Buchbesprechung

Spangenberg, E. (2023).
Dem Leben wieder trauen. Traumaheilung nach sexueller Gewalt
Patmos, 216 S., 29.90 CHF, 18.00 EUR ISBN: 978-3-8436-1455-9

Psychotherapie-Wissenschaft 13 (1) 2023 96–97

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CC BY-NC-ND

https://doi.org/10.30820/1664-9583-2023-1-96

Dieses Buch von Ellen Spangenberg richtet sich an betroffene Frauen zur Selbsthilfe. Es will verständlich machen, was ein Trauma ist und wie man damit umgehen kann. Es erscheint nun in siebter überarbeiteter Auflage und ist erstmals 2008 erschienen. Einleitend stellt die Autorin fest, dass dieses Buch keine Psychotherapie ersetzen kann, sich als Selbsthilfebuch aber dafür eignet, als eine Art Begleitbuch zu einer Psychotherapie genutzt zu werden. Es kann zu einer Psychotherapie motivieren und helfen, den Alltag leichter zu bewältigen, die Erfahrungen aus der Psychotherapie noch besser zu begreifen und Heilsames zu vertiefen. In einem ersten Teil werden gut verständliche Ausführungen zum Thema «Trauma und Traumatherapie» gegeben, gefolgt von einem zweiten Teil «Trauma und Selbsthilfe», in dem vor allem praktische Hinweise folgen. Die Autorin geht auf den Sinn und die Funktion einzelner Symptome ein und beschreibt geeignete Selbsthilfemöglichkeiten und Übungen. Dabei eignet sich das Kapitel «Heilsamer Umgang mit Symptomen» als eine Art Nachschlagewerk.

Im ersten Teil erläutert die Autorin, was ein Trauma ist, wie eine Traumatisierung entsteht und wie sich diese auf Körper und Seele auswirken. Danach geht sie spezifischer auf Traumatisierungen durch sexualisierte Gewalt gegen Frauen ein. In einem Exkurs widmet sie sich der Rechtslage und -entwicklung der letzten Jahre.

Zentral sind ihre Ausführungen, wie sich die erfahrene Gewalt im Gehirn eingräbt. Sie erläutert den Begriff des «Traumagedächtnisses» und wie es zu Flashbacks kommen kann. Dissoziation beschreibt sie als übliche Bewältigungsstrategie traumatisierender Erfahrungen. Körperliche Schmerzen, Symptome und Erkrankungen als Traumafolge werden ebenso erörtert. Die psychischen Folgen wie Schlafstörungen, Ängste, Depression, Schuld- und Schamgefühle, Suchtverhalten und Essstörungen, aber auch Suizidalität und die Auswirkungen auf soziale Beziehungen und Arbeitsfähigkeit werden anschaulich und verständlich dargestellt. Es folgen Ausführungen zu verschiedenen psychiatrischen Diagnosen, die als Folgereaktionen verstanden werden können.

Den Schlusspunkt des ersten Teils bildet das Kapitel «Traumatherapie – Heilung ist möglich». Hierin schildert Spangenberg die verschiedenen Phasen der traumatherapeutischen Bearbeitung, um die Motivation zu einer Psychotherapie zu fördern. Die Lesenden erhalten ein anschauliches Bild, wie eine Therapie abläuft und was dort geschieht. Hilfreiche Übungen und Fallbeispiele dienen zur Illustration.

Im Sinne eines Selbsthilfebuchs ist der zweite Teil besonders hilfreich gestaltet. Er gibt eine Fülle von Tipps, Hinweisen und Übungen, wiederum illustriert mit Fallbeispielen. Die Übungen zielen allesamt auf den Umgang mit den Symptomen ab: Schlafstörungen, Ängste, Panik, Phobien, Selbstberuhigung, Depression, Schuld- und Schamgefühle abbauen, Wut nicht mehr nach innen richten, Beziehungen verbessern, Suchtverhalten in den Griff bekommen, Essstörungen abbauen, mit körperlichen Schmerzen umgehen und weitere.

Das Buch schliesst mit Ausführungen zum Umgang mit suizidalen Krisen und ermuntert dazu, gegebenenfalls auch die Hilfe einer psychiatrischen Klinik in Anspruch zu nehmen oder Beratungsstellen, die niederschwelliger erreichbar sind als Psychotherapieplätze. Die Pflege von Freundschaften und eines liebevollen Umfelds wie auch die Verbundenheit mit der Natur und Spiritualität nennt die Autorin als Ressourcen.

Das Buch ist nicht nur wertvoll für Betroffene, es ist auch für praktizierende PsychotherapeutInnen sehr nützlich.

Peter Schulthess