Hans-Christoph Eichert
Psychotherapie-Wissenschaft 14 (2) 2024 59–70
www.psychotherapie-wissenschaft.info
https://doi.org/10.30820/1664-9583-2024-2-59
Zusammenfassung: Im Rahmen einer Befragung von Psychotherapeut:innen in Deutschland, der Schweiz und Österreich wurde untersucht, ob sich die in der Psychotherapiewissenschaft diskutierte Methodenintegration in der psychotherapeutischen Praxis widerspiegelt. Dazu wurden Psychotherapeut:innen (N=150) aus den Ländern gebeten, auf einer 5-stufigen Skala die Bedeutung von Heilfaktoren, Modalitäten und Beziehungsmodalitäten, Medien und Strukturebenen (nach Orth & Petzold 2015) für ihre praktische Arbeit anzugeben. Die verfahrens- und länderbezogene Analyse der Daten zeigt, dass sich unterschiedliche Einschätzungen weniger bei den klassischen Heilfaktoren als bei (Beziehungs-)Modalitäten, Medien und Strukturebenen ergeben. Dabei schätzen Psychotherapeut:innen mit Zweitverfahren Integrative Psychotherapie und Psychotherapeut:innen aus der Schweiz, wo dieses Verfahren verbreiteter ist, die praktische Bedeutsamkeit höher ein.
Schlüsselwörter: Integrative Psychotherapie, Verfahrensvergleich, Heilfaktoren, Modalitäten, Medien
Hintergrund der Studie sind Überlegungen zu einem Forschungsprojekt zur Wirksamkeit theoriebasierter integrativer Psychotherapie i. S. von Petzold (vgl. Orth & Petzold 2015). Die Studie ist Bestandteil des Projekts «Vorstudie zum Forschungsprogramm Integrative Psychotherapie» (IPSY) an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg. Das Verfahren der «Integrativen Psychotherapie» ist in den 1960er Jahren begründet worden. Neben leibtheoretischen Referenztheorien (Merleau-Ponty 1974 [1966] weist das Verfahren Bezüge zur aktiven Analyse (Ferenczi & Rank 1924), Gestalttherapie (Perls et al. 1951), Psychodrama (Moreno 1990) sowie zu behavioralen (Lazarus & Folkmann 1984) und körperpsychotherapeutischen (Reich 1949, Lowen 1977) Ansätzen auf. Es versteht sich als ein Verfahren, das verschiedene therapeutische Ansätze theoriebasiert integriert. Angewandt wird es heute hauptsächlich in der Schweiz und Österreich. In Deutschland gehört die Integrative Therapie aktuell nicht zu den Richtlinienverfahren. Vor diesem Hintergrund wurden auch Psychotherapeut:innen aus Österreich und der Schweiz in die Befragung einbezogen, um eine breitere Basis für das Verfahren in der Untersuchung gewinnen zu können.
Seit vielen Jahren werden im Feld der Psychotherapie die Fragen nach deren Wirksamkeit und Wirkungsweise gestellt und untersucht, ohne dass sich darüber ein allgemeiner Konsens gebildet hätte. Es gilt zwar als unbestritten, dass die Unterschiede zwischen den verschiedenen Therapieverfahren nur gering sind, die verschiedenen Richtungen also ähnlich effizient sind. Auch mag man zur Kenntnis genommen haben, dass auch innerhalb der «Schulen» die Qualität der Therapieergebnisse weit auseinandergeht, dass also in allen Verfahren «gute» und «schlechte» Psychotherapeut:innen gibt (von Wyl et al. 2016).
Auf der Suche nach den Wirkungsweisen und Wirkfaktoren hat man sich nach einer anfänglich reinen Outcome-Forschungs-Phase im Rahmen der Prozessforschung seit 1955 mit allgemeinen Wirkfaktoren der Therapie befasst, welche in jeder Therapie zum Tragen kommen, unabhängig davon, welche Methoden und Techniken der/die Therapeut:in anwendet (vgl. Helle 2019). Nach Grawe (1998) gehören dazu Ressourcenaktivierung, Motivationale Klärung, Problemaktualisierung, Problembewältigung und die Therapeutische Beziehung. Andere Autor:innen haben diese Aufstellung durch weitere Konzepte ergänzt wie z. B. Emotionales Abreagieren, Korrektive emotionale Erfahrung, Emotionsregulation, Mentalisierung und Selbstnarration (Jorgenson 2004).
Spätere Beiträge zum Thema befassen sich mit den Zusammenhängen zwischen spezifischen Techniken und allgemeinen Wirkfaktoren. So beziehen Pfammatter et al. (2012, S. 25) 22 in der Literatur beschriebene allgemeine Wirkfaktoren auf 22 Standardtechniken psychotherapeutischer Hauptrichtungen (Kognitive Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologische Psychotherapie, Humanistische Psychotherapie und Systemische Therapie) und legen nahe, dass «die Umsetzung und Wirkung allgemeiner Wirkfaktoren sehr wohl von der spezifischen Therapietechnik und dem spezifischen Störungsbild abhängen» (ibid., S. 30).
Eine Metaanalyse von Wampold et al. (2018) zu allgemeinen und spezifischen Wirkfaktoren (2018) kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass Kontextuelle Faktoren (Allianz, Empathie, Zielkonsens, Wertschätzung, Echtheit, kulturelle Adaption und die Therapeut:innenpersönlichkeit) mit grösseren Effektstärken verbunden sind als spezifische Wirkfaktoren.
Petzold et al. (2016) haben vor dem Hintergrund integrativ-therapeutischer Überlegungen 17 Heil- und Wirkfaktoren theoretisch herausgearbeitet, welche, differenziell angewandt, gezielt für spezifische Veränderungsprozesse eingesetzt werden. Formuliert sind die Heilfaktoren als Bereiche, in denen eine psychotherapeutische Förderung stattfindet. Ergänzt werden die Heil- und Wirkfaktoren durch Modalitäten, Beziehungsmodalitäten, Medien und Strukturebenen der psychotherapeutischen Behandlung, die i. S. spezifischer Faktoren wirken. In Tabelle 1 findet sich eine Übersicht aller Faktoren.
