Eine psychodynamische Perspektive
Anja Schnurr & Christine Bauriedl-Schmidt
Psychotherapie-Wissenschaft 12 (2) 2022 45–51
www.psychotherapie-wissenschaft.info
https://doi.org/10.30820/1664-9583-2022-2-45
Zusammenfassung: Die Klimakrise fordert die Menschheit heraus, die eigenen Lebenspraktiken vor dem Hintergrund von Klimaschutz und «Klimagerechtigkeit» radikal zu überdenken und zu transformieren. In diesem Artikel wird der Wert der psychodynamischen Perspektive für die erforderliche Transformation verdeutlicht. Angesichts der Klimakrise können verschiedenste Gefühle wie Angst, Trauer, Scham, Schuld, Neid und Ärger entstehen sowie innere Bedürfnisse und Wünsche miteinander in Konflikt geraten. Um die zumeist unangenehmen Gefühle und inneren Konflikte nicht fühlen und verdauen zu müssen, werden sie mithilfe von Abwehrmechanismen wie bspw. Verleugnung, Spaltung, Affektisolierung und Sublimierung ins Unbewusste verschoben. Da Abwehr nicht nur auf individueller Ebene stattfindet, ist auch die gesamtgesellschaftliche Perspektive bedeutsam. Als ethischer Rahmen für die Überwindung der Abwehr und gelingende Veränderung kann aus sozialpsychologisch erweiterten psychodynamischen Konzepten die Forderung nach einer Kultur der Fürsorge (Weintrobe) und Verantwortungsübernahme im Sinne des «Hüters des Anderen» (Orange) abgeleitet werden. Auf dieser Grundlage können Liebe, Gemeinschaftsgefühl, Klimakommunikation, Fokussierung auf Gewinne und ein gewährendes Überich hilfreich sein, um eine Brücke von der moralischen inneren Einstellung hin zu konkordantem, klimagerechtem Handeln zu bauen. Dabei kann die (psychodynamische) Psychotherapie einen zentralen Beitrag leisten.
Schlüsselwörter: Klimakrise, Psychodynamische Psychotherapie, Klimagefühle, Abwehr, Pathologien des Sozialen
Die Klimakrise ist vom Menschen gemacht. Der Wandel des Klimas, das Erschöpfen der Ressourcen von Land und Ozeanen, Artensterben und menschliches Massensterben sind Symptome dieses zerstörerischen Prozesses. Die Veränderungen stehen in komplexen Zusammenhängen, sie sind exponentiell, können unwiderrufliche Kippunkte erreichen und betreffen alle (Rockström et al., 2009; Hoggett, 2019; Neubauer & Ulrich, 2021). Der Begriff Klimakrise ist – übereinstimmend mit der aktuellen Literatur – in Abgrenzung zum Begriff des Klimawandels bewusst gewählt, um die Dramatik der Situation und die dadurch erforderliche Dringlichkeit zum Handeln zu verdeutlichen. Auch wenn in diesem Artikel und in der aktuellen Forschung die Klimakrise im Besonderen adressiert wird, sind jegliche Formen der Umweltzerstörung und deren Wechselwirkungen in einem komplexen, eng verwobenen Ökosystem mitzudenken. Letztlich ist eine Veränderung hin zu einem Lebensstil, der unsere Natur in ihrer Artenvielfalt und Fülle erhält und unser Klima schützt (was in der aktuellen Zeit bedeutet, die 1,5°C-Grenze nicht zu überschreiten) adressiert. Wir verstehen diesen Artikel als Anregung, die Thematik der Klimakrise und die eigene Rolle in deren Kontext – als Privatperson, als Psychotherapeut:in oder Psychologe:in, als Teil der Gesellschaft mit zahlreichen Verbindungen zu anderen und damit mit grossem Einfluss – mithilfe einer psychodynamischen Perspektive zu reflektieren. Moralisierung und Individualisierung begleiten häufig das Thema. Uns scheint bedeutsam, dass eine individuelle Verantwortungsübernahme immer mit Veränderungen des gesellschaftlichen Rahmens, politischer Entscheidungen und wirtschaftlichen Handelns einhergehen muss.
Der Begriff der Klimagefühle verweist darauf, dass Menschen auf die ökologischen Veränderungen im Angesicht der Klimakrise emotional reagieren und dadurch registrieren, dass etwas nicht in Ordnung ist. Dabei können zahlreiche Gefühle angesprochen sein. Pihkala (2022) klassifizierte die in der Forschung adressierten verschiedenen Emotionen in einer Taxonomie. Dabei unterschied er die in der Tabelle aufgelisteten Kategorien.
