Zur Gendersensibilität von Psychotherapeut*innen
Julia Groinig & Brigitte Schigl
Psychotherapie-Wissenschaft 14 (1) 2024 55–64
www.psychotherapie-wissenschaft.info
https://doi.org/10.30820/1664-9583-2024-1-55
Zusammenfassung: Psychisches Leiden von Patient*innen ist oft mit Normvorstellungen über Weiblichkeit und Männlichkeit verbunden. Dieser Einfluss von Gender bleibt jedoch sowohl auf Patient*innenseite als auch Psychotherapeut*innenseite oft unreflektiert. In einer diskursanalytischen Studie wird deshalb am Beispiel von Zielvereinbarungsprozessen die Sicht von 7 Psychotherapeut*innen untersucht. Es wird herausgearbeitet, inwieweit sich die befragten Psychotherapeut*innen ihrer eigenen Annahmen über Gender bewusst sind, ob sie Genderstereotype eher reproduzieren oder aufweichen und ob sie ihr eigenes Gender im therapeutischen Prozess als relevant erachten. Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Psychotherapeut*innen erst auf einen Denkanstoss hin Genderaspekte reflektieren. Dies verweist auf die Notwendigkeit, Gendersensibilität in Ausbildung und Supervision von Psychotherapeut*innen aktiv zu fördern, um solche Reflexionsprozesse zum integralen Bestandteil psychotherapeutischer Behandlung zu machen.
Schlüsselwörter: Psychotherapie/Integrative Therapie, Doing Gender, Gendersensibilität, Diversität, Zielvereinbarung
Bewusste und unbewusste Annahmen zu Gender spielen eine wichtige Rolle für den psychotherapeutischen Prozess, sowohl aufseiten der Patient*innen wie auch der Psychotherapeut*innen (Schigl 2018). Persönlich-biografische und sozialisationsbedingte Erfahrungen als gendered individual in der jeweiligen social world und in der jeweiligen historischen Zeit generieren unser implizites Wissen über Gender. So bilden sich unsere Vorstellungen über die eigene und die Geschlechtszugehörigkeit der anderen und die daraus folgenden Haltungen und Handlungen. Die sozialkonstruktivistischen Theorien von Doing Gender (West & Zimmerman 1987) oder der Habitus-Ansatz (Bourdieu & Wacquant 2006) versuchen diese Phänomene zu beschreiben. Genderaspekte werden in der Diagnosevergabe unter F641 in den sog. «Störungen der Geschlechtsidentität» nach ICD-10 explizit benannt, finden sich jedoch auch in vielen weiteren psychischen Leidenszuständen. Psychotherapeut*innen sind bei aller ihrer beruflich erforderten hohen Reflexionsfähigkeit ebenso dem Einfluss durch Geschlechternormen und -bildern unterworfen; und durchlaufen gleichermassen genderbetreffende Sozialisations- und Enkulturationsprozesse.
Empirische Ergebnisse zum therapeutischen Prozess legen nahe, dass Konsens über die Ziele einer Psychotherapie Zeichen einer guten therapeutischen Arbeitsbeziehung ist und sich positiv auf den Therapieerfolg auswirkt (Schöttke et al. 2014; Tryon 2018). Die persönlichen Werthaltungen in Bezug auf Gender dürften dabei im Zielvereinbarungsprozess der Psychotherapie von Bedeutung sein. Empirische Forschungsergebnisse zu psychotherapeutischen Zielen aus Sicht von Psychotherapeut*innen finden sich jedoch kaum (Schöttke et al. 2014) und wir haben wenig Wissen darüber, wie Psychotherapeut*innen damit umgehen (Crapser 2018). Im Forschungsinteresse dieser qualitativen Untersuchung stand deshalb, wie Integrative Psychotherapeut*innen – als Beispiel für Psychotherapeut*innen humanistischer Ausrichtung – sich der Genderaspekte in der Zielvereinbarung bewusst sind und wie sie damit umgehen bzw. ob sie dabei ihre eigenen Annahmen über Gender reflektieren.
Gender in Diagnose und Epidemiologie: Der Körper ist «Austragungsort gesellschaftlicher Machtverhältnisse» (Zehetner 2019, S. 11), ebenso unsere Psyche. Klinische Krankheitsbilder sind keine stabilen «objektiven» Grössen, sie wandeln sich je nach den Veränderungen in den gesellschaftlichen Milieus und unterliegen normativen Prozessen. Was als Störung und «krank» betrachtet wird, ist v. a. in der Psychiatrie nicht unabhängig von (normativen) Vorstellungen über Gender. Frauen und Männer können etwa unter restriktiven Rollenerwartungen (z. B. über ideale Mutter- oder Vaterschaft, über geglücktes Frauen-/Männerleben etc.) und gesellschaftlichen Begrenzungen und Anforderungen, die mit ihrer Genderidentität zusammenhängen, leiden. Sie sehen sich unterschiedlichen sozialpolitischen Bedingungen gegenüber, denen geschlechtsspezifische Normen inhärent sind (Zehetner 2019). Selbstoptimierungstendenzen, Fragen der Reproduktion(-smedizin), der Care-Arbeit sowie die Einordnung in einer binären Geschlechterordnung sind solch potenzielle Konfliktfelder.
In der Epidemiologie lassen sich deutliche krankheitsbezogene Unterschiede zwischen Frauen und Männern2 ausmachen. In empirischen Studien fungiert Gender – bzw. eher Sex – als Differenzkategorie, d. h., es sind häufig die Unterschiede zwischen den Geschlechtern im Blick. Daher bleiben die Ergebnisse zwangsläufig im Schema der Zweigeschlechtlichkeit hängen (Hark 2006). Frauen leiden demnach eher als Männer an Angststörungen, affektiven Störungen und somatoformen Störungen (Neises 2007). Männer geraten eher in eine Alkoholabhängigkeit und konsumieren mehr illegale Drogen. Männer begehen häufiger Suizid, v. a. ältere, alleinstehende und arbeitslose. Frauen hingegen verüben mehr Suizidversuche. Sie werden eher medikamentenabhängig, was auch daran liegen könnte, dass sie mehr Medikamente verordnet bekommen als Männer (Macfarlane & Knudson-Martin 2003). Menschen mit homosexueller Orientierung suchen vermehrt Psychotherapie auf, offenbar um den minority stress zu verarbeiten (Göth & Kohn 2014). Geschlecht hat somit einen wesentlichen Einfluss auf das Hilfesuchverhalten und die Diagnosevergabe von Patient*innen.
