Value Based Counseling

Eine skalierbare psychosoziale Kurzzeitintervention für ressourcenarme Settings

Birte Brugmann & Inge Missmahl

Psychotherapie-Wissenschaft 12 (2) 2022 21–28

www.psychotherapie-wissenschaft.info

CC BY-NC-ND

https://doi.org/10.30820/1664-9583-2022-2-21

Zusammenfassung: Während die psychische Grundversorgung von Menschen in einkommensschwachen Ländern und Krisengebieten staatliche und nichtstaatliche Organisationen grundsätzlich vor enorme Herausforderungen stellt, stehen einkommensstarke Länder, die Geflüchtete aufnehmen, vor der Aufgabe, ihre Gesundheitsdienste auf die besonderen Bedürfnisse dieser Menschen einzustellen. Die WHO empfiehlt als ein Vorgehen für die Förderung psychischer Gesundheit in ressourcenarmen Settings die Skalierung kurzer und vereinfachter Versionen evidenzbasierter Interventionen, die kompatibel mit dem soziokulturellen Wertesystem der Anbieter:innen oder Anwender:innen vor Ort sind. Die von der Ipso gGmbH angewandte psychosoziale Kurzzeitintervention Value Based Counseling (VBC) entstand 2004 in Afghanistan aus der Praxis heraus. VBC hat eine Reihe von Eigenschaften, die die Kurzzeitintervention zu einer skalierbaren Adaption machen. Der salutogenetische Ansatz und der daraus folgende Verzicht auf eine Diagnose ersparen die Notwendigkeit, Diagnosen anzupassen oder als Konzept vor Ort einzuführen. Die Kürze der Intervention eignet sich für ressourcenarme Settings und die strukturierte Gesprächsführung zudem für eine Umsetzung in eine digitale Anwendung, die Klient:innen unabhängiger von Counselor:innen macht (guided self-help).

Schlüsselwörter: kulturelle Adaption, psychosoziale Beratung, Krisengebiete, Kurzzeitintervention, Skalierung

Während die psychische Grundversorgung (vgl. Jäggi et al., 2017) von Menschen in einkommensschwachen Ländern und Krisengebieten staatliche und nichtstaatliche Organisationen grundsätzlich vor enorme Herausforderungen stellt, stehen einkommensstarke Länder, die Geflüchtete aufnehmen, vor der Aufgabe, ihre Gesundheitsdienste auf die besonderen Bedürfnisse dieser Menschen einzustellen. Dort, wo staatliche Strukturen die psychische Grundversorgung nicht gewährleisten können, sei es über einen längeren Zeitraum hinweg oder in Ausnahmesituationen, entstehen oftmals nichtstaatliche Parallelstrukturen (vgl. Troup et al., 2021, S. 2). Dies ist bspw. in Afghanistan seit Jahrzehnten der Fall und stellte in Deutschland eine Reaktion auf besondere Ereignisse dar, wie z. B. die grosse Zahl von Menschen, die 2015/16 Schutz suchten (vgl. Missmahl & Brugmann, 2019), die Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen 2021 (z. B. Soforthilfe Psyche, https://sofortaktiv.de) und in jüngster Vergangenheit die Fluchtbewegung aus der Ukraine (z. B. Alliance4Ukraine, https://alliance4ukraine.org). Bilden sich Parallelstrukturen heraus, ist es für die Qualitätssicherung der Dienste, die Kompatibilität der Angebote und für ein transparentes Auftreten gegenüber der lokalen Bevölkerung wichtig, dass sich die Dienste an internationalen Standards orientieren. Diese Standards werden im Wesentlichen von der WHO vorgegeben. Ihre Einhaltung bildet in der Regel eine Voraussetzung für die Bewilligung öffentlicher und zumeist auch privater Gelder für Tätigkeiten humanitärer Organisationen.

