Buchbesprechung

Kriz, J. (2023).
Humanistische Psychotherapie. Grundlagen – Richtungen – Evidenz
Kohlhammer, 203 S., 49.90 CHF, 34,00 EUR ISBN: 978-3-17-036563-6

Psychotherapie-Wissenschaft 13 (1) 2023 97–98

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CC BY-NC-ND

https://doi.org/10.30820/1664-9583-2023-1-97

Jürgen Kriz legt mit diesem Buch einen überfälligen und wichtigen Beitrag zur Etablierung der Humanistischen Psychotherapie (HPT) als einer der vier Grundorientierungen der Psychotherapie vor. Hintergrund ist die Kritik des deutschen Wissenschaftlichen Beirats Psychotherapie (WBR) in seinem Gutachten von 2018 an der HPT, dass sie gar kein einheitliches Verfahren sei und ausserdem die einzelnen Richtungen der HPT keine ausreichende Forschung nachweisen könnten.

Überzeugend zeigt Kriz im vorliegenden Buch auf, was für gemeinsame Wurzeln die HPT und deren Ansätze haben. Er beschreibt die zur HPT zu zählenden psychotherapeutischen Ansätze und diskutiert die Forschungslage. So ist das Buch in drei Teile gegliedert.

Zuerst werden die allgemeinen Grundlagen dargelegt: phänomenologische Grundhaltung/Menschenbild, Definition, historische Entwicklung und Positionierung der HPT. Danach werden die konzeptionellen Wurzeln beschrieben: Gestaltpsychologie, (Selbst-)Aktualisierungstendenz, Begegnung und Szene, Mensch als Subjekt, therapeutische Beziehung. So wie die Verhaltenstherapie (VT) und die anderen zwei Grundorientierungen der Psychotherapie kein einheitliches Lehrgebäude aufweisen, sondern sich historisch in viele verschiedene Ansätze gegliedert haben, beziehen sie sich doch alle auf einige Grundprinzipen ihrer Grundorientierung. So auch die verschiedenen Ansätze der HPT. Es gelingt Kriz, dies in gebotener Kürze anschaulich darzulegen und so der Kritik des WBR fundiert zu entgegnen.

Zu den Ansätzen innerhalb der HPT gehören: Personzentrierte Psychotherapie, Focusing, Emotionsfokussierte Therapie, Gestalttherapie, Psychodrama, Transaktionsanalyse, Existenzanalyse/Logotherapie, Körperpsychotherapie wie auch weitere konzeptuelle Perspektiven. Der Autor skizziert diese Ansätze in ihren wesentlichen Zügen und zeigt deren Bezüge zur Grundorientierung der HPT auf. Mit der Metapher eines Baumes zeigt er, wie viele verschiedene Zweige aus der HPT hervorgegangen sind, die aber einen Baum bilden und einen gemeinsamen Stamm und gemeinsame Wurzeln haben.

Im dritten Teil des Buches setzt er sich mit der Forschung auseinander und kritisiert das immer noch vorherrschende Primat der Randomisierten kontrollierten Studie (RCT) als Goldstandard eines Wirksamkeitsnachweises. Diese Forschungsmethodik mag in der Pharmaforschung geeignet sein, passt aber in keiner Weise zum Menschenbild und relationalen Therapieprozessverständnis der HPT. Es kann deshalb nicht erstaunen, dass die Ansätze der HPT weniger RCTs vorzuweisen haben, da diese Forschungsmethodik der HPT schlicht nicht gerecht wird.

RCTs bevorzugt die VT, zu der dieses Forschungsdesign noch am ehesten passt. Die Logik der RCT-Forschung schliesst das Subjekt aus und ist deshalb nicht geeignet, intersubjektive Prozesse zu beforschen. Kriz zeigt dies vorerst anhand einer Unterscheidung zwischen behavioraler und humanistischer Forschungslogik auf und nimmt dann die experimentelle Logik für die Psychotherapieforschung auf den Prüfstand.

Zum Schluss diskutiert und kritisiert er die deutsche Sonderstellung der HPT. In anderen Ländern und in internationalen Lehrbüchern gilt die HPT als anerkannte vierte Grundorientierung, nur in Deutschland nicht, weil im WBR ausschliesslich Expert*innen der beiden vorherrschenden Grundorientierungen darüber entscheiden, welche Forschungsmethodik für die anderen Verfahren anzuwenden sei, um als wissenschaftlich begründet zu gelten. Dabei gibt es eine ganze Menge evidenzbasierter Erkenntnisse und Belege für die Wirksamkeit der HPT, wenn man ein breiteres Spektrum der wissenschaftlichen Forschungsmethodik zulässt.

Peter Schulthess