Heilfaktoren |
Modalitäten |
Beziehungsmodalitäten |
Medien |
Strukturebenen |
---|---|---|---|---|
Einfühlendes Verstehen, Empathie |
Übungszentriert-funktionale Modalität |
Kontakt |
Sprache |
Stärkung von Selbst- und Selbstwertgefühl |
Emotionale Annahme und Stütze |
Konservativ-stützende Modalität |
Begegnung |
bildnerische Medien |
Stärkung von Kohärenzwahrnehmung |
Hilfen bei der realitätsgerechten Lebensbewältigung |
Erlebniszentriertstimulierende Modalität |
Beziehung |
poetische Medien |
Stärkung von Selbstwirksamkeit/Souveränität |
Förderung emotionalen Ausdrucks und volitiver Entscheidungskraft |
Konfliktzentriert-aufdeckende Modalität |
Bindung |
Bewegung und Tanz |
Förderung von Ich-Stärke |
Förderung von Einsicht, Sinnerleben, Evidenzerfahrungen |
Netzwerk- und lebenslageorientierte Modalität |
Mutualität |
Musik |
Förderung von Ich-Flexibilität |
Förderung kommunikativer Kompetenz und Beziehungsfähigkeit |
Supportive Modalität |
Übertragung/Gegenübertragung |
Puppen, Masken und dramatherapeutische Medien |
Förderung von Identitätsstabilität |
Förderung leiblicher Bewusstheit |
Medikamentengestützte, supportive Modalität |
Förderung von Identitätsflexibilität |
||
Förderung von Lernmöglichkeiten, Lernprozessen und Interessen |
Förderung der Leiblichkeit |
|||
Förderung kreativer Erlebnismöglichkeiten |
Förderung des Sozialen Netzwerks |
|||
Erarbeitung positiver Zukunftsperspektiven und Erwartungshorizonte |
Förderung von Arbeit/Leistung/Freizeit |
|||
Förderung positiver persönlicher Wertebezüge |
Förderung materieller Sicherheit |
|||
Förderung eines prägnanten Selbst- und Identitätserlebens und positiver selbstreferenzieller Gefühle und Kognitionen |
Förderung der Werte |
|||
Förderung tragfähiger sozialer Netzwerke |
Thematisierung genderspezifischer Perspektiven |
|||
Ermöglichung von Empowerment- und Solidaritätserfahrung |
Thematisierung schichtspezifischer Perspektiven |
|||
Förderung eines lebendigen und regelmässigen Naturbezugs |
Thematisierung lebensaltersspezifischer Perspektiven |
|||
Vermittlung heilsamer ästhetischer Erfahrungen |
||||
Synergetische-Multimodalität |
Tab. 1: Heilfaktoren, Modalitäten, Beziehungsmodalitäten, Medien, Strukturebenen
Zusammenfassend kann man feststellen, dass sich die Psychotherapietheorie und -forschung in den letzten Jahrzehnten umfassend mit allgemeinen Wirkfaktoren in der Psychotherapie und deren Zusammenhang mit spezifischen Techniken befasst hat und dabei zuletzt auch integrative bzw. transtheoretische Perspektiven eingenommen hat (Lutz & Rief 2022).
Die vorliegende Studie befasst sich vor diesem Hintergrund mit der Frage, inwieweit diese Integrationsbewegungen in der therapeutischen Theorie und Forschung auch in der Praxis der Psychotherapie bedeutsam geworden sind.
Die Studie geht der Frage nach, wie Psychotherapeut:innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz die Bedeutung von Heilfaktoren, Modalitäten, Beziehungsmodalitäten, Medien und Strukturebenen i. S. der Integrativen Therapie von Orth und Petzold (2015) für ihre psychotherapeutische Praxis einschätzen. Neben der allgemeinen Bedeutsamkeitseinschätzung stehen mögliche Unterschiede zwischen psychotherapeutischen Verfahren und Ländern im Fokus.
Die folgenden Annahmen liegen der Untersuchung zugrunde:
Untersuchungsdesign. Zur Untersuchung der Fragestellung sollten die Studienteilnehmer:innen die Bedeutung von Heilfaktoren, Modalitäten, Beziehungsmodalitäten, Medien und Strukturebenen aus der Integrativen Therapie i. S. von Orth und Petzold (2015) (Tab. 1) für ihre eigene therapeutische Praxis auf einer 5-stufigen Likertskala einschätzen.
Auswertung. Zur deskriptiven Auswertung wurden jeweils Mittelwert, Standardabweichung, Kurtosis und Schiefe berechnet. Mittels Varianzanalyse und T-Test für unabhängige Stichproben wurden Unterschiede zwischen verschiedenen Psychotherapieformen (Erst- und Zweitverfahren) und Ländern untersucht. Zusätzlich wurde bei signifikanten Unterschieden die Effektstärke h² berechnet. Die Interpretation erfolgte nach Cohen 1988 (zit. n. Döring 2023, S. 804): < 0,01 kein Effekt; 0,01–0,06 kleiner Effekt; 0,060–0,140 mittlerer Effekt; > 0,140 grosser Effekt
Für die Studie lag ein positives Ethikvotum der Ethikkommission der PH Heidelberg und der SRH-Hochschule vor.
Stichprobengewinnung und Befragungsverlauf. Von August bis Oktober 2023 wurden Psychotherapeutenkammern und Berufsverbände in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit der Bitte um Veröffentlichung einer Einladung zur Teilnahme an der Studie angeschrieben. Der Bitte entsprachen nicht alle angeschriebenen Einrichtungen. Daher wurden in Bundesländern, in denen die Kammern nicht zugesagt hatten, Psychotherapeut:innen zufällig ausgewählt und persönlich per Mail zur Teilnahme eingeladen.
Die Befragung fand schliesslich vom 1. Oktober bis zum 31. Dezember 2023 als Onlinebefragung auf der Befragungsplattform Soscisurvey statt. In der Zeit klickten 600 Personen auf den Fragebogenlink. 211 Personen begannen das Interview. Davon waren nach der Bereinigung um abgebrochene oder unvollständige Interviews 150 Interviews auswertbar.
