppenunterschiede

Die Erstverfahren wurden zur besseren Auswertbarkeit für die Analyse umkodiert:

  1. 1. Tiefenpsychologische Verfahren und Psychoanalyse wurden zusammengefasst (N=44)
  2. 2. Gesprächstherapie, Gestalttherapie und Psychodrama wurden als humanistische Verfahren zusammengefasst (N=14)

Verhaltenstherapie (N=55) und Integrative Therapie (N=16) wurden als Kategorien beibehalten

Andere Erstverfahren wurden aufgrund der Heterogenität von der weiteren Analyse ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund konnten 129 Fälle in den Vergleich einbezogen werden.

Signifikante Unterschiede bei der Einschätzung der Bedeutsamkeit von Heilfaktoren, Modalitäten, Beziehungsmodalitäten, Medien und Struktur zwischen den Verfahren sind aus Tabelle 3 ersichtlich.

Heilfaktoren. Bei der Einschätzung des Faktors ‹Förderung sozialer Netzwerke› zeigten sich im Paarvergleich signifikante Unterschiede zwischen Verhaltenstherapie einerseits und Tiefenpsychologischer Therapie und Humanistischen Verfahren. Verhaltenstherapeut:innen schätzten den Faktor höher ein. Den Faktor ‹Synergetische Multimodalität› schätzten Integrative Therapeuten bedeutsamer ein als Verhaltenstherapeut:innen und Tiefenpsychologische Therapeut:innen.

Modalitäten. Die ‹Übungszentrierte Modalität› schätzten Verhaltenstherapeut:innen im Vergleich zu Humanistischen Therapeut:innen und Tiefenpsychologischen Therapeut:innen höher ein. Integrative Therapeut:innen schätzten sie gegenüber Tiefenpsychologischen Therapeut:innen höher ein. Die ‹Erlebniszentrierte Modalität› schätzten Humanistische Therapeut:innen höher ein als Verhaltenstherapeut:innen und Tiefenpsychologische Therapeut:innen. Die ‹Konfliktzentrierte Modalität› schätzten Tiefenpsychologische Therapeut:innen bedeutsamer ein als Verhaltenstherapeut:innen und Integrative Therapeut:innen.

Beziehungsmodalitäten. ‹Bindung› schätzten Integrative Therapeut:innen gegenüber den anderen Verfahren niedriger ein. ‹Mutualität› schätzten Tiefenpsychologische und Humanistische Therapeut:innen höher ein als Verhaltenstherapeut:innen. ‹Übertragung/Gegenübertragung› als Modalität schätzten Tiefenpsychologische Therapeut:innen bedeutsamer ein als die anderen.

Medien. ‹Bewegung› schätzten Integrative Therapeut:innen höher ein als Verhaltenstherapeut:innen. Die Arbeit mit ‹Dramatherapeutischen Medien› schätzten Tiefenpsychologische und Integrative Therapeut:innen bedeutsamer ein als Verhaltenstherapeut:innen.

Strukturebenen. Die ‹Förderung von Identitätsstabilität› schätzten Tiefenpsychologische und Humanistische Therapeut:innen höher ein als Verhaltenstherapeut:innen. Die ‹Förderung der Leiblichkeit› schätzten Verhaltenstherapeut:innen niedriger ein als alle anderen. Die ‹Förderung sozialer Netzwerke› schätzten Verhaltenstherapeut:innen und Integrative Therapeut:innen höher ein als Tiefenpsychologische Therapeut:innen. Die ‹Förderung des Bereichs Arbeit/Leistung/Freizeit› schätzten Verhaltenstherapeut:innen höher ein als Tiefenpsychologische oder Humanistische Therapeut:innen.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Einschätzungs-Unterschiede zwischen den Erstverfahren hinsichtlich (Beziehungs-)Modalitäten, Medien und Strukturebenen weitgehend den theoretischen Grundlagen der Verfahren zu folgen scheinen.

Insgesamt 29 Therapeut:innen haben die Integrative Therapie (IT) als Zweitverfahren angegeben. Deren Einschätzungen wurden mit den Einschätzungen der 121 Teilnehmer:innen verglichen, die das Verfahren nicht angegeben haben (Tab. 3).