Gender Bias: Zahlreiche Untersuchungen widmen sich dem Gender Bias in der Diagnosevergabe, den daraus resultierenden Pathologisierungstendenzen und den Folgen für die psychotherapeutische Behandlung (Löffler-Stastka 2012; Crapser 2018; Fuss et al. 2018). Denn auch wenn Psychotherapeut*innen und andere Behandler*innen glauben, nicht anfällig für einen Gender Bias zu sein, entstehen diese Wahrnehmungsverzerrungen: So etwa die Zuschreibung von bestimmten Charaktereigenschaften zu einem Geschlecht oder die Annahme, dass Frauen und Männer gleich sind, wo keine Gleichheit besteht. Bspw. werden Männer mit Depression unterdiagnostiziert, was zum einen auf deren mangelndes Hilfesuchverhalten zurückzuführen ist, zum anderen auf den Gender Bias in der Diagnostik (Möller-Leimkühler 2010): Unser Bild von Depression ist weiblich. Auch im Bereich der Persönlichkeitsstörungen ist ein Gender Bias zu verzeichnen, da Frauen eher die emotionsbezogenen Diagnosen histrionische und Borderline-Persönlichkeitsstörungen bekommen als Männer mit der gleichen Symptomatik (Garb 1997; Crosby & Sprock 2004; Owen et al. 2009). Gendersensible Psychotherapeut*innen sollten diese Zusammenhänge wissen und dies in einen soziokulturellen Kontext bringen.
Gender prägt die Kommunikation: Genderidentität und sexuelle Orientierung sowie deren damit verbundene Erwartungen und Befürchtungen an das Gegenüber haben Einfluss auf das Beziehungsgeschehen im psychotherapeutischen Prozess (Rauchfleisch 2019). Die Gender-Zusammensetzung der therapeutischen Dyade bestimmt den Kommunikationsprozess zu Beginn und im Verlauf der Psychotherapie. Die verschiedenen Kombinationen in der therapeutischen Dyade (ww, wm, mw, mm, mt, wt, …)3 haben dabei jeweils eigene Dynamiken, Besonderheiten und Herausforderungen (Schigl 2016). Auch im Prozess der Zielvereinbarung können diese Dynamiken ihre förderlichen und hinderlichen Effekte entfalten. Die sozialkonstruktivistische Theoriefolie von Doing Gender eignet sich hier besonders gut, um Dynamiken im psychotherapeutischen Prozess zu beschreiben, da sie die Interaktion in den Mittelpunkt stellt und Veränderungen im Verhalten mitkonzipiert.
Bedeutung: Therapieziele sind «gerichtete Veränderungen des Verhaltens und Erlebens, die eine Patient*in zu Beginn einer Psychotherapie mit der Therapeut*in vereinbart und mithilfe der Therapie zu erreichen versucht» (Grosse Holtforth 2001). Zielvorstellungen haben sowohl Patient*innen als auch Psychotherapeut*innen und sind nicht nur in Bezug auf die Diagnose zu sehen. Die Zielvereinbarung dient der Behandlungsplanung und zugleich der Beziehungsgestaltung. Ein gemeinsamer Zielvereinbarungsprozess wirkt sich positiv auf die therapeutische Beziehung und den Behandlungserfolg aus, weil zentrale Bedürfnisse nach Autonomie, Kontrolle und Selbstwirksamkeitserleben gestärkt werden. Zwar sind Patient*innenziele vordergründig meist an Symptomen orientiert; sie reichen jedoch auch darüber hinaus und beinhalten oft den Wunsch nach Verbesserungen der Beziehungen im Umfeld der Patient*innen (Michalak et al. 2007; Schöttke et al. 2014; Lindhiem et al. 2016). Ziele der Patient*innen hängen generell mit Wohlbefinden und Sinnfindung im Leben zusammen, sind dabei jedoch oft vage oder gar nicht explizit. Es ist wichtig, sie in der Therapie konkret zu machen, um sie für gezielte Veränderungsschritte zu nutzen und die gemeinsam ausgehandelten Therapieziele über den therapeutischen Prozess hinweg zu evaluieren (Grosse Holtforth 2001; Tryon 2018; Cooper 2018).
Gender und Diversity: Ziele, Wünsche und Motivationen der Patient*innen sind stets vor dem Hintergrund ihrer Lebenswelt und ihrer Normvorstellungen von Gender zu betrachten. Für die Zielvereinbarung ist ebenso von Relevanz, welche genderbezogenen Vorannahmen Psychotherapeut*innen mit den Leidenszuständen ihrer weiblichen, männlichen, transidenten oder nonbinären Patient*innen verbinden. Auf Patient*innenseite haben Annahmen über Grenzen und deren Veränderungsmöglichkeiten in Zusammenhang mit der eigenen Geschlechtszugehörigkeit Einfluss auf das therapeutische Geschehen. Weil die Genderrelevanz eines Problems in der Zielvereinbarung aber meist nicht explizit angesprochen wird, ist es wichtig, auf die Vorstellungen der Patient*innen in Bezug auf Gender einzugehen und aktiv nachzufragen. Dies betrifft z. B. Fragen zur Geschlechtsidentität, zur sexuellen Orientierung, zugeschriebener Attraktivität und deren Normungen, Familienidealen, Care-Arbeit, Elternschaft, Reproduktion etc. (Schigl 2018).
Für weibliche Patientinnen ist es schwieriger, mit älteren männlichen Psychotherapeuten Therapieziele zu formulieren, was einerseits an deren mangelnder Bereitschaft liegen kann, aber auch an einem (geteilten) Geschlechterklischee, das besagt, dass ältere Männer besser als jüngere Frauen wissen, wo es hingehen soll (ebd.). Für den Therapieerfolg generell hat Gender- oder die ethnische Zugehörigkeit keine eindeutige Auswirkung; vielmehr dürften die persönliche Haltung der Psychotherapeut*innen sowie die gegenseitigen Erwartungen und Kompetenzen ausschlaggebend sein (Zane et al. 2005).
Gendersensibilität in der Psychotherapie bedeutet in Diagnose und Analyse die Kategorie Geschlecht immer mit zu berücksichtigen (Schigl 2018, S. 79). Dies beinhaltet das Bewusstsein, dass Gender nicht nur eine Strukturkategorie ist, sondern sich als permanent ablaufender Prozess auf die Lebenssituationen aller Gender auswirkt. Genderkompetenz beinhaltet die Umsetzung dieser Analyse in der Interaktion mit konkreten Patient*innen, oder wie Owen et al. (2009) es fassen, als die Fähigkeit von Psychotherapeut*innen, mit Patient*innen verschiedener Geschlechter ein gutes Therapieergebnis zu erzielen. Das bedeutet, dass Therapeut*innen sich ebenfalls als geschlechtliches Subjekt in der Interaktion in den Blick nehmen und sich daraus ergebende Dynamiken mit allen möglichen Geschlechtern berücksichtigen müssen (Schigl & Ahlers 2023). Dies ist schon am Beginn der Psychotherapie, wenn die erste Zielvereinbarung stattfindet, wichtig.