Zusammensetzung der Stichprobe. Das Durchschnittsalter ist mit 52,59 Jahren (Spannweite 29–80 Jahre) relativ hoch, an der Befragung haben weit überwiegend Frauen teilgenommen. Die Studienteilnehmer:innen kommen hauptsächlich aus Deutschland und der Schweiz, aus Österreich kam lediglich ein:e Teilnehmer:in. Die Verteilung der Herkunft nach Bundesländern (Deutschland) und Kantonen (Schweiz) ergibt sich aus den Abbildungen 1 und 2.
Abb. 1: Verteilung Bundesländer
Abb. 2: Verteilung Kantone
Fast alle arbeiteten mit Erwachsenen, knapp ein Viertel auch mit Kindern und Jugendlichen. Von den genannten Erstverfahren dominieren Verhaltenstherapie und Tiefenpsychologische Therapie. Integrative Therapie wurde am dritthäufigsten genannt, mit 87,5 % überwiegend in der Schweiz (c²=46,95, df=3, p<0,001). Andere Verfahren benannten 12 % der Befragten. Hierunter fallen verschiedene Verfahren, die der dritten Welle der Verhaltenstherapie zugeordnet werden können. Ausserdem wurden verschiedene körperorientierte Verfahren genannt.
Abb. 3: Stichprobenzusammensetzung
Bei den Zweitverfahren waren Mehrfachnennungen möglich. Hier dominierten Entspannungsverfahren, achtsamkeitsorientierte Verfahren, Systemische Therapie, Gesprächstherapie, Schematherapie und Dialektisch-Behaviorale Therapie. Integrative Therapie als Zweitverfahren benannten 28 Psychotherapeut:innen, signifikante Länderunterschiede bestanden nicht.
Bei den «Anderen Verfahren» dominierten Verfahren der dritten Welle der Verhaltenstherapie und traumatherapeutische Verfahren.
Die Bewertung der einzelnen Heilfaktoren, Modalitäten, Beziehungsmodalitäten, Medien und Strukturebenen psychotherapeutischer Arbeit durch alle Psychotherapeut:innen ergibt sich aus Tabelle 2.
Heilfaktoren |
N |
Mean |
Std Abw |
Varianz |
Kurtosis |
Schiefe |
---|---|---|---|---|---|---|
Einfühlendes Verstehen, Empathie |
150 |
4,7 |
0,63 |
0,4 |
14,48 |
-3,22 |
Emotionale Annahme und Stütze |
148 |
4,52 |
0,71 |
0,51 |
4,57 |
-1,83 |
Hilfen bei der realitätsgerechten praktischen Lebensbewältigung |
149 |
3,64 |
0,92 |
0,84 |
-0,89 |
0,04 |
Förderung emotionalen Ausdrucks und volitiver Entscheidungskraft |
147 |
4,12 |
0,78 |
0,61 |
-0,19 |
-0,56 |
Förderung von Einsicht, Sinnerleben, Evidenzerfahrungen |
147 |
4,00 |
0,85 |
0,73 |
-0,65 |
-0,4 |
Förderung kommunikativer Kompetenz und Beziehungsfähigkeit |
149 |
4,21 |
0,74 |
0,55 |
-0,29 |
-0,57 |
Förderung leiblicher Bewusstheit, Selbstregulation |
148 |
3,99 |
0,88 |
0,78 |
-0,06 |
-0,58 |
Förderung von Lernmöglichkeiten, Lernprozessen und Interessen |
148 |
3,37 |
1,08 |
1,16 |
-0,74 |
-0,13 |
Förderung kreativer Erlebnismöglichkeiten und Gestaltungskräfte |
149 |
3,27 |
1,04 |
1,09 |
-0,68 |
0,13 |
Erarbeitung positiver Zukunftsperspektiven und Erwartungshorizonte |
149 |
4,01 |
0,79 |
0,63 |
-0,32 |
-0,42 |
Förderung positiver persönlicher Wertebezüge, Konsolidierung der existenziellen Dimension |
149 |
3,77 |
0,88 |
0,78 |
0,35 |
-0,6 |
Förderung eines prägnanten Selbst- und Identitätserlebens und positiver selbstreferenzieller Gefühle und Kognitionen |
149 |
4,01 |
0,86 |
0,74 |
1,15 |
-0,92 |
Förderung tragfähiger sozialer Netzwerke |
149 |
3,82 |
0,81 |
0,66 |
0,95 |
-0,64 |
Ermöglichung von Empowerment- und Solidaritätserfahrung |
148 |
3,57 |
0,96 |
0,91 |
-0,23 |
-0,29 |
Förderung eines lebendigen und regelmässigen Naturbezugs |
149 |
2,91 |
0,99 |
0,97 |
-0,32 |
0,05 |
Vermittlung heilsamer ästhetischer Erfahrungen |
145 |
2,37 |
1,01 |
1,03 |
-0,04 |
0,54 |
Synergetische-Multimodalität |
142 |
2,61 |
1,2 |
1,43 |
-0,7 |
0,25 |
Modalitäten |
N |
Mean |
Std Abw |
Varianz |
Kurtosis |
Schiefe |
Übungszentriert-funktionale Modalität |
149 |
3,35 |
1,19 |
1,4 |
-0,93 |
-0,24 |
Konservativ-stützende Modalität |
148 |
3,34 |
0,78 |
0,61 |
-0,06 |
-0,08 |
Erlebniszentriert-stimulierende Modalität |
149 |
3,98 |
0,89 |
0,79 |
0,09 |
-0,66 |
Konfliktzentriert-aufdeckende Modalität |
150 |
3,87 |
0,88 |
0,78 |
-0,08 |
-0,51 |
Netzwerk- und lebenslageorientierte Modalität |
148 |
3,33 |
0,85 |
0,73 |
-0,02 |
0,04 |