Emotionen verbunden mit … |
einschliesslich: |
Überraschung |
Enttäuschung, Verwirrung, Schock, Trauma |
Bedrohung |
Angst, Hilflosigkeit, Überforderung |
Traurigkeit |
Trauer, Solastalgie, Sehnsucht, Einsamkeit |
starker Angst und Depression |
Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit, Taubheit |
Schuld und Scham |
Unzulänglichkeit, Reue, Verlegenheit |
Entrüstung und Abscheu |
Empörung, betrogen fühlen |
Ärger |
Wut, Zorn, Frustration |
Feindseligkeit |
Verachtung, Unzufriedenheit, Abneigung |
Neid |
Eifersucht, Bewunderung |
Positive Emotionen |
Hoffnung, Motivation, Verbundenheit |
In den vergangenen Jahren hat die Erforschung von klimabezogenen Gefühlen massiv zugenommen. Dabei wurde ihr Einfluss auf Reaktionen und Verhalten in der Klimakrise, Gesundheit und psychisches Wohlbefinden sowie moralische Fragen gezeigt (ebd.). Gleichzeitig machen sowohl die Taxonomie als auch die Schaffung von Neologismen (z. B. Solastalgie als Vereinigung von Nostalgie, Verwüstung [engl. desolation] und Sehnsucht nach Trost [engl. solace]) deutlich, welche Herausforderung die Erforschung und Verwörterung klimabezogener Emotionen bedeutet. Die Mehrheit der Studien zu Klimaemotionen hat gemein, dass sie – zumeist mithilfe von Fragebögen – nur bewusst wahrnehmbare Emotionen erfassen. Auch Pihkala (ebd.) problematisiert, in der Betrachtung verschiedener Erschwernisse seines Reviews, dass Klimaemotionen häufig unbewusst bleiben und damit schwer zu erfassen sind. Folglich ist die psychodynamische Perspektive mit dem Gegenstand des Unbewussten von Bedeutung. Psychodynamische Literatur beleuchtet ebenfalls verschiedene klimabezogene Emotionen.
Während die Psychoanalytikerin Donna Orange (2017) Scham und Neid in das Zentrum ihrer Ausführungen rückt, sieht Sally Weintrobe (2013) Angst als zentrale Emotion, die den Umgang mit der Klimakrise erschwert. Psychoanalytisch betrachtet sie Angst als Folge grundsätzlich in Konflikt stehender verschiedener Anteile in uns selbst. In Bezugnahme auf die Melanie Klein unterscheidet sie den unreifen narzisstischen Anteil des Selbst mit Angst vor der Realität, die den eigenen Wert und Wünsche bedrohen kann (paranoid-schizoide Angst), von dem realistischen Anteil des Selbst mit der Angst, dass der narzisstische Anteil Schaden angerichtet hat (depressive Angst). Im Hinblick auf die Klimakrise gebe es reale depressive Ängste durch eine bedrohte Biosphäre, von der wir abhängen, durch Verlust einer guten Zukunft, durch fehlenden Schutz seitens der untätigen politischen Führung sowie durch die Zerstörungskraft der arroganten Seite der menschlichen Natur und paranoid-schizoide Ängste um den Verlust von Materiellem und Status. Renee Lertzman (2013, 2015) beschreibt Verlust, Trauer und Trauma im Zusammenhang mit der Klimakrise als bedeutsam. Sie kritisiert die These, dass angesichts der Klimakrise Apathie entstehe. Anhand einer eigenen Studie identifiziert sie lähmende (über-)mächtige innere Konflikte und Gefühle, die häufig als Apathie fehlinterpretiert würden. Bedeutsam scheint folglich, einen gesellschaftlichen Raum zu schaffen, in dem Bewusstwerdung und Verarbeitung von Ambivalenzen, Widersprüchen, Verlust und Trauer möglich werden. Die Bewusstwerdung und Auseinandersetzung mit ökologischer Schuld vergleicht Rosemary Randall (2013) mit der Entwicklung der Hauptfigur Pip im Roman Grosse Erwartungen von Charles Dickens. Pip erkennt letzten Endes die wirklichen Quellen seines Wohlstandes und erlebt seine damit verbundene Schuld. Dies ermöglicht ihm, seine überhöhten Erwartungen aufzulösen und sich mit seinen geliebten Menschen zu versöhnen. So müssten laut Randall auch wir Menschen der nördlichen Hemisphäre unsere Ansprüche und Allmachtsfantasien auflösen.