Heilfaktoren. Signifikante Unterschiede zwischen Therapeut:innen mit und ohne Zweitverfahren Integrative Therapie zeigten sich im T-Test hinsichtlich der Heilfaktoren ‹Förderung leiblicher Bewusstheit›, ‹Förderung von Lernmöglichkeiten›, ‹Förderung kreativer Erlebnismöglichkeiten›, ‹Netzwerkförderung›, ‹Empowerment› und ‹Naturbezug›. Therapeut:innen mit Zweitverfahren schätzten die Bedeutung höher ein als solche ohne Zweitverfahren IT.

Modalitäten. Auch die ‹Konservativ-stützende Modalität› schätzten sie für ihre Praxis höher ein.

Medien. Der Einsatz ‹bildnerischer›, ‹bewegungsorientierter›, ‹musikalischer› und ‹psychodramatischer› Medien ist für Psychotherapeut:innen mit Zweitverfahren Integrative Therapie ebenfalls bedeutsamer als für Therapeut:innen ohne das Zweitverfahren.

Strukturebenen. Unterschiede zeigten sich schliesslich auch hinsichtlich der Strukturebenen. ‹Förderung von Ich-Flexibilität›, ‹Leiblichkeit›, ‹materieller Sicherheit› und ‹Thematisierung schichtspezifischer Perspektiven› bewerteten Therapeut:innen mit integrativem Zweitverfahren signifikant höher.

Für den Ländervergleich wurden die Daten der deutschen und schweizerischen Therapeut:innen herangezogen. Der Fall aus Österreich wurde nicht einbezogen. Insgesamt standen nach Abzug fehlender Werte 145 Datensätze für den Vergleich zur Verfügung (Tab. 3).

Heilfaktoren. Signifikante Unterschiede zeigten sich bei den Faktoren ‹Förderung von Lernmöglichkeiten›, ‹Förderung kreativer Erlebnismöglichkeiten›, ‹Förderung von Naturbezug›, ‹Förderung ästhetischer Erfahrungen› sowie ‹Synergetische Multimodalität›. Die schweizerischen Studienteilnehmer:innen bewerteten die Faktoren höher als die deutschen.

Modalitäten. Unterschiede zeigten sich hier bei der ‹erlebniszentrierten› und der ‹medikamentengestützten› Modalität, auch diese bewerteten die schweizerischen Studienteilnehmer:innen höher.

Beziehungsmodalitäten. Auch die Beziehungsmodalität ‹Übertragung/Gegenübertragung› schätzten die schweizerischen Studienteilnehmer:innen für ihre Praxis bedeutsamer ein.

Medien. Bei den Medien zeigten sich Unterschiede hinsichtlich ‹Bewegung›, ‹Musik› und ‹dramatherapeutischen› Medien. Die schweizerischen Psychotherapeut:innen schätzten die Medien als bedeutsamer ein.

Strukturebenen. Hinsichtlich des Strukturebenen schätzten die schweizerischen Studienteilnehmer:innen die ‹Förderung der Leiblichkeit›, die ‹Thematisierung genderspezifischer, schichtspezifischer› und ‹lebensaltersspezifischer› Perspektiven für ihre Praxis als bedeutsamer ein als die deutschen Teilnehmer:innen.

Zusammenfassung und Diskussion

Stichprobe. Die Stichprobe, die mit dem Teilnahmeaufruf gewonnen werden konnte, besteht überwiegend aus Frauen. Das Durchschnittsalter ist mit 52 Jahren relativ hoch. Etwa zwei Drittel der Therapeut:innen kommen aus Deutschland, ein Drittel aus der Schweiz. Als Erstverfahren dominiert die Verhaltenstherapie und Tiefenpsychologische Therapie, 10 % geben Integrative Therapie an. Als Zweitverfahren werden vor allem Achtsamkeitsbasierte und Entspannungsverfahren und weitere Verfahren aus dem Bereich der dritten Welle der Verhaltenstherapie benannt. In den offenen Eingaben werden sowohl beim Erstverfahren als auch beim Zweitverfahren eine Vielzahl weiterer Verfahren genannt

