Resonanz als Beziehungsmodus in der Psychotherapie

Anita Horn & Hartmut Rosa

Psychotherapie-Wissenschaft 14 (1) 2024 37–41

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CC BY-NC-ND

https://doi.org/10.30820/1664-9583-2024-1-37

Zusammenfassung: Die Rede von Resonanz ist im Bereich der Psychotherapie verbreitet und zugleich uneinheitlich. Ausgehend von der vergleichenden Diskussion verschiedener Verwendungsweisen wird Resonanz als Beziehungsmodus verstanden. Dieser setzt über das Erleben von Resonanzerfahrungen hinaus auch die frühkindliche und durch Zwischenleiblichkeit geprägte Entwicklung von Resonanzfähigkeit voraus. Darüber hinaus werden drei weitere «Resonanzachsen» (materiale Resonanzachse, Selbstachse der Resonanz, existenzielle Resonanzachse) identifiziert, die als Ressource für die Psychotherapie gewichtet werden. Resonanz wird als dynamischer, zeitlich übergreifender Beziehungsprozess beschrieben. Sofern die Psychotherapie als eine korrigierende Beziehungserfahrung verstanden wird, kommt dem bewussten Umgang mit der therapeutischen Resonanz eine Schlüsselrolle bei der Überwindung von psychischen Störungen zu. Unbewusste Mechanismen wie Übertragung und Gegenübertragung beeinflussen die Resonanzerfahrung. Eine tragende therapeutische Beziehung setzt zwischenmenschliche Resonanzerfahrungen voraus und profitiert von ihnen als Katalysatoren für die Therapiemotivation und als Hoffnungsträger für nachhaltige Veränderungen der innerseelischen Struktur. Resonanz in der Psychotherapie ist entsprechend mehr als ein momentanes Erleben, sie entspricht auch einer stabilen psychischen Disposition, die auf Vertrauen und Offenheit ausgerichtet ist.

Schlüsselworte: Resonanz, Psychotherapie, Sozialphilosophie, Moderne Bindungstheorie

Der Begriff der Resonanz ist innerhalb der Psychotherapie wohlbekannt und weitverbreitet. Es kursieren allerdings innerhalb der Disziplin sehr unterschiedliche Vorstellungen und Konzepte von dem, was damit gemeint ist. Das liegt daran, dass es interdisziplinär unterschiedliche Definitionen von Resonanz gibt, etwa in der Physik, Pädagogik oder Musiktheorie. Querbezüge zu diesen jeweiligen Definitionen werden in der Psychologie oft nach Gutdünken gemacht. «In der Musik bedeutet Resonanz bekanntlich das Mitschwingen eines Klangkörpers. Im übertragenen Sinne bedeutet soziale Resonanz das gleiche, nämlich ein zwischenmenschliches Mitschwingen und Antworten. Der Eine äussert sich, und der Andere antwortet» (Altmeyer 2016, S. 195).

Als gemeinsamer Nenner des psychologischen Begriffs steht die Annahme, dass Resonanz als ein primär zwischenmenschliches Phänomen betrachtet wird, das im Kontext von Beziehung und sozialer Interaktion entsteht. Weitgehender Konsens besteht auch darin, dass die frühen Resonanzerfahrungen in den Primärbeziehungen einen Einfluss auf die Entwicklung der Persönlichkeit haben. Darüber hinaus bleibt Resonanz als psychologischer Begriff aber unterbestimmt. So komplex und symbolisch die Rede von der Seele oder der Psyche in der Psychotherapie und Psychoanalyse geworden ist, so komplex ist auch das Erfassen der Bedeutung von sozialer oder psychischer Resonanz. Fraglich ist dabei sowohl, was mit wem in Resonanz gerät, als auch, welcher Beziehungsprozess damit gemeint ist. Als Erfahrungsbegriffe zum Ausdruck der innerseelischen Wirklichkeit und von Beziehungserfahrungen sind sowohl Psyche wie Resonanz im Kontext einer Psychoanalyse gleichwohl nahezu unverzichtbar. Sie finden sich etwa schon in Freuds (2000 [1912], S. 175f.) Konzeption des Verhältnisses zwischen der ‹Freien Assoziation› des Analysierten und der ‹Gleichschwebenden Aufmerksamkeit› des Analysanden mittels der Metaphern der Schallwellen und elektrischen Impulse grundgelegt.