Supportive Modalität |
148 |
3,69 |
0,9 |
0,81 |
-0,37 |
-0,3 |
Medikamentengestützte, supportive Modalität |
146 |
1,84 |
0,93 |
0,86 |
0,5 |
0,95 |
Beziehungsmodalitäten |
N |
Mean |
Std Abw |
Varianz |
Kurtosis |
Schiefe |
Kontakt |
148 |
4,45 |
0,73 |
0,53 |
0,58 |
-1,13 |
Begegnung |
150 |
4,35 |
0,74 |
0,55 |
-0,43 |
-0,76 |
Beziehung |
149 |
4,62 |
0,62 |
0,38 |
3,48 |
-1,78 |
Bindung |
148 |
4,05 |
0,84 |
0,71 |
-1,04 |
-0,3 |
Mutualität |
144 |
3,35 |
0,98 |
0,97 |
-0,34 |
0,01 |
Übertragung/Gegenübertragung |
150 |
3,57 |
1,14 |
1,29 |
-0,59 |
-0,46 |
Medien |
N |
Mean |
Std Abw |
Varianz |
Kurtosis |
Schiefe |
Sprache |
149 |
4,87 |
0,4 |
0,16 |
18,78 |
-3,75 |
bildnerische Medien |
149 |
2,93 |
1,11 |
1,23 |
-0,74 |
0 |
poetische Medien |
145 |
2,06 |
0,92 |
0,85 |
-0,77 |
0,41 |
Bewegung und Tanz |
146 |
2,17 |
1,26 |
1,59 |
-0,48 |
0,82 |
Musik |
146 |
1,67 |
0,86 |
0,75 |
1,31 |
1,28 |
Puppen, Masken und dramatherapeutische Medien |
147 |
1,98 |
1,24 |
1,53 |
-0,14 |
1,03 |
Strukturebenen |
N |
Mean |
Std Abw |
Varianz |
Kurtosis |
Schiefe |
Stärkung von Selbst- und Selbstwertgefühl |
149 |
4,68 |
0,54 |
0,29 |
3,5 |
-1,68 |
Stärkung von Kohärenzwahrnehmung |
149 |
4,1 |
0,77 |
0,59 |
-0,7 |
-0,36 |
Stärkung von Selbstwirksamkeit/Souveränität |
150 |
4,5 |
0,66 |
0,44 |
0,68 |
-1,12 |
Förderung von Ich-Stärke |
149 |
4,28 |
0,78 |
0,61 |
1,43 |
-1,05 |
Förderung von Ich-Flexibilität |
150 |
4,11 |
0,85 |
0,73 |
0,07 |
-0,67 |
Förderung von Identitätsstabilität |
149 |
3,88 |
0,83 |
0,69 |
0,06 |
-0,42 |
Förderung von Identitätsflexibilität |
147 |
3,78 |
0,93 |
0,87 |
-0,43 |
-0,4 |
Förderung der Leiblichkeit |
149 |
3,44 |
1,19 |
1,41 |
-0,89 |
-0,25 |
Förderung des Sozialen Netzwerks |
149 |
3,6 |
0,84 |
0,7 |
-0,06 |
-0,38 |
Förderung von Arbeit/Leistung/Freizeit |
150 |
3,47 |
0,95 |
0,91 |
-0,33 |
-0,23 |
Förderung materieller Sicherheit |
150 |
2,55 |
0,88 |
0,77 |
-0,42 |
0,07 |
Förderung der Werte |
150 |
3,61 |
1,05 |
1,1 |
-0,69 |
-0,29 |
Thematisierung genderspezifischer Perspektiven |
148 |
2,79 |
1,1 |
1,21 |
-0,74 |
0,05 |
Thematisierung schichtspezifischer Perspektiven |
148 |
2,64 |
1,01 |
1,02 |
-0,34 |
0,3 |
Thematisierung lebensaltersspezifischer Perspektiven |
149 |
3,61 |
0,89 |
0,79 |
-0,07 |
-0,31 |
Tab. 2: Deskriptive Ergebnisse
Heilfaktoren. ‹Einfühlendes Verstehen›, ‹Emotionale Annahme›, ‹Förderung des emotionalen Ausdrucks›, und ‹Förderung der Beziehungsfähigkeit› wurden mit Werten über vier am höchsten bewertet. ‹Einfühlendes Verstehen› und ‹Emotionale Anteilnahme› waren deutlich linksschief und sehr steil verteilt. Hier könnten Deckeneffekte vermutet werden. Andererseits handelt es sich aber um Faktoren, deren Bedeutung in der Psychotherapie inzwischen unstrittig ist, was die einheitlich hohe Bewertung gut erklären kann. Als weniger bedeutsam wurden mit Werten unter drei ‹Förderung des Naturbezugs›, ‹Vermittlung heilsamer ästhetischer Erfahrungen›, sowie ‹synergetische Multimodalität› bewertet. Hierbei handelt es sich um «neue» Faktoren, die vor allem in der Integrativen Therapie diskutiert werden.
Modalitäten. Die ‹Medikamentengestützte supportive Modalität› wurde am niedrigsten eingeschätzt, was nicht weiter verwunderlich ist, da ärztliche Psychotherapeut:innen nicht in die Befragung einbezogen waren. Alle anderen Modalitäten wurden im mittleren Bereich eingeschätzt.
Beziehungsmodalitäten. Alle Beziehungsmodalitäten wurden überdurchschnittlich bedeutsam eingeschätzt, wobei ‹Mutualität› und ‹Übertragung/Gegenübertragung› vergleichsweise niedrig eingeschätzt wurden. Linksschief und steil war die Verteilung bei der Modalität ‹Beziehung›.
Medien. Beim Medieneinsatz dominierte ‹Sprache›, mit einer deutlich linksschiefen und steilen Verteilung. Hier könnte ein Deckeneffekt vermutet werden. Die einheitlich hohe Bewertung ist auf die umfassende praktische Bedeutung der Sprache als Kernmedium der Psychotherapie erklärbar. Alle anderen Medien wurden unterdurchschnittlich eingeschätzt. Die Bewertungsverteilung für das Medium ‹Musik› war rechtsschief.