Gesamtbewertung. Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Heilfaktoren ‹Naturbezug›, ‹Ästhetik› und ‹Synergetische Multimodalität› unterdurchschnittlich bewertet wurden. Alle anderen Heilfaktoren wurden als durchschnittlich bzw. überdurchschnittlich bedeutsam bewertet. Deutlich unter dem Skalenmittelwert wurde die ‹Medikamentengestützte Modalität› bewertet. Alle Beziehungsmodalitäten wurden überdurchschnittlich bewertet. Bei den Medien wurden ausser ‹Sprache› alle Medien (Bildnerisch, Poetische, Bewegung, Musik, Dramatherapeutische) niedriger als der Skalenmittelwert bewertet. Hinsichtlich der Strukturebenen wurden ‹Gender- und schichtspezifische Perspektiven› unterdurchschnittlich bewertet, alle anderen Strukturaspekte lagen im durchschnittlichen bis überdurchschnittlichen Bereich. Deckeneffekte könnten für die Heilfaktoren ‹Einfühlendes Verstehen› und ‹Emotionale Anteilnahme›, für die Modalität ‹Beziehung›, für das Medium ‹Sprache› und für die ‹Strukturebene Stärkung des Selbstwertgefühls› vermutet werden. Erklärbar sind die einheitlich hohen Bewertungen aber durch die umfassende Bedeutung dieser Elemente in allen Therapieformen.

Unterschiede Erstverfahren. Hinsichtlich der Erstverfahren (Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologische Therapie/Psychoanalyse, Humanistische Therapie, Integrative Therapie) zeigten sich verschiedene Einschätzungsunterschiede, die nicht alle auf Unterschiede zwischen Integrativer Therapie und anderen Verfahren zurückzuführen waren. Bei der Bewertung von ‹Übungszentrierung›, ‹Konfliktzentrierung›, ‹bewegungsorientierte› und ‹dramatherapeutische Medien› sowie der Förderung von ‹Leiblichkeit› und ‹Netzwerkarbeit› zeigten sich signifikante kleine Effekte zwischen Integrativer Therapie und anderen Erstverfahren. Mittlere Effekte wurden beim Heilfaktor Synergetische Multimodalität (gegenüber VT und TP höher) und den Beziehungsmodalitäten Bindung (gegenüber anderen Verfahren niedriger) und Übertragung/Gegenübertragung (niedriger gegenüber TP) gefunden. Insgesamt scheinen die unterschiedlichen Einschätzungen bei den Erstverfahren den theoretischen Grundlagen der Verfahren zu folgen.

Unterschiede Zweitverfahren. Für die eigene Praxis bedeutsamer schätzten Therapeut:innen mit dem Zweitverfahren Integrative Therapie gegenüber den anderen Psychotherapeut:innen die Heilfaktoren ‹Förderung leiblicher Bewusstheit›, ‹Förderung von Lernmöglichkeiten›, ‹Förderung tragfähiger sozialer Netzwerke›, ‹Ermöglichung von Empowerment- und Solidaritätserfahrung›, die ‹konservativ-stützende Modalität›, ‹bildnerische Medien›, ‹Bewegung und Tanz›, und ‹dramatherapeutische Medien› sowie die Strukturebenen Förderung von ‹Ich-Flexibilität›, ‹Förderung der Leiblichkeit›, ‹Förderung materieller Sicherheit› höher ein. Diese Effekte waren klein. Signifikante mittlere und grosse Effekte zeigten sich bei ‹Förderung kreativer Erlebnismöglichkeiten›, ‹Förderung des Naturbezugs›, dem Medium ‹Musik› und der ‹Thematisierung schichtspezifischer Perspektiven›, deren Bedeutung Psychotherapeut:innen mit Zweitverfahren Integrative Psychotherapie höher einschätzten.

Länderunterschiede. Signifikant kleine Effekte ergaben sich im Ländervergleich bei den Heilfaktoren ‹Förderung von Lernmöglichkeiten›, ‹Förderung kreativer Erlebnismöglichkeiten›, ‹Förderung des Naturbezugs›, ‹Vermittlung heilsamer ästhetischer Erfahrungen›, bei der ‹erlebniszentrierten› und der ‹medikamentengestützten› Modalität, der Beziehungsmodalität ‹Übertragung/Gegenübertragung›, der Medien ‹Musik› und ‹dramatherapeutischer Medien› sowie der Strukturebenen ‹Förderung der Leiblichkeit›, ‹Thematisierung schichtspezifischer Perspektiven› und die ‹Thematisierung lebensaltersspezifischer Perspektiven›. Die schweizerischen Psychotherapeut:innen schätzten die praktische Bedeutsamkeit jeweils höher ein als ihre deutschen Kolleg:innen. Signifikante mittlere Effekte in der gleichen Richtung fanden sich beim Heilfaktor ‹Synergetische Multimodalität›, dem Medium ‹Bewegung› sowie der Strukturebene ‹Thematisierung genderspezifischer Perspektiven›.