Neuronale vs. zwischenleibliche Resonanz

Im Kontrast zu dem Gefühl der inneren Kohärenz, das oftmals als Indiz für inneres Gleichgewicht oder Authentizität im Selbsterleben gewichtet wird, steht Resonanz für eine Form der Bezogenheit oder einen «Beziehungsmodus», wofür Begegnung vorausgesetzt ist. Fuchs nimmt den Begriff der Resonanz in seinem Buch Das Gehirn – ein Beziehungsorgan (2017, S. 185f, 197, 210–213) in unterschiedlichen Facetten auf. Er bezeichnet das Gehirn als «Resonanzorgan», dessen «rhythmische Oszillationen durch interne ebenso wie externe Synchronisierungen eine fortwährend erneuerte Kohärenz zwischen Organismus und Umwelt herstellen» (ebd., S. 187). Der Resonanzbegriff, wie auch Fuchs ihn der Akustik und Schwingungsmechanik entlehnt, lässt sich auf Körper und Systeme beziehen, die durch ihre Eigenschwingungen aufeinander abgestimmt und aktuell miteinander verbunden sind: «Der Resonanzbegriff enthält ein dynamisches ebenso wie ein rhythmisches Moment, stellt also auch eine zeitlich übergreifende Beziehung zwischen den beteiligten Systemen her» (ebd., S. 186). Mit der Unterscheidung zwischen neuronaler und zwischenleiblicher Resonanz differenziert er zwischen der neurologischen Passung oder Entsprechung, die das Gehirn in Verarbeitung der Umweltreize herstellt, und der wesentlichen Vermittlungsfunktion des Körpers bei der Einordnung und Verarbeitung sozialer Interaktion.

Im Gegensatz zu einem repräsentationalen Verständnis des Gehirns, bei dem Umweltreize in bestimmter Weise neuronal abgebildet und zur Grundlage von Mustern und Skripts werden, ist Resonanz nicht primär Repräsentation, sondern bezeichnet eine «Beziehung zur Welt» (ebd., S. 187) oder einen Prozess, der sich aus der notwendigen Verflochtenheit von «resonandum und resonans» aufrechterhält. Mit der neuronalen Resonanz beschreibt Fuchs die komplexen Anpassungs- und Verarbeitungsprozesse des Gehirns, das Umweltreize zu Mustern verarbeitet und entsprechende kognitive Bewältigungsstrategien entwickelt. In der Begegnung mit anderen Menschen finden dabei neuronale Spiegelungsprozesse statt, die dabei helfen, die Bewegungen und Handlungen des anderen zu interpretieren und zu erwidern. Soziale Resonanz basiert dann auf der Wahrnehmung und dem Prozessieren von Zwischenleiblichkeit. «Zwischenleiblichkeit als intersubjektives Körperschema» (ebd., S. 209), bei dem unbewusst die eigenen Handlungen, Bewegungen, Mimik und Aktivitäten auf das Gegenüber abgestimmt werden, setzt über die neuronale auch eine sensorisch-emotionale Resonanz voraus, die den Gefühlsausdruck anderer aufnimmt und erwidert. Fuchs kommt in seiner Studie zur Schlussfolgerung, dass das Gehirn ganz wesentlich durch ein über verschiedene Gehirnregionen verteiltes «Resonanzsystem» konstituiert ist, «das verschiedene Funktionen der Eigen- und Fremdwahrnehmung ebenso wie der Gefühlsempfindung integriert und so zu einer Grundlage sozialer Wahrnehmung, Imitation und Empathie» geworden ist (ebd., S. 210).

Resonanz als Beziehungsmodus – in der Selbstbeziehung und in der Beziehung zum Anderen und zur Welt