Gender-Diskurse als Hintergrund: Gendersensibilität kann durch Bewusstmachung und kritische Reflexion eigener Erfahrungen im Lichte der Diskurse der Frauen- und Genderstudien erworben werden (Schigl 2010). Diese sind historisch gewachsen, ergänzen einander und nehmen verschiedene Perspektiven zum Thema Gender in den Mittelpunkt ihrer Argumentation. Der sog. Gleichheitsdiskurs als ältester besagt etwa als politische Forderung und allgemein menschliche Erfahrung, dass Frauen und Männer prinzipiell gleichwertig (in ihrer Würde, in ihrem Menschsein …) sind. In den Diskursen der Differenz wird auf spezifische weibliche und männliche Erfahrungen rekurriert und die Ungleichheit der Geschlechter untersucht, wobei diese nicht wertend, sondern als sich gleichwertig ergänzend (im Sinne Derridas [2004] différance) konzipiert ist. Eine Wende von der Frauenforschung zum Gender-Denken markiert die sozialkonstruktivistische Perspektive: Sex als biologische Komponente und Gender als soziale Implikation werden getrennt: Gender wird dabei als Aneignungsprozess von Weiblichkeit und Männlichkeit im Rahmen der Sozialisation und Enkulturation betrachtet. Im Doing Gender wird Geschlecht als etwas konzipiert, das wir miteinander herstellen und nicht etwas, was qua Biologie eingeschrieben ist. Erleben der eigenen Geschlechtlichkeit «findet immer in kulturellen Räumen statt» und kann nicht aus einer scheinbaren «biologischen ‹Objektivität›» (Abdul-Hussain 2012, S. 217) betrachtet werden. Dabei spielen auch andere soziokulturelle Differenzlinien als Geschlecht, die sog. Diversity-Faktoren wie etwa Alter, Ethnizität, Behinderung oder die sexuelle Orientierung eine Rolle. Als letzte grosse Theorieentwicklung sind die dekonstruktivistischen Diskurse zu nennen, aus dem auch die Diskursanalyse, wie sie in der Auswertung der Daten der vorliegenden Studie zur Anwendung kommt, entwickelt wurde (Becker & Kortendieck 2010).
Doing Gender: Aus diesen theoretischen Hintergründen ergeben sich wichtige Implikationen für die Psychotherapie. Besonders fruchtbar ist die Doing Gender-Perspektive mit ihrem Fokus auf Interaktion, was bedeutet, dass sich Psychotherapeut*innen selbst als Interakteur*innen im therapeutischen Prozess genauso unter der Gender-Perspektive in den Blick nehmen müssen wie ihre Patient*innen. Die Doing Gender-Perspektive fokussiert nicht die Unterschiede zwischen Frauen, Männern, transidenten oder intersexuellen Personen, sondern betrachtet «die Prozesse der Unterscheidung bzw. ihre Folgen» (Schigl 2018, S. 17), denn sie «sensibilisiert für die Gefahr, bei Analysen die binäre Geschlechtermatrix sowie damit verbundene Herrschaftsverhältnisse zu reifizieren» (Micus-Loos 2004, S. 117). In dieser Auseinandersetzung entsteht Gendersensibilität und als deren konkrete Umsetzung Genderkompetenz der Psychotherapeut*innen. So können die unterschiedlichen Erwartungen der Patient*innen von ihren Therapeut*innen bzw. der bewusste und unbewusste Rückgriff auf biografisch geformte Vorstellungen von Weiblichkeiten und Männlichkeiten erkannt und adäquat beantwortet werden. Allerdings ist die Vermittlung dieser Reflexionsebene in den Curricula der Psychotherapieausbildungen eher die Ausnahme (Krause-Girth 2004; Schigl 2021). Besonders in den Zielvorstellungen können solche Erwartungen der Patient*innen an sich und ihre Psychotherapeut*innen festgemacht werden.
Psychotherapie als gesellschaftliche Praxis: Psychotherapeutische Arbeit beinhaltet häufig Themen, die Geschlechtsidentität und Genderzugehörigkeit berühren, z. B. gesellschaftlichen Erwartungsdruck, soziale Möglichkeiten bzw. Einschränkungen oder Diskriminierungserfahrungen. Hier bedarf es Aufmerksamkeit, denn Psychotherapie fungiert auch als «Normalisierungsinstrument» (Butler 2009, S. 366) und beinhaltet immer ein Machtgefälle. Psychotherapie bewegt sich so in einem «permanenten Spannungsfeld», zwischen der «Reproduktion von Normalitätsmustern und Andersheit» (Mecheril & Plößer 2018, S. 284). Sie birgt einerseits das Potenzial der Emanzipation, Normen infrage zu stellen und auf dysfunktionale, leiderzeugende Mechanismen aufmerksam zu machen. Sie ist jedoch selbst vor Machtmissbrauch nicht gefeit und kann auch zum Anpassungsprozess an gesellschaftliche Normen werden. All dies wird in den Zielvereinbarungen zur Psychotherapie wie unter einer Lupe sichtbar.
Diese Studie fragt danach wie gendersensibel Psychotherapeut*innen – hier am Beispiel der Integrativen Therapie – sind, ob Genderaspekte von den Psychotherapeut*innen reflektiert werden und inwiefern sie Genderstereotypisierungen im Rahmen der Zielvereinbarung reproduzieren. Dazu zählt auch, ob sie eigenes Doing Gender beachten und im Zielvereinbarungsprozess sensibel damit umgehen können.
Die Datenerhebung erfolgte auf Basis von problemzentrierten Interviews nach Witzel (1985) mithilfe eines Interviewleitfadens. Fünf weibliche Psychotherapeutinnen und zwei männliche Psychotherapeuten der Integrativen Therapie mit abgeschlossener Ausbildung und in niedergelassener Praxis tätig wurden befragt. In der Auswahl der Interviewpartner*innen wurde auf Diversität geachtet, was die geografische Herkunft (Stadt/Land), das Alter und die Geschlechtszugehörigkeit betrifft.