Zusammenfassende Bewertung. In Hinblick auf die ursprünglichen Hypothesen kann man feststellen:

  1. 1. Im Erstverfahren zeigten sich hypothesenkonforme Bewertungsunterschiede zwischen IT und anderen Verfahren lediglich in Bezug auf Synergetische Multimodalität, Bewegung und psychodramatische Medien. Alle anderen Einschätzungsunterschiede beziehen sich auf Unterschiede zwischen anderen Verfahren. Im Zweitverfahren haben sich hypothesenkonforme Unterschiede zwischen Integrativen Therapeut:innen und solchen, die das Verfahren nicht angegeben haben, in Bezug auf die Heilfaktoren ‹Förderung leiblicher Bewusstheit›, ‹Förderung von Lernprozessen›, ‹Förderung von Netzwerken›, ‹Förderung Solidaritätserfahrung›, ‹Förderung des Naturbezugs›, die ‹konservativ-stützende Modalität›, ‹bildnerische Medien›, ‹Bewegung›, ‹dramatherapeutische Medien› und die Strukturebenen ‹Förderung der Identitätsflexibilität›, ‹Förderung der Leiblichkeit›, ‹Förderung der materiellen Sicherheit›, ‹Thematisierung schichtspezifischer Perspektiven› gezeigt. Für diese Items kann die Annahme bestätigt werden, für die anderen nicht.
  2. 2. Beim Ländervergleich zeigten sich hypothesenkonforme Unterschiede bei den Heilfaktoren ‹Förderung von Lernmöglichkeiten›, ‹Förderung kreativer Erlebnismöglichkeiten›, ‹Förderung des Naturbezugs›, ‹Vermittlung heilsamer ästhetischer Erfahrungen›, ‹synergetische Multimodalität›, bei der ‹erlebniszentrierten› und der ‹medikamentengestützten Modalität›, der Beziehungsmodalität ‹Übertragung/Gegenübertragung›, den Medien ‹Musik›, ‹Bewegung› und ‹dramatherapeutischen Medien› sowie den Strukturebenen ‹Förderung der Leiblichkeit›, ‹Thematisierung genderspezifischer Perspektiven›, der ‹Thematisierung schichtspezifischer Perspektiven› und ‹Thematisierung lebensaltersspezifischer Perspektiven›. Für diese Items kann die Annahme bestätigt werden, für die anderen nicht.

Die Ergebnisse zeigen, dass Gemeinsamkeiten in Hinblick auf die Bewertung der Bedeutsamkeit von Heil- und Wirkfaktoren in der psychotherapeutischen Praxis weit fortgeschritten zu sein scheinen, signifikante Bewertungs-Unterschiede zwischen den Erstverfahren fanden sich nur in zwei von 17 Heilfaktoren. Für die Bereiche der therapeutischen Modalitäten, Medien und Strukturebenen trifft das nur bedingt zu, hier fanden sich Unterschiede in 12 von 34 Items. Unterschiede in der Bedeutsamkeitseinschätzung konzentrieren sich also in erster Linie auf Modalitäten, Medien und Strukturebenen. In ähnlicher Weise zeigt sich das auch bei den Vergleichen zwischen den Therapeut:innen mit und ohne Zweitverfahren IT und dem Ländervergleich. Allerdings werden in diesen Vergleichen zusätzlich Bewertungsunterschiede bei weiteren Heilfaktoren sichtbar, die spezifisch für die Integrative Therapie i. S. von Petzold sind.