Während in der Psychologie die zwischenmenschliche Beziehung im Zentrum der Resonanzerfahrung steht, identifiziert Rosa (2021, S. 249) über diese soziale Dimension hinaus drei weitere ‹Resonanzachsen›, die die Beziehung zwischen Subjekten und ihrer materialen Umwelt (materiale Resonanzachse), zwischen Körper und Geist oder auch zwischen Emotion und Kognition (Selbstachse der Resonanz) sowie zwischen einem Subjekt und dem, was ihm als ‹Umgreifendes› (Jaspers) bzw. als letzte Realität begegnet (existenzielle bzw. vertikale Resonanzachse), umfassen. Das «Gehirn als Beziehungsorgan», wie Fuchs es nennt, ist eingebettet in mannigfaltige Netzwerke, wandelt sich potenziell plastisch im Rahmen des Austauschs und der Adaption an verschiedene Realitätsprüfungen, die in der Beziehung zu sich selbst, zu anderen und der Welt bewältigt werden müssen. Innerpsychische Realität, äussere (Beziehungs-)Realität und zunehmend auch die virtuelle Realität müssen im Mikrokosmos der Einzelpsyche in einem Wechselspiel zusammengeführt werden. Dieser plastische Prozess wird nach Rosa wesentlich, aber nicht ausschliesslich über zwischenleibliche Beziehungen geprägt. Naturerfahrungen, innere Wachstumsprozesse und die sinnsuchende, spirituelle Verortung des Subjekts werden als weitere Ansatzpunkte für Resonanzerfahrungen und damit als Facetten des «Dritten» in der Psychotherapie gewichtet. Resonanz ist entsprechend mehr als eine Metapher, sie bezeichnet eine Form der Beziehung, die durch die vier Elemente der wechselseitigen Berührung (Affizierung) und Einwirkung (Selbstwirksamkeit), der Transformation und der Unverfügbarkeit definiert ist. Sozialkritisch hinterfragt werden können dabei die jeweils resonanzförderlichen oder hinderlichen institutionellen Bedingungen und Praktiken.

Die Debatte um die «Substanzialität» der Resonanz

Altmeyer (2016, S. 193), der die Seele als «kompliziertes Beziehungsorgan» beschreibt, bezeichnet die soziale Resonanz als seelisches Bindemittel der ersten Stunde. Auch Rosa betrachtet die Einzigartigkeit der intersubjektiven, zwischenleiblichen Resonanz als gegeben. Beide verstehen Resonanzerfahrungen als identitätskonstituierende Erfahrungen des Berührt- oder Ergriffenseins. Altmeyer sieht den Beziehungsmodus der Resonanz jedoch als «per se substanzlos» und lehnt eine substanzielle Definition des Begriffs aus psychoanalytischer Sicht ab (ebd., S. 196). Anders als Rosa, der Resonanz als «Kampfbegriff des sozialen Wandels» betrachte, versteht Altmeyer die digitale Moderne als ein einziges Resonanzsystem, in dem um Resonanz – nicht zuletzt im Kontext der sozialen Medien – gerungen werde. Er sieht soziale Resonanz als Erfahrung, die nicht per se authentisch, sondern v. a. auch instrumentalisierbar ist. Soziale Resonanz lasse sich darauf reduzieren, bei anderen Menschen Anklang zu finden, eine Rückmeldung aus der Umwelt zu bekommen, ein Echo zu erhalten, eine Spiegelerfahrung zu machen (ebd., S. 193). Sowohl Resonanzerfahrungen wie das Leiden an fehlender Resonanz bleiben dabei allerdings oftmals unbewusst. Dennoch postuliert er auch nachdrücklich, dass die Vorgeschichte von Persönlichkeitsstörungen in der Psychotherapie «regelmässig in früh gestörten Resonanzbeziehungen» zu finden sei: «Mangelnde, inadäquate oder gar traumatisierende Resonanzerfahrungen der Kindheit führen zu unsicherer Bindung und Selbstunsicherheit, zu Empathie-Mangel und Beziehungsstörungen und schliesslich zu problematischen Kompensationsversuchen beim späteren Jugendlichen und Erwachsenen, von denen der soziale Rückzug nur einer ist» (ebd., S. 193f.). Resonanzdeprivation ist in dieser Deutung ein Einfallstor für psychische Störungen, mediiert von Variablen wie der Resilienz oder der biomedizinischen Voraussetzungen. Soziale Resonanz wird also nicht als substanzielles Phänomen betrachtet, ihr Einfluss oder vielmehr die Störungen von Resonanzerfahrungen scheinen sich aber nachhaltig und erkennbar in der psychischen Struktur abzubilden.