Im Bewusstsein von Gefühlen finden Denken und Reflexion ein Objekt, sodass über das affektiv Erlebte nachgedacht wird (Fonagy & Target, 2002; Andrews & Hoggett, 2019). Klimagefühle werden unter Umständen nicht erkannt, wenn sie sich nur körperlich zeigen und nicht mit den klimatischen Veränderungen (z. B. zunehmende Hitze, Trockenheit, Regen) in Verbindung gebracht werden können und unbewusst bleiben (Andrews & Hoggett, 2019). Unser psychischer Apparat (S. Freud, 1900) hat das Vermögen, Gefühle dynamisch unbewusst zu machen, wenn sie als unpassend oder unangenehm erlebt werden. Sowohl der Prozess als auch die Gefühle sind dem Bewusstsein entzogen, sodass sie dem Subjekt nicht mehr als Ausgangsquelle für Emanzipation und kritische Reflexion zur Verfügung stehen. Zwei Grundannahmen des Subjekts werden durch die Zerstörung der Erde unterbrochen: a) als Mensch Herr über die Natur zu sein und b) dass die Erde gefühlt für immer bewohnbar bleibt. Damit wird das Erleben von Sicherheit und Selbstwert genauso bedroht wie das Vertrauen des Menschen in seine Selbstwirksamkeit, die Stabilität seiner eigenen Identität und in die internalisierten Erwartungen an eine wünschenswerte Zukunft (Andrews & Hoggett, 2019). Die Gefühle von Angst, Trauer über Verlust, Schuld, Scham, Verzweiflung mobilisieren auf individueller und gesellschaftlicher Ebene Abwehr und unterminieren so die menschliche Kapazität, sich des notwendigen Themas anzunehmen und sich damit angemessen lösungsorientiert auseinanderzusetzen (Hoggett, 2019).
Im Kontext der Klimakrise hat der Aspekt der Verleugnung grosse Beachtung in der Literatur gefunden (z. B. Norgaard, 2011, 2019; Hoggett, 2013; Weintrobe, 2013; Haseley, 2019; Wullenkord, 2021). Verleugnung wird dabei sowohl im Kontext der gesellschaftlich bedingenden Faktoren betrachtet als auch im engeren Sinne als innerpsychischer Abwehrmechanismus. Weintrobe (2013) unterscheidet zwei Formen der Verleugnung. Die reifere Form Negation komme bspw. im Trauerprozess vor und sei ein Schritt auf dem Weg zur Realisierung. Leugnung (Disavowal) hingegen verhindere Trauer und gehe mit Spaltung einher. Letztere erfolge im Kontext paranoid-schizoider Angst durch den narzisstischen Selbstanteil. Eine deutliche Mehrheit der Weltbevölkerung erkennt jedoch den anthropogenen Klimawandel an (Inhoffen, 2019). Die Zahl der Menschen, die eine Veränderung des Klimas im Allgemeinen oder zumindest den Einfluss des Menschen darauf leugnen, liegt zwischen 2 % (Taiwan) und 16 % (USA). Dennoch scheint die Anerkennung der Klimakrise nicht zu ausreichend aktivem Handeln für den Erhalt der Erde zu motivieren. Im Folgenden werden deshalb drei weitere Abwehrmechanismen unterschiedlicher Reifegrade im Kontext der Klimakrise erläutert.
Spaltung ist ein unreifer Abwehrmechanismus tritt also häufig bei einem gering integrierten Strukturniveau (geringe Ich-Fähigkeiten in Wahrnehmung, Steuerung, Bindung und Kommunikation) auf. Spaltung bedeutet, dass eine Person Widersprüchliches nicht in sich integrieren kann. So werden Kategorien von «gut» und «böse» gebildet, in denen das Selbst, andere Personen und die Welt gesehen werden. Spaltung kommt in Aussagen zum Tragen wie: «Wir Europäer:innen sind die Guten, wir machen ja schon so viel für den Umweltschutz, während China der wahre Übeltäter ist, das sieht man doch sofort an deren Smog.» Es wird deutlich, dass Spaltung mithilfe der Entwertung ein vermeintlich «Schlechtes» von einem anderen «Guten» trennt und dabei verhindert, dass emotional miteinander unvereinbare Inhalte zusammentreffen. Es entstehen Fronten, die sich durch identitätsstiftende Kämpfe verhärten. Spaltung suggeriert vermeintlich einfache Lösungen, indem sie Komplexität, Widersprüchlichkeit, Ambivalenz und Konflikthaftigkeit der Realität ausblendet. Dies hilft dabei, das gute Selbst, eine andere wichtige Person oder Gruppe aufrechtzuerhalten oder zu idealisieren, bedeutet jedoch den Verlust einer ganzheitlichen, kohärenten Perspektive auf das Selbst und die Welt. Affektisolierung ist ein reiferer Abwehrmechanismus und wird einem mässig bis gut integrierten Strukturniveau zugeordnet. In der Auseinandersetzung mit der Klimakrise kommt es häufig vor, dass die negativen Auswirkungen zwar benannt werden, jedoch die dazugehörigen Gefühle keinen Ausdruck finden: «Die Menschheit ist dem Untergang geweiht, aber das ist ja schon lange klar, ist eben so.» In einer nüchternen Sachlichkeit, wird das Selbst vor bedrohlichen, belastenden Gefühlen geschützt. Problematisch dabei ist, dass die Isolierung der Gefühle nicht vor deren Vorhandensein und innerem, unbewussten Wirken schützt. Als funktionaler Abwehrmechanismus wird die Sublimierung gesehen. Dabei werden Gefühle und Wünsche in funktionalen, sozial anerkannten Wegen kanalisiert. Im Kontext der Klimakrise können wissenschaftliche Forschung, Klimaaktivismus oder auch Kunst, Musik und Literatur, die sich dem Thema der Klimakrise annehmen, als Beispiel gesehen werden. So könnte man auch das Verfassen dieses Beitrages als Sublimierung betrachten.