Im Vorfeld wurden die Interviewteilnehmer*innen gebeten, sich die therapeutischen Verläufe, insbesondere den Zielvereinbarungsprozess, von jeweils zwei ihrer rezenten Patient*innen zu vergegenwärtigen. Im ersten Teil der Interviews wurden die Psychotherapeut*innen befragt, wie sich der Zielvereinbarungsprozess allgemein mit den jeweiligen Patient*innen gestaltet hatte. Im zweiten wurde explizit nach Genderaspekten im Rahmen der Zielvereinbarung nachgefragt, um auf unbewusste Wissensbestände über Geschlecht zu stossen, z. B. ob die Psychotherapeut*innen einen Zusammenhang zwischen der Geschlechtszugehörigkeit ihrer Patient*innen und deren Leidenszustand bzw. deren Zielen herstellen. Diese zweigeteilte Vorgangweise wurde gewählt, um zu erheben, ob die befragten Psychotherapeut*innen von sich aus auf Genderaspekte zu sprechen kommen, ob sie diese ausblenden oder ob sie diese Aspekte als selbstverständlich vorausgesetztes Wissen verstehen.
Da in der empirischen Forschung häufig heteronormative Strukturen aufrechterhalten werden (vgl. Hagemann-White 1994; Bellina & Langer 2019), wurden die Daten mit der Methode der Kritischen Diskursanalyse nach Jäger (2009) ausgewertet. In der kritisch-diskursanalytischen Auswertung wurde herausgearbeitet, welche Subjektpositionen in den Aussagen der befragten Psychotherapeut*innen impliziert sind, welche Objekte diskursiv hergestellt und welche Handlungsmöglichkeiten innerhalb dieser Aussagen angeboten, eröffnet oder verweigert werden, etwa Zuschreibungen an Männlichkeit oder Weiblichkeit. Relevante Textstellen wurden mithilfe des Auswertungsprogramms MAXQDA2020 markiert, frei codiert und in Diskursfragmente gefasst. Hier wurde besonders darauf geachtet, welches Wissen als selbstverständlich erachtet wird sowie was nicht explizit gemacht und somit als Norm vorausgesetzt wird. Diese Fragmente wurden zu Diskurssträngen zusammengefasst. Innerhalb dieser Diskursstränge wurde nach Anknüpfungspunkten an die Forschungsfragen gesucht; z. B. ob Psychotherapeut*innen Gender als Einflussfaktor für die therapeutische Beziehung wahrnehmen, ob geschlechtsrollenkonformes Verhalten und Denken in der Therapie im Rahmen der Zielvereinbarung reproduziert oder aufgeweicht wird. Es wurde auch eruiert, ob der Leidenszustand der Patient*innen im Kontext ihrer aktuellen Geschlechterperformanz betrachtet wird. Diese aus den Bausteinen der Diskursfragmente zusammengefassten Diskursstränge bilden Bestandteile eines psychotherapeutischen bzw. gesamtgesellschaftlichen Diskurses ab.
In einem ersten Schritt der Auswertung wurde besonders darauf geachtet, inwieweit die befragten Psychotherapeut*innen die Gender Diskurse der Gleichheit, der Differenz, die sozialkonstruktivistischen und dekonstruktivistischen Theorien oder biologistische Ansätze als Grundlage ihrer Überlegungen wählen, welche Praktiken der Legitimierung stattfinden oder inwieweit Zuschreibungen von sex/gender oder Natur/Kultur gemacht werden. In dieser Zuordnung findet eine Hierarchisierung von Theorien statt. Teil der diskursanalytischen Auswertung war auch die Reflexion der eigenen Wissensproduktion als Forscherin: Denn auch feministisches Wissen muss konstruiert betrachtet werden. Der Austausch mit anderen Fachpersonen zur Überprüfung der Interviewinhalte und Durchführung diente hier als Regulans: Die ausgewerteten Ergebnisse wurden dazu mit drei Psychotherapie-Kolleginnen mit fachspezifischer Expertise im Bereich Gender laufend diskutiert. So konnten weitere Perspektiven für die kritische Auseinandersetzung mit dem vorliegenden Datenmaterial generiert werden.
Die befragten Psychotherapeut*innen erwähnen Genderaspekte im Rahmen der Zielvereinbarung erst, wenn sie explizit darauf angesprochen werden. Nur eine Therapeutin, die eine nichtbinäre Person behandelt, macht schon im ersten Interviewteil den Genderaspekt relevant, der ja Teil des Leidenszustands ihrer Patientin ist.
In den Aussagen der befragten Psychotherapeut*innen können Perspektiven verortet werden, die sich entlang der gendertheoretischen Diskurse bewegen. Jedoch lassen sich in den Interviews auch andere Verortungen finden, aus denen geschlechtsspezifische Normvorstellungen abzulesen sind. So wird das unbewusste Geschlechterwissen der teilnehmenden Psychotherapeut*innen sichtbar. Genderstereotypisierendes Denken und Verhalten wird im Rahmen der Zielvereinbarung sowohl aufgelöst als auch reproduziert, es lassen sich bei den befragten Psychotherapeut*innen deutliche geschlechterstereotype Zuschreibungen finden. Psychotherapeut*innen sind gendersensibel, wenn Genderaspekte aktiv bewusst gemacht, differenziert betrachtet und reflektiert werden. Im Folgenden werden die Diskursstränge, die sich aus den Interviews ergaben, dargestellt:
Perspektiven aus den Gender-Diskursen: In der Datenanalyse wurde herausgearbeitet, welche Gender-Diskurse als bewusste oder unbewusste Hintergrundannahmen Psychotherapeut*innen im Rahmen der Zielvereinbarung und zu Beginn des therapeutischen Prozesses in den Interviews ansprechen. Die meisten lassen sich dem Differenzdenken zuordnen. Es ermöglicht Therapeut*innen offenbar die Identifizierung genderspezifischer Problemstellungen, z. B. «weiblichen» oder «männlichen» Idealen zu entsprechen: Eine Therapeutin, deren Patientin zum Ziel hat, in ihrem Körper glücklich zu sein, schildert: «Ich denke, dass es Frauen einfach schwerer haben, in ihrem Körper glücklich zu sein, weil sie eine höhere Anforderung von der Gesellschaft gestellt kriegen. Da geht’s viel mehr um Frauen als um Männer in der Modeszene und in der ganzen Schönheitsszene und so. Da haben’s Frauen einfach schwerer, glaub ich …» (TH2_A, Pos. 63). Die Aussagen mancher Befragten deuten Unterschiede nur sehr unkonkret an, ohne sie explizit zu benennen. Z. B. sagt eine Therapeutin: «Also da ist so ein Männer-Frauen-Thema, sag ich mal, vorurteilsmässig auch am Land bei den Landwirten halt auch noch so drin. Ich muss als Frau dreimal beweisen, dass ich es auch könnte» (TH3_A, Pos. 114). Interessant ist, dass die Therapeutin damit auch eine intersektionale Thematik benennt (s. nachfolgend), zugleich aber sehr vage bleibt und somit ein Wissen über gesellschaftliche Verhältnisse bei Landwirt*innen voraussetzt. Sie erzählt, dass es keine konkrete Zielvereinbarung gegeben habe, aber dass sie es als Auftrag der Patientin verstehe, mehr Selbstbehauptung am Arbeitsplatz und in der Beziehung zu erlangen sowie mit Wut besser umzugehen.