Einfluss frühkindlicher Beziehungserfahrungen

Das Erleben von Resonanz scheint für die psychische Gesundheit unabdingbar. Vor dem Hintergrund der aktuellen Embodimentforschung und insbesondere mit Blick auf die moderne Affektregulierungstheorie, in der u. a. Schore (2003) neurophysiologische Befunde umfassend zusammengetragen hat, um die Auswirkungen früher Erfahrungen auf die spätere relationale und emotionale Entwicklung der Persönlichkeit sowie auf die Resilienz bei späteren Traumatisierungen aufzuzeigen, wird deutlich, dass die fehlende innerseelische Repräsentation von Resonanzerfahrungen als substanzielle Voraussetzung nicht aus der psychologischen Resonanzhermeneutik ausgeklammert werden kann. Die fundamentale Bedeutung der frühkindlichen Beziehungen und Erfahrungen sieht auch Leuzinger-Bohleber (2014) als Grundlage für die spätere Fähigkeit des innerseelischen Resonanzerlebens. Sie verweist darauf, dass Resonanzerleben wie auch das Leiden an fehlender Resonanz und die unbewusste Resonanzentsagung von strukturellen seelischen Grundvoraussetzungen mitabhängen, die ihrerseits als substanziell für das Zulassen und Erleben von Resonanzerfahrungen erachtet werden müssen: «In den frühesten Beziehungen wird wie bei einer Stradivari der Klangkörper des seelischen Instruments gebaut, der in späteren Beziehungen zum Schwingen gebracht wird» (ebd., S. 937). Rosa (2016, S. 650) hat dafür ein ‹Geigen- oder Gitarrenmodell› des Selbst vorgeschlagen: So wie ein physischer Klangkörper (ein Musikinstrument) in der Regel erst dann adäquat resoniert, wenn er einerseits offen genug ist, um sich anregen zu lassen (wofür bei den genannten Instrumenten die Schalllöcher sorgen), sich andererseits aber fest und geschlossen genug präsentiert, um mit ‹eigener Stimme› bzw. mit eigener Klangfarbe zu antworten, so setzt die Resonanzfähigkeit von Subjekten voraus, dass sie sich affizieren lassen und Selbstwirksamkeit erfahren können.

Resonanz in der Psychotherapie

Die psychodynamische Erfahrung von Resonanz lässt sich nicht vollumfänglich beschreiben oder definieren. Sie erhält sich ihren zumindest teilweise symbolischen Charakter dadurch, dass das Erleben von Resonanz psychisch, geistig und körperlich umfassender und differenzierter wahrnehmbar ist, als es sich in Worten beschreiben lässt.

Resonanzerleben als «psychobiosozialspirituelles» Phänomen durchdringt die subjektive Lebenswelt, es nimmt Einfluss auf unsere kognitiven Skripts und Weltanschauungen und offenbart sich im Verhalten. Mit den zunehmenden Forschungserkenntnissen zum Leibgedächtnis und dem impliziten Beziehungswissen rückt ein vertieftes Verständnis von Resonanz näher, das u. a. als Grundlage für die zeitgemässe psychodynamische Behandlung bedeutsam ist (Broschmann & Fuchs 2020). Die Entwicklung des Resonanzsystems als «Erkenntnisinstrument» des impliziten Gedächtnisses geschieht weitgehend durch Beziehungserfahrung und Zwischenleiblichkeit. Die Wahrnehmung der Eigenleiblichkeit der Therapeutin und davon ausgehend ihre Intuition für die zwischenleiblichen Prozesse dienen der Erkennung von Übertragungs- und Gegenübertragungsdynamiken (Fuchs 2022, S. 66). Fuchs sieht die Schulung der zwischenleiblichen Intuition und Wahrnehmung bei der Ausbildung von Psychotherapeut*innen und Psychiater*innen als Weg der Zukunft, weil sie eine erfahrungsbasierte, zwischenleibliche Diagnostik ermöglicht. Diese weitgehend auf der eigenleiblichen und zwischenleiblichen Resonanz abgestützte Diagnostik führt zu erstaunlich signifikanten prognostischen Einschätzungen (ebd., S. 65). Gerade im Kontext der evidenzbasierten Störungsdiagnostik in Psychiatrie und Psychotherapie kann die zwischenleibliche Diagnostik, als Ausgleichsinstrument und Ressource für eine erfolgreiche Behandlung dienen:

«Wenn es gelänge, Psychiatern und Psychotherapeuten eine verfeinerte Wahrnehmung ihrer eigenen zwischenleiblichen Reaktionen zu vermitteln, so könnten sie ihre leibliche Resonanz gewissermaßen als Seismograf nutzen. Sie wären damit in der Lage, intuitiv ungleich mehr von der Wirklichkeit des Patienten wahrzunehmen, als es auf der bewusst-verbalen Ebene möglich ist» (ebd.).