Alle benannten Beispiele haben gemein, dass sie eine Kompromisslösung unserer Psyche darstellen. Abwehrmechanismen dienen dem Selbst, indem sie es vor bedrohlichen, schwer aushaltbaren Gefühlen oder konflikthaften Inhalten schützen. Somit hat Abwehr eine wichtige Bedeutung für die menschliche Psyche. Sie kann funktional sein und somit als wichtige Leistung des Ichs gesehen werden (vgl. A. Freud, 1999). Allerdings wird dabei die innerpsychische Spannung nicht aufgehoben, sondern ins Unbewusste verschoben. Damit einhergehend verlieren wir die Möglichkeit, die Signalfunktion der Gefühle zu nutzen. Das bedeutet im Kontext der Klimakrise, dass die Tragweite ihrer Auswirkungen nicht wahrgenommen werden kann, was ein Verharren in der Untätigkeit bedingt. Uns ist wichtig zu betonen, dass die Erläuterung der Beispiele auf individueller Ebene nicht als Ausdruck einer Pathologisierung oder Verantwortungsdelegation auf Individuen zu verstehen ist. Sie sollen Abwehrprozesse im Kontext der Klimakrise greifbarer machen und dabei möglicherweise bei der Selbstreflexion des eigenen Umgangs mit der Klimakrise unterstützen. Wie bereits angeklungen, sind Abwehrprozesse jedoch nicht auf das Individuum begrenzt, sondern finden auch auf gesellschaftlicher Ebene statt, wie nachfolgend dargelegt.
Basierend auf der von Marxismus und Psychoanalyse geprägten Frankfurter Schule hat Axel Honneth (2004) den Begriff der Pathologien des Sozialen beschrieben. Gemeint ist damit die systematische Einschränkung, ein gelingendes Leben gemäss den Kriterien von Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit führen zu können. Die Einschränkung bezieht sich auf Gruppen, die anhand demografischer Variablen (z. B. Rasse, Geschlecht) definiert sind. Dabei geht es um den Erhalt von Macht- und Herrschaftsverhältnissen, die in Produktionsverhältnissen gründen und – gehalten durch gesellschaftliche Institutionen – reproduziert werden. Die Verhältnisse werden gesellschaftlich unbewusst gemacht, anstatt reflektiert und in den lösungsorientierten Diskurs aufgenommen zu werden. Im Kontext der Klimakrise sind soziale Pathologien in der Verschleierung sowohl der Verantwortungsdelegation von globalen Grosskonzernen auf das Individuum als auch der Externalisierung negativer Folgen des Lebensstils privilegierter Menschen auf benachteiligte Menschen zu sehen. Ein Mangel an Reflexion zeigt sich auch an der spaltenden Verwendung des Freiheitsbegriffs, bspw. wenn der Ökologiebewegung vorgeworfen wird, die Freiheit des Individuums einschränken zu wollen. In der Klimakrise (wie auch bei der Coronakrise) werden ein individualisierender und ein kooperativer Freiheitsbegriff als unvereinbar gegenübergestellt. Ein aus den Grundrechten abgeleiteter Freiheitsbegriff, der seinen Ausgang in der Evaluation der Freiheit des:der Schwächsten einer Grundgesamtheit nimmt, steht dann einem Freiheitsbegriff gegenüber, der sich aus dem Gewohnheitsrecht von Privilegierten ableiten lässt (Neubauer & Ulrich, 2021).
Zeitgenössische Psychoanalytiker:innen entwickelten Konzepte, die auf individualpsychologischen Begriffen beruhend sozialpsychologisch erweitert wurden und die Klimakrise als Pathologie des Sozialen beschreiben. Weintrobe (2013, 2021) stellt die Fürsorge bzw. die Sorglosigkeit in den Fokus einer kritischen Betrachtungsweise von Kapitalismus, Neoliberalismus und deren selbstzerstörerischen Wachstums- bzw. Fortschrittsbegriff. Sie skizziert eine «Culture of Uncare», die durch instrumentelle Vernunft mit kapitalistischen Werten, konsumistischem Lebensstil und omnipotentem Triumph über die Realität gekennzeichnet ist. In den sogenannten «Wegwerfgesellschaften», durchdringe die «Culture of Uncare» Politik, Kultur und das Individuum. Anzeichen dieses kollektiv geteilten Lebensstils seien Exzeptionalismus, Verleugnung und Isolationismus. Die eigene Person oder die eigene Gruppe werde idealisiert und daraus werde – ohne moralische Hemmung – das Anrecht auf Ausnahmen abgeleitet. Durch Leugnung solle Beunruhigendes unwichtig gemacht werden, bspw. durch Isolation von Sachverhalten, sodass der gemeinsame Grund unbewusst gemacht wird. So werde die gemeinsame Wurzel von aktuellen Krisen (Krieg, Pandemie, Umweltkrise, Hungersnöte) dethematisiert. Für Orange (2017) steht der Begriff der Klima(un)gerechtigkeit im Fokus, den sie mit einem historischen Unbewussten in Verbindung bringt, d. h. mit den in der Geschichte auffindbaren Spuren sozialer Ungerechtigkeit. Damit betrachtet sie die Klimakrise als unbewusste Wiederholung und Fortsetzung von systematischer, kollektiv ausgeübter Grausamkeit, wie Kolonialisierung, Sklaverei und Rassismus. Im Rückgriff auf den französischen Philosophen Emmanuel Lévinas fokussiert sie auf die Verantwortung für den:die Andere:n («Hüter des Anderen»), um eine ethische Forderung des Erkennens und Anerkennens des Leids des:der Anderen abzuleiten. Erst das Erleben von Scham transzendiere das Bedürfnis des (privilegierten) Subjekts nach Komfort, indem sein spirituelles Bedürfnis nach Sinn gestillt wird.