Strukturebenen. Bei den Strukturebenen erreichten ‹Stärkung des Selbstwertgefühls›, ‹Stärkung der Kohärenzwahrnehmung› sowie ‹Stärkung der Selbstwirksamkeit› die höchsten Werte. Die niedrigste Bewertung ergab sich für Thematisierung ‹Förderung materieller Sicherheit›, ‹genderspezifischer Perspektiven› und ‹schichtspezifischer Perspektiven›. Die Verteilung für Stärkung des Selbstwertgefühls war linksschief und steil, hier könnten Deckeneffekte vermutet werden. Die einheitlich hohe Bewertung ist aber durch die unstrittige Bedeutung dieser Ebene in allen Psychotherapien erklärbar.
Die Einschätzungen der Psychotherapeut:innen wurden hinsichtlich der psychotherapeutischen Erstverfahren, der Zweitverfahren Integrative Therapie (IT) vs. nicht IT als Zweitverfahren und hinsichtlich der Länder verglichen.
Vergleich Erstverfahren |
|||
---|---|---|---|
Heilfaktoren |
F |
Sig. |
h² |
Förderung tragfähiger sozialer Netzwerke |
3,96 |
0,01 |
0,024 |
Synergetische-Multimodalität |
3,71 |
0,014 |
0,078 |
Modalitäten |
|||
Übungszentriert-funktional |
21,66 |
0,001 |
0,017 |
Erlebniszentriert-stimulierende |
3,14 |
0,028 |
0,053 |
Konfliktzentriert-aufdeckende |
4,67 |
0,004 |
<0,001 |
Beziehungsmodalitäten |
|||
Bindung |
5,83 |
0,001 |
0,065 |
Mutualität |
3,97 |
0,01 |
0,032 |
Übertragung/Gegenübertragung |
16,17 |
0,001 |
0,061 |
Medien |
|||
Bewegung und Tanz |
2,93 |
0,036 |
0,046 |
Puppen, Masken und dramatherapeutische Medien |
3,28 |
0,023 |
0,02 |
Strukturebenen |
|||
Förderung von Identitätsstabilität |
3,85 |
0,011 |
0,012 |
Förderung der Leiblichkeit |
3,59 |
0,016 |
0,053 |
Förderung des Sozialen Netzwerks |
5,72 |
0,001 |
< 0,001 |
Förderung von Arbeit/Leistung/Freizeit |
6,12 |
0,001 |
0,035 |
Vergleich Zweitverfahren |
|||
Heilfaktoren |
F |
Sig. |
h² |
Förderung leiblicher Bewusstheit, Selbstregulation, psychophysischer Entspannung |
-2,24 |
0,027 |
0,0509 |
Förderung von Lernmöglichkeiten, Lernprozessen und Interessen |
-2,09 |
0,039 |
0,0446 |
Förderung kreativer Erlebnismöglichkeiten und Gestaltungskräfte |
-2,67 |
0,008 |
0,0708 |
Förderung tragfähiger sozialer Netzwerke |
-2,39 |
0,018 |
0,0575 |
Ermöglichung von Empowerment- und Solidaritätserfahrung |
-2,05 |
0,042 |
0,043 |
Förderung eines lebendigen und regelmässigen Naturbezugs |
-2,68 |
0,008 |
0,0713 |
Modalitäten |
|||
Konservativ-stützende Modalität |
-2,43 |
0,016 |
0,0593 |
Medien |
|||
bildnerische Medien |
-2,3 |
0,023 |
0,0536 |
Bewegung und Tanz |
-2,11 |
0,042 |
0,0454 |
Musik |
-2,53 |
0,013 |
0,064 |
Puppen, Masken und dramatherapeutische Medien |
-1,99 |
0,049 |
0,0405 |
Strukturebenen |
|||
Förderung von Ich-Flexibilität |
-2,19 |
0,03 |
0,0488 |
Förderung der Leiblichkeit |
-2,14 |
0,034 |
0,0466 |
Förderung materieller Sicherheit |
-2,18 |
0,031 |
0,0484 |
Thematisierung schichtspezifischer Perspektiven |
-3,53 |
0,001 |
0,1176 |
Ländervergleich |
|||
Heilfaktoren |
F |
Sig. |
h² |
Förderung von Lernmöglichkeiten, Lernprozessen und Interessen |
-2,09 |
0,039 |
0,0365 |
Förderung kreativer Erlebnismöglichkeiten und Gestaltungskräfte |
-2,34 |
0,020 |
0,0454 |
Förderung eines lebendigen und regelmässigen Naturbezugs |
-2,09 |
0,039 |
0,0365 |
Vermittlung heilsamer ästhetischer Erfahrungen |
-2,2 |
0,030 |
0,0403 |
Synergetische-Multimodalität |
-3,13 |
0,002 |
0,0783 |
Modalitäten |
|||
Erlebniszentriert-stimulierende Modalität |
-2,16 |
0,032 |
0,0386 |
Medikamentengestützte, supportive Modalität |
-2,04 |
0,043 |
0,0348 |
Beziehungsmodalitäten |
|||
Übertragung/Gegenübertragung |
-2,48 |
0,015 |
0,0507 |
Medien |
|||
Bewegung und Tanz |
-3,7 |
0,000 |
0,1061 |
Musik |
-2,14 |
0,034 |
0,0383 |
Puppen, Masken und dramatherapeutische Medien |
-1,97 |
0,050 |
0,0341 |
Strukturebenen |
|||
Förderung der Leiblichkeit |
-2,38 |
0,019 |
0,0468 |
Thematisierung genderspezifischer Perspektiven |
-2,86 |
0,005 |
0,0663 |
Thematisierung schichtspezifischer Perspektiven |
-2,16 |
0,033 |
0,0388 |
Thematisierung lebensaltersspezifischer Perspektiven |
-2,02 |
0,047 |
0,0341 |
Tab. 3: Gruppenunterschiede
Die Erstverfahren wurden zur besseren Auswertbarkeit für die Analyse umkodiert:
Verhaltenstherapie (N=55) und Integrative Therapie (N=16) wurden als Kategorien beibehalten
Andere Erstverfahren wurden aufgrund der Heterogenität von der weiteren Analyse ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund konnten 129 Fälle in den Vergleich einbezogen werden.