Diese erlebte und erfahrungsbasierte Fähigkeit zur zwischenleiblichen Diagnostik wird dann auch zum Kardinalsunterschied zu einem Therapieroboter, der diese – für die korrigierende Beziehungserfahrung der Patientin unverzichtbare – Gestaltung des sicheren und resonanten therapeutischen Raumes nicht leisten kann. Weil gerade dyadische Resonanzerfahrungen jedoch auf das Erleben und innerpsychische Prozessieren angewiesen sind, bleiben sie sprachlich nicht gänzlich objektivierbar. In diesem Sinne kann die Annäherung an eine substanzielle Definition von «Resonanz» nur phänomenologisch geschehen, sie bleibt damit notwendigerweise unabschliessbar, weil sie subjekt- und prozessbezogen zum Ausdruck kommt.

Der Aufbau einer therapeutischen Beziehung und wesentliche dynamische Prozesse in der therapeutischen Beziehung hängen davon ab, ob Resonanzerfahrungen gemacht und Resonanzbeziehungen zugelassen werden können. Wenn Altmeyer von Resonanz als Echo oder Widerhall spricht und Leuzinger-Bohleber am Bild des Klangkörpers der Stradivari auf die strukturellen psychischen Voraussetzungen von Resonanz Bezug nimmt, dann sind damit nach unserer Auffassung zwei wesentliche Facetten eines psychologischen Begriffs der Resonanz beleuchtet.

a) Resonanz bleibt ein zwischenmenschliches und damit wesentlich zwischenleibliches Phänomen, dass sich erleben und als Beziehungsmodus identifizieren, aber nicht inhaltlich substanziell definieren lässt. Allerdings ist es uns wichtig, hier – im Unterschied zu Altmeyer – Resonanz gerade nicht als Echobeziehung zu verstehen, sondern von dieser abzugrenzen und als Antwortbeziehung zu konzipieren. Während ein Echo nur einen mehr oder minder ‹mechanischen› Widerhall der eigenen Stimme meint, bedeutet Resonanz eine Entgegnung in verwandtem, aber differentem ‹Register› (vgl. dazu auch umfassend Waldenfels 2007). Auch Frick und Baer (2005) versuchen in diesem Sinne den Resonanzbegriff spezifisch für die Psychotherapie urbar zu machen. Mit der anfänglichen Setzung «Resonanz ist Therapie» beschreiben sie Resonanz als wechselseitige Beziehungsqualität, aber auch als spezifische Haltung der Therapeut*innen:

«Die spezifisch therapeutische Resonanz besteht darin mitzuschwingen, aber nicht nur. Therapeut*innen gehen in die Resonanz und schwingen mit, stehen aber auch gleichzeitig ‹ein bisschen daneben›. Das ‹Daneben› kann darin bestehen, dass sie gleichzeitig den Resonanzprozess reflektieren, aber auch, dass sie in der Lage sind, sich der Resonanz in bestimmten Momenten und Aspekten zu entziehen. Wenn Therapeut*innen nur mitschwingen, dann ist genauso Gefahr im Verzuge, wie wenn sie nicht mehr fähig sind mitzuschwingen. Die spezifische therapeutische Resonanz ist anstrengend, weil sie eine hohe Präsenz erfordert, und sie bedarf der ständigen Feinabstimmung» (ebd., S. 61).

Für eine genauere Beschreibung des spezifischen Konzepts der Resonanz in der Psychotherapie, wie Baer und Frick es entwickelt haben, sei an dieser Stelle auf die Literatur verwiesen.