Eine Psychotherapeutin, die sich eingehend mit Gender-Themen auseinandersetzt und transidente Personen im Prozess begleitet, bemüht sich bewusst, ihren Blickwinkel auf Geschlecht zu erweitern, und rekurriert explizit auf sozialkonstruktivistische und dekonstruktivistische Theorien: Sie sieht die Aneignung der Geschlechtsidentität als soziokulturellen Prozess und dekonstruiert die binäre Ordnung: Ihr*e Patient*in habe «eine Lösung gesucht, wie sie ihre Identität hier so leben kann, dass es um eine gesellschaftliche Akzeptanz geht. Ihr Grundanliegen war immer die gesellschaftliche Akzeptanz» (TH4_A, Pos. 40). Für die Suche nach der persönlichen Geschlechtsidentität ausserhalb des binären Systems und deren Akzeptanz stehen in dieser Zielvereinbarung dekonstruktivistische Argumente im Zentrum.
In anderen Beispielen ist die Genderrelevanz im Zielfindungsprozess weitaus weniger deutlich. Zumeist vermischen sich die Diskurse, es dominieren differenztheoretische und sozialkonstruktivistische Annahmen. Eine grosse Rolle spielen die eigenen Bilder von Weiblichkeit und Männlichkeit. Aus einigen vagen Aussagen erschliesst sich diskursiv, dass Männlichkeit an Gewaltbereitschaft gekoppelt wird: «[…] das ist das Thema dieser ganzen Angstinhalte und Gedankenschleifen und so und dass er dem Gewalt antun möchte und so. Ich denke, da ist das Männerthema voll da» (TH2_B, Pos. 114-116). Obwohl es hierbei oberflächlich betrachtet um pauschalierende, dichotome Zuschreibungen geht, zeigt die Aussage der Therapeutin auch eine sozialkonstruktivistische Sichtweise, die auf mehr Gendersensibilität hinweist, als bei jenen befragten Psychotherapeut*innen, die eine Genderrelevanz verneinten.
Genderblindheit und Gender Bias: Manche Psychotherapeut*innen argumentieren auch auf Nachfrage nach Genderaspekten in den Zielen damit, dass die Geschlechtsidentität ihrer Patient*innen für sie keine Rolle spiele, weil sie alle Patient*innen, egal welchen Geschlechts, gleich behandeln würden. Andere Befragte versuchen, auf die Frage nach Genderspezifität eine Antwort zu finden, indem sie das Geschlecht ihrer Patient*innen gedanklich vertauschen, «aber mit der Frage, würd’s einen Unterschied machen, ist das die (weiblicher Name) oder der (männlicher Name), würde ich bei beiden sagen, macht’s diagnostisch zum Beispiel keinen Unterschied. Und behandlungstechnisch auch nicht» (TH6_B, Pos. 105). Die befragten Psychotherapeut*innen zeigen damit ein Bemühen, besonders gleichstellend zu wirken. Eine Therapeutin führt in der Schilderung über ihren Patienten, der von seiner Freundin betrogen wurde, aus, dies wäre «sicher auch eine große Kränkung an die Männlichkeit» (TH2_B, Pos. 120). Sie reflektiert sodann ihre eigenen geschlechtsspezifischen Zuschreibungen und fragt sich, ob die Geschichte mit vertauschten Rollen auch «funktionieren» würde. An anderer Stelle jedoch wird der Einfluss von Gender am Leiden des*der Patienten*Patientin von dieser Therapeutin wieder verneint: «Ich glaube, das Krankheitsbild, das er*sie hat, können Jungs und Mädels, Männer und Frauen, egal welchen Alters haben (TH6_B).4 So landen jene Psychotherapeut*innen, die ihre Unvoreingenommenheit bzgl. der Geschlechter zum Ausdruck zu bringen wollen, in einem Gender Bias: Die Annahme, dass Frauen und Männer gleich sind, wo keine Gleichheit besteht.
Der Einfluss der eigenen Geschlechtszugehörigkeit als Psychotherapeut*in auf den Prozess wird in fast allen Interviews völlig ausgeblendet und damit ein wichtiger Faktor in der therapeutischen Beziehung ignoriert. Diese Negierung des Einflusses von Gender auf eigener und Patient*innenseite folgt somit nicht, wie vermutlich von den Psychotherapeut*innen angenommen, dem Ductus des Gleichheitsdiskurses, sondern ignoriert die unterschiedlichen Lebensbedingungen der verschiedenen Gender und mündet in Genderblindheit. Einzelne Befragte reflektieren auf Nachfragen den Einfluss ihres eigenen Geschlechts: «Ich überlege gerade, was es macht, dass ich eine Frau bin. […] kann sein, dass er mit einem Mann eher auf cool täte […]. Ich könnte ein Mama-Ersatz sein» (TH1_B). Es sei hilfreich für den Patienten gewesen, so die Therapeutin, ihre «weibliche» Sicht zur Verfügung zu stellen, und sie setze dies bewusst ein. Ihre eigenen Auffassungen von Familie und Partnerschaft fliessen in die Schilderung ein und sie skizziert dabei ein Bild von Mutterschaft, das dem Wohlergehen der Kinder die selbstverständliche erste Priorität zuschreibt.
Die Norm der bürgerlichen Kleinfamilie: Obwohl humanistische Psychotherapien, die Integrative Therapie ganz explizit, einen life-long-development-Ansatz (Petzold 2003) vertreten, rekurrieren die befragten Psychotherapeut*innen stark auf die Kindheit und Biografie in der Kleinfamilie, wenn sie versuchen, die Entwicklung ihrer Patient*innen zu verstehen. Im Vergleich zu anderen Sozialisationsinstanzen wird v. a. die Beziehung zu Mutter und Vater breit ausgeführt. Dabei wird von einem hoch normativen Familienbild ausgegangen: weiss, heterosexuell, Mittelschicht, weitgehend säkularisiert, jedoch christlich geprägt, nicht behindert, mit den leiblichen Eltern und gegebenenfalls Geschwistern im gemeinsamen Haushalt lebend.