Nachdem wir individuelle und gesellschaftliche Abwehr von Klimagefühlen und Verantwortung für den Anderen ins Bewusstsein geholt haben, wenden wir uns nun der Notwendigkeit zum Handeln zu.
Viele Menschen leben so, als gäbe es die Klimakrise nicht (Weintrobe, 2013). Die Fridays for Future-Bewegung als eine Bewegung der jungen Generation macht darauf aufmerksam, indem sie die älteren Generationen mit ihrer generationalen Verantwortung sowie der Dringlichkeit von wirksamer Handlung konfrontiert. Damit werden sie zum Sprachrohr einer Generation, wie die weltweit durchgeführte Lancet-Studie (Hickman et al., 2021) zeigt. Diese bringt zutage, wie sehr es junge Menschen (weltweit) belastet, sich mit der Klimakrise auseinanderzusetzen und sich dabei von den Erwachsenen und der Politik allein gelassen zu fühlen.
Angesichts der unzureichenden Reaktionen von Gesellschaft, Politik und Wirtschaft kann sich eine Mischung unterschiedlichster Klimagefühle auch auf ein klima-reflektierendes Subjekt lähmend auswirken («tragische Position», Brenman-Pick, zit.n. Weintrobe, 2022). Immer wieder wird von der sogenannten Lücke zwischen Denken und Handeln (engl. value-action-gap) gesprochen, die daraus resultiert, dass Menschen das eine sagen und das andere leben. Die Betrachtungen zur Abwehr machen deutlich, dass anstatt einer «Lücke» vielmehr an einen unbewussten Raum zu denken ist, in dem unangenehme, miteinander in konfliktstehende Gefühle und Bedürfnisse wirken und (über-)fordern (vgl. Lertzman, 2013). Wir möchten einige Facetten beleuchten, die in diesem Raum eine Brücke hin zu konkordantem Handeln bauen könnten.
a) Handeln mit heilsamer Wirkung: In der Psychotherapie ist die «therapeutische Liebe» ein wesentlicher Faktor für Heilung. Damit wird Bezug genommen auf einen psychodynamisch-entwicklungspsychologischen intersubjektiven Begriff von Liebe, der sich auf wechselseitige Abstimmprozesse bezieht, in denen starke, ambivalente Gefühle einen Halt finden und reguliert werden können. In Krisen kann die Fähigkeit zur Liebe in Gefahr kommen. Weintrobe (2022) nennt Voraussetzungen, unter denen sie weiterhin eine heilsame Wirkung ausüben kann: 1. Liebe muss das Recht haben, Bedingungen zu fordern, die das Leben unterstützen. 2. Sie muss Macht und Mittel haben, um sich angesichts der Destruktion behaupten zu können. 3. Sie muss anerkennen, dass die Destruktivität Teil des Selbst und des Wir der Gruppe ist. Dann kann Liebe solidarisches Handeln unterstützen, das auf Wechselseitigkeit beruht, Verantwortung übernimmt, Wiedergutmachung und Versöhnung fördert.
b) Gemeinsames (kommunikatives) Handeln: Angesichts der Grösse der Klimakrise mag sich ein Individuum nicht hinreichend handlungswirksam erleben, doch eine Gruppe kann gemeinsam die bewusst gewordenen Klimagefühle transformieren und dadurch wirkmächtig werden. Durch das gemeinsame Nachdenken entsteht ein kommunikativer, an Raum und Zeit gebundener Prozess, durch den Symbole gebildet werden können als Grundlage für Veränderung. Das explorierende Denken kann bspw. in einem Klimaarbeitskreis psychologisch orientierter Kolleg:innen stattfinden.