b) Über die zwischenleibliche Komponente hinaus scheint die Erfahrung von Resonanz eine strukturelle innerpsychische Grundlage vorauszusetzen, einen Nährboden als substanzielle Voraussetzung für den Wachstumsprozess der «Psyche» und ihr Vertraut- und Gewandtwerden mit dem Spiel der Resonanz, das deutlich werden lässt und erfahrbar macht, dass Leben nicht nur überleben bedeutet, sondern nährende, anregende, irritierende und entwicklungsfördernde Beziehungsqualitäten bereithält. Die korrigierende Beziehungserfahrung in der Analyse zielt daher insbesondere auf die Entwicklung der Resonanzfähigkeit und des Resonanzvertrauens. Die Erfahrung und die damit verknüpfte Erwartung von Selbstwirksamkeit in der Auseinandersetzung mit Leben und Welt in allen ihren Facetten sind dabei von entscheidender Bedeutung. Selbstwirksamkeitserwartung ist dabei aber nicht einfach als Vertrauen in die Kontrolle und Verfügbarkeit von Interaktion und Umwelt zu verstehen, sondern als die Bereitschaft und Fähigkeit, sich auf ergebnisoffene Begegnungen einzulassen und dabei transformationswillig und -bereit zu sein. Damit einher geht die Vorstellung des*der Analytiker*in als Resonanzkörper, dessen Präsenz die Resonanzerfahrung des*der Analysanden*Analysandin im interpersonalen Feld der Beziehung aufnimmt, spiegelt und den Prozess in Bezug zu den eigenen Resonanzerfahrungen mitgestaltet und -strukturiert (Doering 2022, S. 85). Gemäss unserem Verständnis gehört zur kreativen Arbeit und Modulation von therapeutischer Resonanz auch das Nutzen von Resonanzressourcen in der Psychotherapie, die über Resonanz im engeren Sinne als Beziehungsmodus zwischen Therapeut*in und Analysand*in hinausgehen. Das Erleben der drei Resonanzachsen, die Rosa identifiziert, bietet teilbare (shared attention) Erfahrungen, die sowohl als Gesprächsgrundlage wie als Einstimmung in die Vorstellungswelt der Analysand*in (attunement) dienen können. Die Erfahrungen materialer Resonanz in der Umwelt, die Resonanzprozesse der Selbstachse und das Teilen des existenziellen, spirituellen Resonanzerlebens erweitern einen selbstwirksamen Zugang zur Welt. Das Interesse und sich Einlassen z. B. auf die inneren Bilder der Analysand*innen, das gemeinsame hermeneutische Sichten von symbolischem Material wie Träumen, das Anhören von Naturerlebnissen oder der respektvolle Umgang mit sinnstiftenden Ritualen oder Weltanschauungen der Analysand*innen erweitern das gemeinsame Resonanzfeld in der Psychotherapie.

So lassen sich Resonanzerfahrungen in der therapeutischen Beziehung vielleicht nicht gerade als Heilmittel anpreisen, zumindest jedoch als Motivationsanstoss und Hoffnungsträger für die erstrebte Veränderung innerseelischer struktureller Muster und Störungen verstehen. Das zunehmende, erst zaghafte Erleben von zwischenmenschlicher Resonanz in der therapeutischen Beziehung, das in der realen Interaktion zwischen Analytiker*in und Analysand*in wiederholt entgleitet und wieder eingeholt werden muss, ermöglicht die beziehungserhaltende Gewissheit von «rupture and repair», von Brüchen und Versöhnungen (ebd., S. 108) – eine Basiserfahrung psychischer Gesundheit. Resonanz ist in diesem Sinne mehr als ein momentanes Erleben. Wo sie zu einer auf Vertrauen und Offenheit basierenden psychischen Disposition wird, etabliert sie ein stabiles Erfahrungsgerüst, das es erlaubt, Erschütterungen und Brüchen zu trotzen oder sie zu überwinden.

Literatur

Altmeyer, M. (2016). Auf der Suche nach Resonanz: Wie sich das Seelenleben in der digitalen Moderne verändert. V&R.

Waldenfels, B. (2007). Antwortregister. Suhrkamp.

Baer, U. & Frick-Baer, G. (2005). Resonanz. In dies., Bausteine einer kreativen Sozio- und Psychotherapie. Ausgewählte Beiträge 1991–2005 (S. 36–64). Affenkönig.

Broschmann, D. & Fuchs, T. (2020). Zwischenleiblichkeit in der psychodynamischen Psychotherapie. Forum der Psychoanalyse, 36(4), 459–475. https://doi.org/10.1007/s00451-019-00350-z

Doering, S. (2022). Resonanz – Begegnung – Verstehen. Klett-Cotta.

Freud, S. (2000 [1912]). Ratschläge für den Arzt bei der psychoanalytischen Behandlung. Sonderausg. Fischer.