Die Beziehung zur Mutter wird von den befragen Psychotherapeut*innen fast immer relevant gemacht, wohingegen der Vater eine weniger wichtige Rolle zu spielen scheint. Als besonders prägend wird er v. a. für männliche Patienten dargestellt. Ein Therapeut differenziert die Genderrelevanz je nach Patient unterschiedlich: Ein anderer Patient als der ursprünglich beim Interview besprochene, habe einen «narzisstischen Vater und der ist immer abgewertet worden. Bei dem spielt’s eine Rolle» (TH5_A). Für weibliche Patientinnen wird die Bedeutung der Mutter als gleichgeschlechtlicher Elternteil besonders hervorgehoben, der Vater wird manchmal gar nicht erwähnt.
Eine Therapeutin gibt an, dass für sie das Geschlecht für das Krankheitsbild keine Rolle spiele, an anderer Stelle sagt sie, ihre Beobachtung sei, «dass die Töchter eher das Thema von den Müttern aufarbeiten und die Väter von den Söhnen» (TH6_B). Die befragten Psychotherapeut*innen nehmen vielfach an, dass sich die Beziehungserfahrungen zu den primären Bezugspersonen in der Partnerschaft der Patient*innen widerspiegeln. Dabei finden genderstereotypisierende Zuschreibungen statt.
Für Patient*innen mit Fluchthintergrund oder einer Migrationsgeschichte wird interessanterweise der Einfluss der Herkunftsfamilie nicht gleichermassen geltend gemacht. Patchwork-Konstellationen und alleinerziehende Elternteile werden als die Ausnahme explizit gemacht, von queeren Familienformen wird nicht berichtet. Nur wenige Psychotherapeut*innen betrachten die Leidensentwicklung und Ziele der Patient*innen vor dem Hintergrund der weiteren sozialen Lebenswelt, etwa die Stellung unter Geschwistern, die Peergroup, religiöse Communities oder Ausbildungserfahrungen.
Weitere Diversity-Aspekte und Intersektionalität: Die intersektionale Perspektive ist dem Forschungsdesign inhärent, jedoch wird sie von den Befragten kaum relevant gemacht. In den Schilderungen der Psychotherapeut*innen ist eine prinzipielle Sensibilität für soziale Ungleichheit erkennbar, dennoch bleiben viele in Prozessen des Othering hängen. Bei Menschen österreichischer Herkunft wird Religion als Thema kaum erwähnt, bei Patient*innen mit (vermutlichem) Migrationshintergrund fast immer. Therapeut*innen gehen von einer säkularisierten Mehrheitsgesellschaft aus und benennen Einflüsse anderer Glaubensformen (z. B. Islam, Schamanismus) als Abweichungen davon. Die eigene «Kultur» im Sinne der Werte und Gepflogenheiten der Mehrheitsgesellschaft wird nicht zur Diskussion gestellt. Wenn Patient*innen aus anderen Kulturkreisen/Ethnien kommen, nehmen diese Aspekte mehr Raum ein als Gender. Eine Therapeutin schreibt ihren «türkischen» Patientinnen trotz deren hoher Selbstständigkeit etwa eine eingeschränkte Vorstellungs- und Handlungsfähigkeit z. B. in Bezug auf eine offene und liberale Haltung in puncto Gleichberechtigung zu.
Bei sozialer Herkunft sind die Psychotherapeut*innen sensibler – intersektionale Verstärkungen mit der Gender-Rolle in bestimmten Milieus (z. B. Landwirtschaft, s. zuvor) werden thematisiert. Queere Lebensformen (z. B. die sexuelle Orientierung) werden als solche explizit gemacht. Es gibt keine Erwähnung eines*einer Patienten*Patientin mit Behinderung.
Normen des Körpers, der Sexualität und des Begehrens: Leiblichkeit, Körperformen und -normen werden in den Interviews schnell mit Gender in Verbindung gebracht. Die ständige Bewertung des Körpers und dessen Instrumentalisierung als Objekt werden v. a. für Frauen konstatiert. Eine Psychotherapeutin sieht den weiblichen Körper als besonders schutzbedürftig: Das Leiden unter dem Bewertungsaspekt wird in den Augen der Therapeutin in der Geschichte ihrer Patientin besonders deutlich: «[D]er Körper ist ein öffentlich zu bewertendes Objekt» (TH1_A, Pos. 178), etwa in deren Bemühen, möglichst «weiblich» zu sein, und der Scham, sich nackt zu zeigen. Damit in Verbindung stehen Zielformulierungen wie die Wertschätzung des eigenen Körpers sowie Gefühle wahrnehmen, benennen und ausdrücken zu können. Dies wird zwar prinzipiell für alle Gender konstatiert, die Sensibilität für derartige Themen ist jedoch bei den Zielen für weibliche Patientinnen deutlich höher. Psychotherapeut*innen sind sich dem Leiden ihrer Patientinnen unter sexualisierenden Blicken oder subjektiv konstatierter mangelnder Attraktivität sehr bewusst; ebenso der damit verbundenen Einschränkung ihrer Handlungsfähigkeiten. Es scheint aber auch ein Bewusstsein dafür zu geben, dass es maligne Körpernormen auch bei männlichen Patienten gibt und diese aktiv angesprochen werden müssen.
Sexualität und Begehren als Ziele in der Therapie werden kaum thematisiert. Wenn diese Themen benannt werden, dann werden sie von den Psychotherapeut*innen fast ausnahmslos als heterosexuell konzipiert. Eine Therapeutin bemerkt, dass Patienten sexuelle Themen früher/leichter ansprächen und weniger diesbzgl. Scham hätten als Patientinnen.
Genderzugehörigkeit des*der Psychotherapeut*in: Alle befragten Psychotherapeut*innen nehmen sich selbst als gendered individual im therapeutischen Prozess erst auf Nachfrage wahr, zwei von sieben erachten diese Perspektive explizit als unbedeutend für den Prozess. Jene, die sich der Wechselwirkung von Gender (s. zuvor: Doing Gender) bewusst sind, berichten mehr von genderbezüglichen Resonanz- und Gegen-/Übertragungsgefühlen. Wer sich des eigenen Doing Gender gewahr ist, kann es teilweise auch als Intervention einsetzen. Eine Therapeutin argumentiert, «dass man das eigene Geschlecht auch nicht wegtun kann» (TH1_B, Pos. 152). So stellen einige Psychotherapeut*innen bewusst ihre gendergeprägte Sichtweise zur Verfügung, wenn es dem Ziel der Patient*innen dienlich scheint, deren persönlichen Handlungsspielraum erweitert «und bei mir glaub ich, dass es die Frauensicht ist, die er auch .. die er schon schätzt, so zu hören, was will eine Frau und was nicht» (TH1_B, Pos. 123).