Einen wichtigen Ansatz zum verstehenden Verarbeiten aktueller Krisen stellt das analytische Grossgruppenformat (DeMare, zit.n. Potthoff, 2017) dar, bei dem eine Gruppe und deren Teilnehmer:innen in Anwesenheit eines:einer Leiters:in (engl. convenor) durch das Äussern von Fantasien, Träumen, Einfällen vom Chaos zu Ordnung, d. h. zu mehr Bewusstsein, gelangen können. Dieses Format wird in sozial verursachten Krisen begleitend eingesetzt, wie bspw. aktuell die weltweite «EFPP Large Group in Times of War, Fear & Hope». In einer existenziell bedrohlichen Situation wie der Klimakrise können in der Grossgruppe gesellschaftlich wirksame Ängste und Spaltungstendenzen wie unter einer Lupe betrachtet werden. Hier kann der:die Einzelne Mut und Zivilcourage trainieren, indem die eigene Stimme in der Gruppe hörbar wird und sich vielleicht sogar gegen die Mehrheitsmeinung abhebt (vgl. Friedman, 2018).
c) Klimakommunikation: Kommunikation über die Klimakrise verursacht unmittelbar Unbehagen, konfrontiert mit Angst und Unsicherheit (Randall, 2019). Wie also die Zuhörer gewinnen für schwierige Wahrheiten, wenn Fakteninformationen vor diesem negativen Gefühlshintergrund nicht aufgenommen, sondern abgewehrt werden? Angesichts der Bedrohlichkeit der Klimakrise sind Einfühlung und gleichermassen eine feste Haltung die Grundvoraussetzungen. Dann kann eine emotionale Verbindung zwischen den Beteiligten entstehen, sodass neben bedrohlichen Informationen auch Positives und Hoffnung vermittelt werden kann. Zusammengefasst kommt es bei der Klimakommunikation darauf an, die Realität der Katastrophe so zu vermitteln, dass durch die Kommunikation Handlungswirksamkeit erreicht wird. Dazu ist es notwendig, sich mit den Zielen und Werten der Adressat:innen auseinandergesetzt zu haben und Werte mit Relevanz für die Adressat:innen anzusprechen. Wenn das Narrativ eine klare Forderung, eine Botschaft enthält, was auf Ebene des:der Einzelnen oder des Kollektivs verändert werden sollte, dann kann sich Zuversicht entwickeln. Besonders bedeutsam ist, auch politische Entscheider:innen zu erreichen, um Handlungswissen zu vermitteln (ebd.).
d) Gewinn und Resonanz: Sigmund Freud (1920) konzipierte ein Ich, das im Balanceakt steht zwischen einem auf Entwicklung (Progression) ausgerichteten Lebenstrieb und dem nach Stabilität (Regression) strebenden Selbsterhaltungstrieb des Menschen. Der Gedanke an Veränderung ist verbunden mit einem Verlust, dem Verzicht auf das Gewohnte. Allerdings gibt es auch Wertvolles (zurück) zu gewinnen. Neben einer gesunden, versorgenden, sicherheitsspendenden und stabilen Mutter Erde ist dabei an das Erleben von Verbundenheit, Stimmigkeit, Selbstwirksamkeit und Sinn zu denken. Darin spiegeln sich auch psychische Grundbedürfnisse des Menschen als Grundlage seiner Gesundheit wider (vgl. Grawe, 2000; Rudolf, 2014). Der Notwendigkeit der Veränderung könnten wir uns dann mit Neugierde und Lösungsorientierung nähern, anstatt die Erde – in der Verleugnung unserer Abhängigkeit von ihr als unsere Lebensgrundlage – uns zu unterwerfen und auszubeuten. Der Soziologe Hartmut Rosa (2019) stellt eine resonante Beziehung mit der Welt als einen hoffnungsvollen Weg für das Subjekt im «Alltagsbewältigungsverzweiflungsmodus» (ebd., S. 761) dar, zu einem zufriedenen Leben jenseits einer verdinglichende Existenzweise zu gelangen. Massstab des politischen und individuellen Handelns sei, in welchem Ausmass es dem Subjekt und der Gemeinschaft gelinge, die wechselseitigen anerkennenden Antwortbeziehungen zur (nicht-)menschlichen Aussen- und zur Innenwelt herzustellen und aufrechtzuerhalten. Merkmal einer resonanten Weltbeziehung sei die Möglichkeit zu Tätigkeiten, die aus intrinsischer Motivation heraus erfolgen und zu denen der:die Handelnde eine libidinöse Bindung entwickelt.
e) Das gewährende Überich: Die wiederkehrende Forderung, Verantwortung für Klimaschutz und -gerechtigkeit zu übernehmen, kann zu einem dauerhaft schlechten Gewissen führen, das durch Rebellion und Reaktanz abgewehrt werden muss. Psychodynamisch betrachtet ist der «Sitz» des schlechten Gewissens das Überich (S. Freud, 1920). Dieses enthält Internalisierungen von Erfahrungen elterlicher Strenge, aber auch von Erfahrungen des Rückhalts elterlicher Liebe, Beruhigung und Trost. Im Idealfall kann sich das Ich an ein Überich als gewährende innere moralische Instanz wenden, die hilft, eigene Entscheidungen zu treffen, anstatt als innerer Tyrann sklavischen Gehorsam zu fordern. Ein Ich, das reflektiert und stark genug ist, kann milde mit sich sein und nach Lösungen suchen, bspw. nach Verbündeten.