Fuchs, T. (2017). Das Gehirn – ein Beziehungsorgan: Eine phänomenologisch-ökologische Konzeption. 5 Aufl. Kohlhammer.

Fuchs, T. (2022). Zwischenleibliche Diagnostik. In C. Höfner & M. Hochgerner (Hg.), Psychotherapeutische Diagnostik: Kompendium für alle in Österreich anerkannten Therapieverfahren (S. 63–73). Springer.

Leuzinger-Bohleber, M. (2014). Den Körper in der Seele entdecken. Psyche, 68(9–10), 922–950.

Rosa, H. (2016). Resonanz. Eine Soziologie der Weltbeziehung. 4. Aufl. Suhrkamp.

Rosa, H. (2021). Best Account. Skizze einer systematischen Theorie der modernen Gesellschaft. In A. Reckwitz & H. Rosa (Hg.), Spätmoderne in der Krise. Was leistet die Gesellschaftstheorie? (S. 151–252). Suhrkamp.

Schore, A. N. (2003). Affect regulation & the repair of the self. W. W. Norton.

Resonance as a relationship mode in psychotherapy

Abstract: Starting from the widespread but inconsistent discourse on resonance in psychotherapy, various concepts of resonance are discussed. Resonance is understood as a mode of relationship that goes beyond the experience of resonance to also encompass the early development of resonance capacity influenced by intercorporeality. In addition, three additional «resonance axes» (material resonance axis, self-axis of resonance, existential resonance axis) are identified as resources in psychotherapy. Resonance is described as a dynamic, temporally transcendent relational process. Considering psychotherapy as a corrective relational experience, the conscious handling of therapeutic resonance plays a key role in overcoming mental disorders. Unconscious mechanisms such as transference and countertransference influence the experience of resonance. A supportive therapeutic relationship requires and benefits from interpersonal resonance experiences as catalysts for therapy motivation and as sources of hope for sustainable changes in inner psychic structure. Resonance in psychotherapy is thus more than a momentary experience; it also corresponds to a stable psychic disposition oriented toward trust and openness.

Keywords: Resonance, Psychotherapy, Social Philosophy, Modern Attachment theory

La risonanza come modalità di relazione in psicoterapia

Riassunto: Il termine risonanza è ampiamente utilizzato nel campo della psicoterapia e allo stesso tempo non è unitario. Partendo dalla discussione comparativa dei diversi usi, la risonanza viene intesa come una modalità di relazione. Oltre alle esperienze di risonanza, ciò presuppone anche lo sviluppo della capacità di risonanza nella prima infanzia, caratterizzata dall’intercorporeità. Inoltre, vengono individuati altri tre «assi di risonanza» (asse di risonanza materiale, asse di risonanza del sé, asse di risonanza esistenziale), che vengono ponderati come risorsa per la psicoterapia. La risonanza è descritta come un processo di relazione dinamica che si estende nel tempo. Se la psicoterapia è intesa come un’esperienza relazionale correttiva, la gestione consapevole della risonanza terapeutica gioca un ruolo chiave nel superamento di disturbi psichici. Meccanismi inconsci come il transfert e il controtransfert influenzano l’esperienza della risonanza. Una relazione terapeutica sostenibile presuppone esperienze di risonanza interpersonale e ne beneficia come catalizzatori della motivazione alla terapia e come fonte di speranza per cambiamenti duraturi della struttura emotiva interna. Conseguentemente, la risonanza in psicoterapia non è solo un’esperienza momentanea, ma corrisponde anche a una disposizione psichica stabile, orientata alla fiducia e all’apertura.

Parole chiave: risonanza, psicoterapia, filosofia sociale, teoria moderna dell’attaccamento

Biografische Notiz

Dr. phil. Anita Horn ist Sozialphilosophin und eidgenössisch anerkannte Psychotherapeutin für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Supervisorin und Lehranalytikerin am C. G. Jung-Institut.

Prof. Dr. Hartmut Rosa ist Professor für Allgemeine und Theoretische Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena sowie Direktor des Max-Weber-Kollegs in Erfurt.

Kontakt

Anita Horn c/o Hartmut Rosa
Laurenzenvorstadt 77 5000 Aarau
anita.horn@asp-hin.ch

hartmut.rosa@uni-jena.de