Signifikante Unterschiede bei der Einschätzung der Bedeutsamkeit von Heilfaktoren, Modalitäten, Beziehungsmodalitäten, Medien und Struktur zwischen den Verfahren sind aus Tabelle 3 ersichtlich.
Heilfaktoren. Bei der Einschätzung des Faktors ‹Förderung sozialer Netzwerke› zeigten sich im Paarvergleich signifikante Unterschiede zwischen Verhaltenstherapie einerseits und Tiefenpsychologischer Therapie und Humanistischen Verfahren. Verhaltenstherapeut:innen schätzten den Faktor höher ein. Den Faktor ‹Synergetische Multimodalität› schätzten Integrative Therapeuten bedeutsamer ein als Verhaltenstherapeut:innen und Tiefenpsychologische Therapeut:innen.
Modalitäten. Die ‹Übungszentrierte Modalität› schätzten Verhaltenstherapeut:innen im Vergleich zu Humanistischen Therapeut:innen und Tiefenpsychologischen Therapeut:innen höher ein. Integrative Therapeut:innen schätzten sie gegenüber Tiefenpsychologischen Therapeut:innen höher ein. Die ‹Erlebniszentrierte Modalität› schätzten Humanistische Therapeut:innen höher ein als Verhaltenstherapeut:innen und Tiefenpsychologische Therapeut:innen. Die ‹Konfliktzentrierte Modalität› schätzten Tiefenpsychologische Therapeut:innen bedeutsamer ein als Verhaltenstherapeut:innen und Integrative Therapeut:innen.
Beziehungsmodalitäten. ‹Bindung› schätzten Integrative Therapeut:innen gegenüber den anderen Verfahren niedriger ein. ‹Mutualität› schätzten Tiefenpsychologische und Humanistische Therapeut:innen höher ein als Verhaltenstherapeut:innen. ‹Übertragung/Gegenübertragung› als Modalität schätzten Tiefenpsychologische Therapeut:innen bedeutsamer ein als die anderen.
Medien. ‹Bewegung› schätzten Integrative Therapeut:innen höher ein als Verhaltenstherapeut:innen. Die Arbeit mit ‹Dramatherapeutischen Medien› schätzten Tiefenpsychologische und Integrative Therapeut:innen bedeutsamer ein als Verhaltenstherapeut:innen.
Strukturebenen. Die ‹Förderung von Identitätsstabilität› schätzten Tiefenpsychologische und Humanistische Therapeut:innen höher ein als Verhaltenstherapeut:innen. Die ‹Förderung der Leiblichkeit› schätzten Verhaltenstherapeut:innen niedriger ein als alle anderen. Die ‹Förderung sozialer Netzwerke› schätzten Verhaltenstherapeut:innen und Integrative Therapeut:innen höher ein als Tiefenpsychologische Therapeut:innen. Die ‹Förderung des Bereichs Arbeit/Leistung/Freizeit› schätzten Verhaltenstherapeut:innen höher ein als Tiefenpsychologische oder Humanistische Therapeut:innen.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Einschätzungs-Unterschiede zwischen den Erstverfahren hinsichtlich (Beziehungs-)Modalitäten, Medien und Strukturebenen weitgehend den theoretischen Grundlagen der Verfahren zu folgen scheinen.
Insgesamt 29 Therapeut:innen haben die Integrative Therapie (IT) als Zweitverfahren angegeben. Deren Einschätzungen wurden mit den Einschätzungen der 121 Teilnehmer:innen verglichen, die das Verfahren nicht angegeben haben (Tab. 3).
Heilfaktoren. Signifikante Unterschiede zwischen Therapeut:innen mit und ohne Zweitverfahren Integrative Therapie zeigten sich im T-Test hinsichtlich der Heilfaktoren ‹Förderung leiblicher Bewusstheit›, ‹Förderung von Lernmöglichkeiten›, ‹Förderung kreativer Erlebnismöglichkeiten›, ‹Netzwerkförderung›, ‹Empowerment› und ‹Naturbezug›. Therapeut:innen mit Zweitverfahren schätzten die Bedeutung höher ein als solche ohne Zweitverfahren IT.
Modalitäten. Auch die ‹Konservativ-stützende Modalität› schätzten sie für ihre Praxis höher ein.
Medien. Der Einsatz ‹bildnerischer›, ‹bewegungsorientierter›, ‹musikalischer› und ‹psychodramatischer› Medien ist für Psychotherapeut:innen mit Zweitverfahren Integrative Therapie ebenfalls bedeutsamer als für Therapeut:innen ohne das Zweitverfahren.
Strukturebenen. Unterschiede zeigten sich schliesslich auch hinsichtlich der Strukturebenen. ‹Förderung von Ich-Flexibilität›, ‹Leiblichkeit›, ‹materieller Sicherheit› und ‹Thematisierung schichtspezifischer Perspektiven› bewerteten Therapeut:innen mit integrativem Zweitverfahren signifikant höher.
Für den Ländervergleich wurden die Daten der deutschen und schweizerischen Therapeut:innen herangezogen. Der Fall aus Österreich wurde nicht einbezogen. Insgesamt standen nach Abzug fehlender Werte 145 Datensätze für den Vergleich zur Verfügung (Tab. 3).
Heilfaktoren. Signifikante Unterschiede zeigten sich bei den Faktoren ‹Förderung von Lernmöglichkeiten›, ‹Förderung kreativer Erlebnismöglichkeiten›, ‹Förderung von Naturbezug›, ‹Förderung ästhetischer Erfahrungen› sowie ‹Synergetische Multimodalität›. Die schweizerischen Studienteilnehmer:innen bewerteten die Faktoren höher als die deutschen.
Modalitäten. Unterschiede zeigten sich hier bei der ‹erlebniszentrierten› und der ‹medikamentengestützten› Modalität, auch diese bewerteten die schweizerischen Studienteilnehmer:innen höher.