Der Psychotherapie kommt in der aktiven Unterstützung eine zentrale Rolle zu. Klimabezogene Gefühle sollten nicht vorschnell pathologisiert werden (Pihkala, 2020). Das stellt Psychotherapeut:innen vor die Aufgabe, in der Realität begründete Angst zu unterscheiden von Angst, die auf dem Boden früherer unbewusster innerer Konflikte hervorgerufen wird. Wenn Klimagefühle einen so hohen Leidensdruck erzeugen, dass sie zu Hemmung und Schwierigkeiten im alltäglichen Leben führen, kann eine Psychotherapie dabei helfen, die schmale Gratwanderung zwischen Abwehr und Überforderung von Klimagefühlen zu meistern und in einem weiteren Schritt sogar durch aktives Handeln fruchtbar zu machen, ohne sich in rigiden Ansprüchen des Überichs zu überfordern. Doherty und Clayton beschrieben bereits 2011 Auswirkungen der Klimakrise auf die Gesundheit von Menschen. Sie unterschieden neben direkten Auswirkungen des Klimawandels die Kategorie indirekter Auswirkungen (z. B. Beobachten von Umweltkatastrophen oder Sorge über zukünftige Risiken) und psychosozialer Auswirkungen (z. B. soziale klimabedingte Konflikte). Doherty selbst bietet seit vielen Jahren Psychotherapien mit Fokus auf Beschwerden im Zusammenhang mit der Klimakrise und Umweltzerstörung an (Barry, 2022).
Die Climate Psychology Alliance hat ein Netzwerk von klimabewussten Psychotherapeut:innen erstellt, um Kontaktmöglichkeiten für Betroffene zu erleichtern und das Good Grief Network hat Gruppenangebote zur Begegnung von Klimagefühlen und Stärkung der Resilienz geschaffen. In Deutschland bietet der Verein der Psychologists and Psychotherapists for Future offene Gesprächskreise sowie Beratungsgespräche für Engagierte an. Adressiert sind Menschen, die im Zusammenhang mit ihrem Engagement gegen die Klimakrise und für die Umwelt Unterstützung benötigen.1 Diese wird insbesondere von Klimaaktivist:innen wahrgenommen. Orange (2017) sieht die Berufsgruppe der Psychotherapeut:innen aufgrund ihrer Expertise in der Begleitung von Veränderungsprozessen, Bewältigung von Gefühlen sowie im Umgang mit Abwehrmechanismen in der Verantwortung. Bedeutsam scheint uns dabei, dass diese Verantwortung sich nicht auf die Behandlung von Folgen der Klimakrise begrenzt. Darüber hinaus geht es um eine Konfrontation der gesellschaftlichen Missstände, die diese (und weitere) Krisen mitverursachen. Dies geht einher mit der Kritik Parins (1978) und Dahmers (2021, S. 7) «der Stilisierung der Psychoanalyse zu einer Naturwissenschaft [mit dem] Postulat politischer Neutralität». Beide betonen die ursprüngliche Bedeutung der Psychoanalyse als Gesellschafts- und Kulturkritik, die Parin (1978, S. 395) als Freuds «zweiten Auftrag» benennt.
In der psychotherapeutischen Arbeit erleben wir immer wieder, wie heilsam es sein kann, sich auch seiner unangenehmen und schmerzhaften Gefühle bewusst zu werden, Worte dafür zu finden und sie mit einem Gegenüber zu teilen. Die Fähigkeit, diese Gefühle im intrapsychischen Binnenraum zu halten und zu regulieren, ihre Ursprünge zu ergründen und sie zu verdauen, kann das Selbstwirksamkeitserleben steigern und zu mehr Mündigkeit und Freiheit in der eigenen Lebensgestaltung führen. Im Verlauf einer psychodynamischen Psychotherapie werden strukturelle Fähigkeiten sowie die Introspektions- und Reflexionsfähigkeit gefördert. Durch aufdeckendes Arbeiten wächst die Fähigkeit, konflikthafte Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle in sich zu erleben und Verantwortung dafür zu übernehmen, sowie die Möglichkeit, eigene Übertragungsbereitschaften besser zu verstehen. All diese Aspekte könnten nicht nur in der Behandlung psychischer Störungen im klinischen Kontext relevant sein, sondern auch eine hilfreiche Grundlage für die Begegnung mit der Klimakrise und der zugrundeliegenden gesellschaftlichen Missstände bilden. Sie könnten die Bewusstwerdung der damit einhergehenden Probleme – Zerstörung unserer Lebensgrundlage, Zunahme sozialer Ungerechtigkeit, Hitze, Dürre, Stürme, Überflutungen, Fluchtbewegungen, Kriege, Leid, um nur einige zu nennen – und die Handlungsfähigkeit fördern.