Generell kann man interpretieren, dass auch diese Haltung von einer differenztheoretischen Sichtweise bestimmt ist: Fürsorglichkeit und Sanftheit werden als «weibliche» Qualitäten eingeordnet, auch wenn Männer sie ebenso leisten könn(t)en. Unterschiede in den Dynamiken in den einzelnen Therapiedyaden werden benannt, etwa die Unterschiede im Umgang mit Aggression: «Frauen gehen glaub ich oft mit dieser aggressiven Seite passiver um. Und wenn Männer das tun, das irritiert mich dann» (TH7_A, Pos. 164). Oder – deren Schwierigkeiten ausblendend – die Nähe, Offenheit und das Vertrauen in der homogen weiblichen Therapiedyade als «Wir-Frauen-unter-uns-Gefühl» (TH1_A, Pos. 222–224). Eine weibliche Therapeutin blickt kritisch auf die Dyade von männlichem Therapeut und weiblicher Patientin: Hier sei es wichtig, die «Übergriffsmomente möglichst flach» zu halten, um den «sexualisierten, sonst was übergriffigen, grenzüberschreitenden Modus» (TH6_A, Pos. 54) abzuwenden, der in dieser m/w-Dyade leicht entstehen könne. Damit neutralisiert sie weibliche Therapeutinnen und imaginiert diese geschützt vor erotischen Atmosphären. Auch hier wird Begehren nur im heterosexuellen Kontext wahrgenommen. Dass es neben einer möglichen «Sexualisierung» in den verschiedenen Konstellationen der Gender-Dyaden auch andere Konnotationen geben könnte, ist nicht bewusst.
Das wichtigste Ergebnis, das diese Forschungsarbeit zutage förderte, ist, dass die Mehrzahl der Psychotherapeut*innen Gender nur auf Nachfrage zu reflektieren beginnen, ausser zwei Therapeut*innen, die Genderaspekte von sich aus als relevant hervorheben. Dies entspricht auch den Erkenntnissen zum Unconscious Bias (Salowski 2022): Erst auf Nachfrage beziehen die befragten Psychotherapeut*innen diese Dimension aktiv in ihre Überlegungen zur Zielvereinbarung und zur Entwicklung der Patient*innen ein. In der von der Forscherin angestossenen Reflexion weitet sich dann die Perspektive und die Bereitschaft, die eigenen Vorannahmen kritisch zu beleuchten. Erst mit einem derartigen Input sind viele auch bereit, die eigenen Annahmen zu hinterfragen, während in der ersten, selbst erzählten Gesprächsphase eher Stereotypisierungen in Bezug auf Gender (und Diversity) reproduziert wurden. Somit entsteht Gendersensibilität erst über die gezielt angestossene Reflexion.
In ihren Überlegungen greifen Psychotherapeut*innen auf verschiedene Theorien zu Gender zurück, in der Mehrheit differenztheoretische, etwas verwaschen auch sozialkonstruktivistische, im Sinne eines sozialisationstheoretischen Verständnisses. Eine dekonstruktivistische, kritische Sicht findet sich nur bei einer Befragten, wo schon das Leiden der im Interview reflektierten Patientin – einer Transgender-Person – darauf verweist. Die Zuschreibungen zu Weiblichkeiten und Männlichkeiten, die die Psychotherapeut*innen vollziehen, erwachsen aus Bildern binärer Differenzkategorien. So werden Frauen mit (Für-)Sorge, Schwäche, Sanftheit und Passivität in Verbindung gebracht; Männer mit Gewalt, Durchsetzungsfähigkeit, Härte, Stärke und Aktivität konnotiert, wie es auch Gahleitner et al. (2020) beschreiben. Obwohl in den Zielbesprechungen genderrelevante Themen benannt werden – etwa Mutter- bzw. Vaterschaft oder Fragen von Partnerschaft – werden diese in der ersten Darstellung nicht als solche erkannt.
Deutlich wird eine traditionelle Auffassung von Familie, wobei dies auch ein Artefakt der Daten sein könnte: Alle Patient*innen-Beispiele, die die Therapeut*innen in Bezug auf die Zielvereinbarung reflektierten, kamen aus blutsverwandten Kleinfamilien – doch das wurde nie als auffällig kommentiert. Im Nachdenken über die Entwicklung der Patient*innen betonen Psychotherapeut*innen die Bedeutung der Kindheit und fokussieren hier besonders auf den Einfluss der Mutter (Kagan 2000). Sie neigen dazu, das sonstige soziale Umfeld als massgebliche Sozialisationsinstanz zu vernachlässigen und nehmen in ihren Überlegungen zum Entwicklungsprozess nicht explizit auf Gender Bezug, obwohl sowohl der life-long-development-Ansatz, d. h. die Entwicklung über die gesamte Lebensspanne, als auch die Auseinandersetzung mit Gendertheorien in der Integrativen Therapie längst etabliert sind (Abdul-Hussain 2012). Beim Thema Familie replizieren die Therapeut*innen gesellschaftliche Normen und Vorurteile: So verweist eine Therapeutin bei ihrer Patientin aus traditionell-bäuerlichem Milieu nicht auf die Einschränkungen der dortigen frauenbenachteiligenden Struktur. Sehr wohl tut sie dies aber bei einer Patientin aus traditionell muslimischer Familie und scheut sich dort viel weniger als bei der Patientin österreichischer Herkunft, das explizit zu machen. So wird Geschlechtergerechtigkeit als europäische Errungenschaft konstruiert und Migrant*innen ein Modernisierungsdefizit konstatiert (Sielert 2017). Die Therapeut*innen positionieren sich damit als Angehörige der hegemonialen Mehrheitskultur und sind primär kaum sensibel auf intersektionale Einflüsse, wie Lerch (2019) es fordert. Ausser bei einer Therapeutin, die sich intensiv mit der Transgenderthematik auseinandergesetzt hat und dekonstruktivistische Sichtweisen vertritt, werden heteronormative Strukturen reproduziert.
Deutlich wird das Bemühen der befragten Psychotherapeut*innen, die individuellen Problemstellungen, Lebenssituationen und Persönlichkeit ihrer Patient*innen differenziert erfassen zu wollen, auch wenn nicht immer bewusst ist, dass es sich dabei auch um Genderaspekte handelt. Den Psychotherapeut*innen scheinen Sprache und Konzepte zu fehlen, um Gender als Struktur und Prozess zu denken und fassen zu können. Sie benennen jedoch auf Nachfrage deutlich Einschränkungen von Geschlechternormen für ihre Patient*innen und machen stellenweise auch kulturelle, religiöse oder neoliberalistische Normen explizit. Erst eine angestossene Reflexion ermöglicht den befragten Psychotherapeut*innen, die Bedeutung der Anforderungen an eine Geschlechterrolle für das Leiden ihrer Patient*innen zu erkennen, wie Zehetner (2019) vorschlägt.