Beziehungsmodalitäten. Auch die Beziehungsmodalität ‹Übertragung/Gegenübertragung› schätzten die schweizerischen Studienteilnehmer:innen für ihre Praxis bedeutsamer ein.
Medien. Bei den Medien zeigten sich Unterschiede hinsichtlich ‹Bewegung›, ‹Musik› und ‹dramatherapeutischen› Medien. Die schweizerischen Psychotherapeut:innen schätzten die Medien als bedeutsamer ein.
Strukturebenen. Hinsichtlich des Strukturebenen schätzten die schweizerischen Studienteilnehmer:innen die ‹Förderung der Leiblichkeit›, die ‹Thematisierung genderspezifischer, schichtspezifischer› und ‹lebensaltersspezifischer› Perspektiven für ihre Praxis als bedeutsamer ein als die deutschen Teilnehmer:innen.
Stichprobe. Die Stichprobe, die mit dem Teilnahmeaufruf gewonnen werden konnte, besteht überwiegend aus Frauen. Das Durchschnittsalter ist mit 52 Jahren relativ hoch. Etwa zwei Drittel der Therapeut:innen kommen aus Deutschland, ein Drittel aus der Schweiz. Als Erstverfahren dominiert die Verhaltenstherapie und Tiefenpsychologische Therapie, 10 % geben Integrative Therapie an. Als Zweitverfahren werden vor allem Achtsamkeitsbasierte und Entspannungsverfahren und weitere Verfahren aus dem Bereich der dritten Welle der Verhaltenstherapie benannt. In den offenen Eingaben werden sowohl beim Erstverfahren als auch beim Zweitverfahren eine Vielzahl weiterer Verfahren genannt
Gesamtbewertung. Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Heilfaktoren ‹Naturbezug›, ‹Ästhetik› und ‹Synergetische Multimodalität› unterdurchschnittlich bewertet wurden. Alle anderen Heilfaktoren wurden als durchschnittlich bzw. überdurchschnittlich bedeutsam bewertet. Deutlich unter dem Skalenmittelwert wurde die ‹Medikamentengestützte Modalität› bewertet. Alle Beziehungsmodalitäten wurden überdurchschnittlich bewertet. Bei den Medien wurden ausser ‹Sprache› alle Medien (Bildnerisch, Poetische, Bewegung, Musik, Dramatherapeutische) niedriger als der Skalenmittelwert bewertet. Hinsichtlich der Strukturebenen wurden ‹Gender- und schichtspezifische Perspektiven› unterdurchschnittlich bewertet, alle anderen Strukturaspekte lagen im durchschnittlichen bis überdurchschnittlichen Bereich. Deckeneffekte könnten für die Heilfaktoren ‹Einfühlendes Verstehen› und ‹Emotionale Anteilnahme›, für die Modalität ‹Beziehung›, für das Medium ‹Sprache› und für die ‹Strukturebene Stärkung des Selbstwertgefühls› vermutet werden. Erklärbar sind die einheitlich hohen Bewertungen aber durch die umfassende Bedeutung dieser Elemente in allen Therapieformen.
Unterschiede Erstverfahren. Hinsichtlich der Erstverfahren (Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologische Therapie/Psychoanalyse, Humanistische Therapie, Integrative Therapie) zeigten sich verschiedene Einschätzungsunterschiede, die nicht alle auf Unterschiede zwischen Integrativer Therapie und anderen Verfahren zurückzuführen waren. Bei der Bewertung von ‹Übungszentrierung›, ‹Konfliktzentrierung›, ‹bewegungsorientierte› und ‹dramatherapeutische Medien› sowie der Förderung von ‹Leiblichkeit› und ‹Netzwerkarbeit› zeigten sich signifikante kleine Effekte zwischen Integrativer Therapie und anderen Erstverfahren. Mittlere Effekte wurden beim Heilfaktor Synergetische Multimodalität (gegenüber VT und TP höher) und den Beziehungsmodalitäten Bindung (gegenüber anderen Verfahren niedriger) und Übertragung/Gegenübertragung (niedriger gegenüber TP) gefunden. Insgesamt scheinen die unterschiedlichen Einschätzungen bei den Erstverfahren den theoretischen Grundlagen der Verfahren zu folgen.
Unterschiede Zweitverfahren. Für die eigene Praxis bedeutsamer schätzten Therapeut:innen mit dem Zweitverfahren Integrative Therapie gegenüber den anderen Psychotherapeut:innen die Heilfaktoren ‹Förderung leiblicher Bewusstheit›, ‹Förderung von Lernmöglichkeiten›, ‹Förderung tragfähiger sozialer Netzwerke›, ‹Ermöglichung von Empowerment- und Solidaritätserfahrung›, die ‹konservativ-stützende Modalität›, ‹bildnerische Medien›, ‹Bewegung und Tanz›, und ‹dramatherapeutische Medien› sowie die Strukturebenen Förderung von ‹Ich-Flexibilität›, ‹Förderung der Leiblichkeit›, ‹Förderung materieller Sicherheit› höher ein. Diese Effekte waren klein. Signifikante mittlere und grosse Effekte zeigten sich bei ‹Förderung kreativer Erlebnismöglichkeiten›, ‹Förderung des Naturbezugs›, dem Medium ‹Musik› und der ‹Thematisierung schichtspezifischer Perspektiven›, deren Bedeutung Psychotherapeut:innen mit Zweitverfahren Integrative Psychotherapie höher einschätzten.
Länderunterschiede. Signifikant kleine Effekte ergaben sich im Ländervergleich bei den Heilfaktoren ‹Förderung von Lernmöglichkeiten›, ‹Förderung kreativer Erlebnismöglichkeiten›, ‹Förderung des Naturbezugs›, ‹Vermittlung heilsamer ästhetischer Erfahrungen›, bei der ‹erlebniszentrierten› und der ‹medikamentengestützten› Modalität, der Beziehungsmodalität ‹Übertragung/Gegenübertragung›, der Medien ‹Musik› und ‹dramatherapeutischer Medien› sowie der Strukturebenen ‹Förderung der Leiblichkeit›, ‹Thematisierung schichtspezifischer Perspektiven› und die ‹Thematisierung lebensaltersspezifischer Perspektiven›. Die schweizerischen Psychotherapeut:innen schätzten die praktische Bedeutsamkeit jeweils höher ein als ihre deutschen Kolleg:innen. Signifikante mittlere Effekte in der gleichen Richtung fanden sich beim Heilfaktor ‹Synergetische Multimodalität›, dem Medium ‹Bewegung› sowie der Strukturebene ‹Thematisierung genderspezifischer Perspektiven›.