Einschränkungen. Einschränkungen ergeben sich aus der Stichprobengewinnung, die sich zunächst aufgrund der unterschiedlichen Kooperationsbereitschaft von Kammern und Verbänden als schwierig darstellte. Zwar war das Interesse mit 600 Aufrufen relativ hoch, führte aber letztlich nur zu 150 verwertbaren Interviews. Eine Direktansprache der Psychotherapeut:innen wäre möglicherweise erfolgreicher gewesen. Die sehr geringe Teilnahme von österreichischen Therapeut:innen schränkt die Aussagekraft der Ergebnisse auf die Schweiz und Deutschland ein.

Eine weitere mögliche Einschränkung ergibt sich aus der Nutzung der Begrifflichkeiten der IT, die möglicherweise nicht allen Therapeut:innen bekannt war, worauf vereinzelt auch in den Freitextangaben hingewiesen wurde. Eine Erläuterung im Fragebogen wäre allerding nicht sinnvoll gewesen, weil dadurch die Bearbeitungszeit deutlich verlängert worden wäre.

Schliesslich ist in diesem Zusammenhang noch einmal auf die möglichen Deckeneffekte hinsichtlich der Faktoren Einfühlendes Verstehen, Emotionale Anteilnahme, der Modalität Beziehung, des Mediums Sprache und der Strukturebene Stärkung des Selbstwertgefühls zu verweisen, die für fehlende Unterschiede zwischen Verfahren und Ländern verantwortlich sein könnten. Das dürfte aber angesichts der inzwischen allgemein anerkannten Bedeutung dieser Faktoren für das Gelingen von Psychotherapien unwahrscheinlich sein.

Kernbotschaft

Verschiedene Therapieformen unterscheiden sich weniger in der Einschätzung der praktischen Bedeutsamkeit der Heil- und Wirkfaktoren. Sie unterscheiden sich vor allem in der Arbeit mit therapeutischen Modalitäten, Beziehungsmodalitäten, Medien und Strukturebenen.

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Method integration in psychotherapeutic practice

Abstract: A survey of psychotherapists in Germany, Switzerland and Austria was conducted to investigate whether the integration of methods discussed in psychotherapy science is reflected in psychotherapeutic practice. To this end, psychotherapists (N=150) from the countries were asked to indicate the importance of healing factors, modalities and relationship modalities, media and structural levels (according to Orth & Petzold 2015) for their practical work on a 5-point scale. The procedure- and country-specific analysis of the data shows that different assessments arise less in the classic healing factors than in (relationship) modalities, media and structural levels. Psychotherapists with Integrative Psychotherapy as a second method and psychotherapists from Switzerland, where this method is more widespread, rate the practical significance higher.

Keywords: integrative psychotherapy, comparison of methods, healing factors, modalities, media

Integrazione metodologica nella pratica psicoterapeutica

Riassunto: Nell’ambito di un’indagine condotta tra psicoterapeuti in Germania, Svizzera e Austria si è analizzato se l’integrazione metodologica discussa nella scienza psicoterapica si rifletta nella pratica psicoterapeutica. A tal fine, agli psicoterapeuti (N=150) dei Paesi in questione è stato chiesto di indicare su una scala da 1 a 5 il grado di importanza dei fattori di guarigione, delle modalità di relazione, dei mezzi di comunicazione e dei livelli strutturali (secondo Orth Petzold 2015) per la prassi terapeutica. L’analisi dei dati per metodo e Paese mostra che le diverse valutazioni non derivano tanto dai classici fattori di guarigione quanto dalle modalità (di relazione), dai mezzi di comunicazione e dai livelli strutturali. A tale proposito, gli psicoterapeuti con psicoterapia integrativa come metodo secondario e gli psicoterapeuti svizzeri, dove questo metodo è più diffuso, attribuiscono maggiore importanza all’aspetto pratico.

Parole chiave: psicoterapia integrativa, confronto metodologico, fattori di guarigione, modalità, mezzi di comunicazione

Biografische Notiz

Dr. päd. Dr. phil. Dipl.-Psych. Hans-Christoph Eichert ist Psychologischer Psychotherapeut und Professor für berufliche Rehabilitation und Soziale Integration an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.

Kontakt

Dr. Dr. Hans-Christoph Eichert
Pädagogische Hochschule Heidelberg
Keplerstr. 87 D-69120 Heidelberg
eichert@ph-heidelberg.de
https://ph-heidelberg.de/arbeit-und-beruf/start.html