So kann selbst die therapeutische Behandlung als politischer Akt mit psychosozialer Wirkung (Jimenez, 2010) wahrgenommen werden. Aus dem therapeutischen Dialog können sich Liebe und Hass, Hoffnung und Verzweiflung, Empörung, Trauer, Angst und Widerstand als Grundlagen eines utopischen Narrativ zeigen. Im Idealfall ist die Utopie, die dann gemeinsam erarbeitet werden kann, gut genug mit der Realität verbunden, dass sich zukünftiges Denken und Handeln daran orientieren können.
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Climate emotions, defense and hope for psychotherapy
A psychodynamic perspective
Abstract: The climate crisis challenges humanity to radically rethink and transform its way of life against the backdrop of climate protection and «climate justice». This article aims to clarify the value of the psychodynamic perspective for the required transformation. In the face of the climate crisis, a wide variety of feelings such as fear, sadness, shame, guilt, envy and anger can arise, as well as inner needs and desires can come into conflict with each other. In order to avoid feeling and digesting the mostly unpleasant feelings and inner conflicts, they are shifted into the unconscious with the help of defense mechanisms such as denial, splitting, affect isolation and sublimation. Since defense does not only take place on an individual level, the societal perspective is also significant. As an ethical framework for overcoming defense and enabling change, psychodynamic concepts that are enriched by social-psychological ideas can be used to derive the demand for a culture of care (Weintrobe) and for assuming responsibility in the sense of being a «guardian of the other» (Orange). On this basis, love, a sense of community, climate communication, the focus on gains and a granting superego can be helpful in building a bridge from the moral inner attitude to concordant, climate-appropriate action. Here, (psychodynamic) psychotherapy can make a crucial contribution.
Keywords: Climate crisis, psychodynamic psychotherapy, climate emotions, defense, pathologies of the social
Sentimenti climatici, difesa e speranza nella psicoterapia
Una prospettiva psicodinamica
Riassunto: La crisi climatica spinge l’umanità a ripensare e trasformare radicalmente le proprie abitudini di vita sullo sfondo della protezione del clima e della «giustizia climatica». Questo articolo illustra il valore della prospettiva psicodinamica per la trasformazione richiesta. Dinanzi alla crisi climatica, possono emergere i sentimenti più vari, come paura, tristezza, vergogna, senso di colpa, invidia e rabbia, e i bisogni e i desideri interiori possono entrare in conflitto tra loro. Per non dover provare e fare i conti con questi sentimenti e conflitti interiori, per lo più spiacevoli, questi vengono spostati a livello inconscio con l’aiuto di meccanismi di difesa come la negazione, la scissione, l’isolamento degli affetti e la sublimazione. Poiché la difesa non avviene solo a livello individuale, è importante anche la prospettiva dell’intera società nel suo complesso. Come quadro etico per il superamento delle difese e il successo del cambiamento, la richiesta di una cultura della terapia (Weintrobe) e dell’assunzione di una responsabilità nel senso di «custode dell’altro» (Orange) può essere derivata da concetti psicodinamici e sociopsicologici ampliati. Su questa base, l’amore, il senso di comunità, la comunicazione sul clima, l’attenzione ai profitti e un super-io permissivo possono essere utili per costruire un ponte e passare dall’atteggiamento morale interiore all’azione concorde e giusta per il clima. In questo senso la psicoterapia (psicodinamica) può dare un contributo centrale.
Parole chiave: crisi climatica, psicoterapia psicodinamica, sentimenti climatici, difesa, patologie sociali
Die Autorinnen
Die Autorinnen sind Mitglieder der «Psychoanalyse AG der Psychologists for Future». Beide Autorinnen haben gleiche Rechte, sie teilen sich die Erstautorinnenschaft.
Dr. biol. hum. Dipl.-Psych. Christine Bauriedl-Schmidt ist niedergelassen als Psychologische Psychotherapeutin und Psychoanalytikerin (DGPT) in München, Mitglied des Vorstands und Dozentin der Münchner Arbeitsgemeinschaft für Psychoanalyse (MAP), Sprecherin des Netzwerk Freie Institute (NFIP) und Mitherausgeberin des Bandes Das Unbewusste in der Klimakrise sowie der MAP-Buchreihe «Psychoanalyse im klinischen, kulturwissenschaftlichen und interdisziplinären Diskurs» (Brandes & Apsel, ab 2023).
M.Sc. Anja Schnurr ist Psychologische Psychotherapeutin (Approbation in tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie) und Dozentin an der Hessischen Akademie für integrative Psychotherapie (HAiP). Sie arbeitet in einem psychotherapeutischen Versorgungszentrum in Frankfurt/M. und bietet ambulante Einzel- und Gruppentherapien an.
Kontakt
1 Hinweise für Unterstützungsangebote: https://www.climatepsychology.us/climate-therapists; https://www.goodgriefnetwork.org; https://www.psychologistsforfuture.org/unterstuetzung-fuer-engagierte.