Zusammenfassende Bewertung. In Hinblick auf die ursprünglichen Hypothesen kann man feststellen:
Die Ergebnisse zeigen, dass Gemeinsamkeiten in Hinblick auf die Bewertung der Bedeutsamkeit von Heil- und Wirkfaktoren in der psychotherapeutischen Praxis weit fortgeschritten zu sein scheinen, signifikante Bewertungs-Unterschiede zwischen den Erstverfahren fanden sich nur in zwei von 17 Heilfaktoren. Für die Bereiche der therapeutischen Modalitäten, Medien und Strukturebenen trifft das nur bedingt zu, hier fanden sich Unterschiede in 12 von 34 Items. Unterschiede in der Bedeutsamkeitseinschätzung konzentrieren sich also in erster Linie auf Modalitäten, Medien und Strukturebenen. In ähnlicher Weise zeigt sich das auch bei den Vergleichen zwischen den Therapeut:innen mit und ohne Zweitverfahren IT und dem Ländervergleich. Allerdings werden in diesen Vergleichen zusätzlich Bewertungsunterschiede bei weiteren Heilfaktoren sichtbar, die spezifisch für die Integrative Therapie i. S. von Petzold sind.
Einschränkungen. Einschränkungen ergeben sich aus der Stichprobengewinnung, die sich zunächst aufgrund der unterschiedlichen Kooperationsbereitschaft von Kammern und Verbänden als schwierig darstellte. Zwar war das Interesse mit 600 Aufrufen relativ hoch, führte aber letztlich nur zu 150 verwertbaren Interviews. Eine Direktansprache der Psychotherapeut:innen wäre möglicherweise erfolgreicher gewesen. Die sehr geringe Teilnahme von österreichischen Therapeut:innen schränkt die Aussagekraft der Ergebnisse auf die Schweiz und Deutschland ein.
Eine weitere mögliche Einschränkung ergibt sich aus der Nutzung der Begrifflichkeiten der IT, die möglicherweise nicht allen Therapeut:innen bekannt war, worauf vereinzelt auch in den Freitextangaben hingewiesen wurde. Eine Erläuterung im Fragebogen wäre allerding nicht sinnvoll gewesen, weil dadurch die Bearbeitungszeit deutlich verlängert worden wäre.
Schliesslich ist in diesem Zusammenhang noch einmal auf die möglichen Deckeneffekte hinsichtlich der Faktoren Einfühlendes Verstehen, Emotionale Anteilnahme, der Modalität Beziehung, des Mediums Sprache und der Strukturebene Stärkung des Selbstwertgefühls zu verweisen, die für fehlende Unterschiede zwischen Verfahren und Ländern verantwortlich sein könnten. Das dürfte aber angesichts der inzwischen allgemein anerkannten Bedeutung dieser Faktoren für das Gelingen von Psychotherapien unwahrscheinlich sein.
Verschiedene Therapieformen unterscheiden sich weniger in der Einschätzung der praktischen Bedeutsamkeit der Heil- und Wirkfaktoren. Sie unterscheiden sich vor allem in der Arbeit mit therapeutischen Modalitäten, Beziehungsmodalitäten, Medien und Strukturebenen.
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Method integration in psychotherapeutic practice
Abstract: A survey of psychotherapists in Germany, Switzerland and Austria was conducted to investigate whether the integration of methods discussed in psychotherapy science is reflected in psychotherapeutic practice. To this end, psychotherapists (N=150) from the countries were asked to indicate the importance of healing factors, modalities and relationship modalities, media and structural levels (according to Orth & Petzold 2015) for their practical work on a 5-point scale. The procedure- and country-specific analysis of the data shows that different assessments arise less in the classic healing factors than in (relationship) modalities, media and structural levels. Psychotherapists with Integrative Psychotherapy as a second method and psychotherapists from Switzerland, where this method is more widespread, rate the practical significance higher.
Keywords: integrative psychotherapy, comparison of methods, healing factors, modalities, media
Integrazione metodologica nella pratica psicoterapeutica
Riassunto: Nell’ambito di un’indagine condotta tra psicoterapeuti in Germania, Svizzera e Austria si è analizzato se l’integrazione metodologica discussa nella scienza psicoterapica si rifletta nella pratica psicoterapeutica. A tal fine, agli psicoterapeuti (N=150) dei Paesi in questione è stato chiesto di indicare su una scala da 1 a 5 il grado di importanza dei fattori di guarigione, delle modalità di relazione, dei mezzi di comunicazione e dei livelli strutturali (secondo Orth Petzold 2015) per la prassi terapeutica. L’analisi dei dati per metodo e Paese mostra che le diverse valutazioni non derivano tanto dai classici fattori di guarigione quanto dalle modalità (di relazione), dai mezzi di comunicazione e dai livelli strutturali. A tale proposito, gli psicoterapeuti con psicoterapia integrativa come metodo secondario e gli psicoterapeuti svizzeri, dove questo metodo è più diffuso, attribuiscono maggiore importanza all’aspetto pratico.
Parole chiave: psicoterapia integrativa, confronto metodologico, fattori di guarigione, modalità, mezzi di comunicazione
Biografische Notiz
Dr. päd. Dr. phil. Dipl.-Psych. Hans-Christoph Eichert ist Psychologischer Psychotherapeut und Professor für berufliche Rehabilitation und Soziale Integration an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.
Kontakt
Dr. Dr. Hans-Christoph Eichert
Pädagogische Hochschule Heidelberg
Keplerstr. 87 D-69120 Heidelberg
eichert@ph-heidelberg.de
https://ph-heidelberg.de/arbeit-und-beruf/start.html