Einige Psychotherapeut*innen negieren generell den Einfluss von Gender, sie tappen in einem Bemühen, «alle Patient*innen gleich zu behandeln», in den Gender Bias der Genderinsensibilität. Hierbei werden der Einfluss der eigenen Genderzugehörigkeit bzw. die durch Gender unterschiedlichen Lebensbedingungen von weiblichen und männlichen Patient*innen ausgeblendet (Fiedel et al. 2018) und so verschärft. Andere Befragte versuchen sich sehr wohl auf die unterschiedlichen Bedingungen, die weibliche und männliche Patient*innen vorfinden, einzulassen. Wenige nur nehmen die Rolle der eigenen Genderzugehörigkeit wahr, etwa wenn sie über Solidaritäten und Vorbilder sprechen oder ihren Patient*innen «aus Frauensicht/Männersicht» Rückmeldung geben, so es im therapeutischen Prozess den Zielen förderlich scheint. Allerdings sind damit häufig geschlechtsrollentypische Zuschreibungen verbunden, die erst mit zunehmender Selbstreflexion während des Interviews aufgeweicht werden. Die Therapeut*innen entsprechen nicht den Anforderungen an Gendersensibilität, sich selbst als gendered individual im Prozess mit in den Blick zu nehmen (Schigl 2018).
Aus den Ergebnissen dieser Arbeit lässt sich schliessen, dass für Gendersensibilität und weiterführend Genderkompetenz eine gezielte Reflexion eigener Bilder und Annahmen nötig ist. Der Titel dieses Beitrags «Ich überlege gerade, was es macht, dass ich eine Frau bin» bringt den notwendigen Reflexionsprozess einer befragten Psychotherapeutin zum Ausdruck und zeigt auf, dass Gendersensibilität einen Anstoss von aussen braucht, wie sie etwa durch gendersensible Supervision und Intervision angeregt werden könnte (Arczynski & Morrow 2017). Das Bewusstsein für die Dimension Gender sollte allerdings schon in den Ausbildungen zur Psychotherapeut*in geschaffen werden. Damit einher geht die Sensibilisierung für Gender betreffende Machtdynamiken oder für die Bedeutung der eigenen Geschlechtsidentität als Psychotherapeut*in für den therapeutischen Prozess (Rauchfleisch 2019). Es gilt, sich die eigenen Privilegien als Psychotherapeut*in bewusst zu machen, Wissen anzueignen und damit die Sensibilität für Genderaspekte sowie -kompetenz zu schaffen bzw. zu erweitern (Lerch 2019). Dafür ist eine Aufnahme der Gender-Diskurse in das Psychotherapiestudium nötig, wie auch das Erkennen, dass diese sich ergänzen und unterschiedliche Facetten in den Fokus nehmen. Exzentrizität und Mehrperspektivität (Petzold 2003) – wie sie in der Integrativen Therapie massgeblich sind – sind dabei gute Werkzeuge, um Gendersensibilität und Genderkompetenz zu etablieren.
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«I’m just thinking about what it means that I’m a woman»
On the gender sensitivity of psychotherapists
Abstract: Patients psychic suffering is often associated with ideas of femininity and masculinity. However, this influence of gender often remains unreflected both on the patients and the psychotherapists side. In a discourse-analytical study, the perspective of seven psychotherapists is therefore examined using the example of agreement in goal-processes. It is worked out whether the interviewed psychotherapists are aware of their own assumptions about gender, whether they tend to reproduce or decrease gender stereotypes and whether they consider their own gender to be relevant in the therapeutic process. The results of the study show that the psychotherapists are sensitive to different gender aspects when they are prompted to reflect. The results thus point to the need to actively promote gender sensitivity in the training and supervision of psychotherapists in order to make such reflection processes an integral part of psychotherapeutic treatment.
Keywords: psychotherapy/Integrative Therapy, gender sensitivity, diversity, goal setting
«Sto pensando a cosa significa che sono una donna»
Sulla sensibilità di genere degli psicoterapeuti
Riassunto: La sofferenza psichica dei pazienti è spesso legata a idee normative sulla femminilità e sulla mascolinità. Tuttavia, questo influsso del genere spesso non viene preso in considerazione né dai pazienti né dagli psicoterapeuti. In uno studio analitico-discorsivo, viene quindi analizzato il punto di vista di 7 psicoterapeuti, ricorrendo all’esempio dei processi di accordo sugli obiettivi. Viene analizzato in che misura gli psicoterapeuti intervistati sono consapevoli delle proprie supposizioni sul genere, se tendono a riprodurre o ad attenuare gli stereotipi di genere e se considerano il proprio sesso rilevante nel processo terapeutico. I risultati dello studio mostrano che gli psicoterapeuti riflettono sugli aspetti di genere solo se sollecitati a farlo. Ciò indica la necessità di promuovere attivamente la sensibilità di genere nella formazione e nella supervisione degli psicoterapeuti, al fine di rendere tali processi di riflessione parte integrante del trattamento psicoterapeutico.
Parole chiave: psicoterapia/terapia integrativa, doing gender, sensibilità di genere, diversità, accordo sugli obiettivi
Biografische Notiz
Julia Groinig, BA BA MA MSc.
Brigitte Schigl, Prof.in Dr.in MSc. (corresponding author); Karl Landsteiner Privatuniversität für Gesundheitswissenschaften, und Universität für Weiterbildung, Krems; ORCID: https://orcid.org/0000-0001-9646-3074.
Kontakt
julia.groinig@outlook.com
brigitte.schigl@aon.at
1 Hauptdiagnosen im ICD-10: F64.0 Transsexualismus, F64.1 Transvestitismus unter Beibehaltung beider Geschlechtsrollen, F64.2 Störung der Geschlechtsidentität des Kindesalters, F64.8 Sonstige Störungen der Geschlechtsidentität (https://icd.who.int/browse10/2019/en#/V). Eine Überarbeitung und Neudefinition erfolgte im ICD-11.
2 Weitere Genderidentitäten werden in Erhebungen noch nicht berücksichtigt.
3 w = weiblich, m = männlich, t = transident.
4 Und dies ist selbstverständlich auch der Fall. Es gibt Störungen, die prinzipiell nicht durch die Genderzugehörigkeit ausgelöst oder verändert werden. Allerdings sind der Umgang damit, die Interpretationen und sich daraus ergebenden Selbstbilder für unterschiedliche Gender oft unterschiedlich.