Die WHO befürwortet die Skalierung von Diensten im Bereich der Psychischen Gesundheit und Psychosozialen Unterstützung (Mental Health and Psychosocial Support, MHPSS) in ressourcenarmen Settings als einen methodischen Ansatz, der dazu dienen soll, Kapazitäten für eine psychische Gesundheitsversorgung vor Ort möglichst effizient auszubauen (WHO, 2017). Die WHO definiert den Begriff der «Skalierung» (scaling up) als «wohlüberlegte Bemühungen, die Wirkung von erfolgreich getesteten Gesundheitsinnovationen mit dem Ziel zu erhöhen, dass sie mehr Menschen zugutekommen und die Entwicklung von Strategien und Programmen dauerhaft befördert wird» (WHO, 2010, S. 2, Übers. d. A.). Dieser methodische Ansatz ist jedoch nicht unumstritten, wie im Folgenden deutlich werden wird, und erweist sich in der Praxis als hochkomplex. Die folgenden Ausführungen führen in die Thematik ein und zeigen anhand eines Beispiels auf, wie eine Skalierung in der Praxis aussehen kann. Die von der Ipso gGmbH angewandte psychosoziale Kurzzeitintervention Value Based Counseling (VBC) wurde ursprünglich für Krisengebiete entwickelt und hat sich als so skalierbar erwiesen, dass sie heute in Deutschland und in anderen Ländern v. a. für die Unterstützung von Geflüchteten eingesetzt wird.

MHPSS-Dienste in ressourcenarmen Settings

Die Förderung psychischer Gesundheit (mental health) bildet eines der 17 Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs), auch «Agenda 2030» genannt (UNRIC, 2022), im Rahmen weltweiter Gesundheitsförderung. In der entsprechenden Resolution der Generalversammlung der Vereinten Nationen von 2015 heisst es hierzu: «Zur Förderung der körperlichen und geistigen Gesundheit und des physischen und psychischen Wohlergehens sowie zur Verlängerung der Lebenserwartung aller müssen wir die allgemeine Gesundheitsversorgung und den Zugang zu hochwertigen Gesundheitsdienstleistungen verwirklichen. Niemand darf zurückgelassen werden» (Vereinte Nationen, 2015, S. 8). Dem Mental Health Atlas der WHO von 2020 nach (WHO, 2021, S. 61ff.) standen 2019 in den einkommensschwächsten Ländern der Welt 100.000 Einwohner:innen nur 1,4 Fachkräfte (mental health worker) zur Verfügung im Gegensatz zu 62,2 Fachkräften in den einkommensstärksten Ländern. Diese Fachkräfte schlossen ein weites Feld ein, das von Sozialarbeiter:innen (social worker) bis zu Psychiater:innen reichte. In der Grundversorgung war ebenfalls eine grosse Diskrepanz zu beobachten. Während in den einkommensschwächsten Ländern nur 11 % der Erstleistungserbringer:innen psychosoziale Versorgung und 9 % pharmakologische Versorgung anboten, war in den einkommensstärksten Ländern ein deutlich besseres Angebot an psychosozialer Versorgung vorhanden (34 %) sowie ein noch grösseres Angebot an pharmakologischer Versorgung (71 %) (ebd., Tab. 4.1.3). V. a. in einkommensschwachen Ländern und in Krisengebieten, in denen staatliche Strukturen die psychische Grundversorgung nicht gewährleisten können, sei es über einen längeren Zeitraum hinweg oder in Ausnahmesituationen, sind Menschen auf humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit angewiesen. MHPSS ist in diesem Zusammenhang zu einem Querschnittsthema geworden (vgl. The Sphere Project, 2011; GIZ, 2018).

Einen wichtigen Schritt in dieser Entwicklung bildeten die 2008 publizierten Richtlinien IASC Guidelines on Mental Health and Psychosocial Support in Emergency Settings des Ständigen Interinstitutionellen Ausschusses der Vereinten Nationen. Sie konzeptualisierten MHPSS-Dienste erstmals in Form einer gestaffelten «Interventionspyramide» (IASC, 2008, Abb. 1). Die unterste Ebene dieser Pyramide besteht aus der Wiederherstellung der Sicherheit und einer geeigneten Verwaltungsstruktur sowie der Erfüllung physischer Grundbedürfnisse einer in Not geratenen Bevölkerung (basic services and security). Auf der zweiten Ebene werden niederschwellige psychosoziale Angebote gemacht, die generell auf Communities und Familien zugeschnitten sind, wie z. B. Hilfe bei der Suche nach vermissten Familienangehörigen und bei gemeinschaftlichen Trauerzeremonien (community and family support). Die dritte Ebene (focussed, non-specialised support) besteht aus einer intensiveren Betreuung vulnerabler Gruppen, wie z. B. Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt, durch ausgebildete und supervidierte Mitarbeiter:innen, die jedoch nicht unbedingt eine jahrelange Spezialausbildung besitzen. Zu dieser Ebene gehören auch Psychologische Erste Hilfe (vgl. ÖRK, 2015) und eine psychische Grundversorgung durch Fachkräfte (primary health care workers). Die Spitze der Pyramide besteht aus spezifischeren psychologischen oder psychiatrischen Diensten für eine relativ kleine Gruppe von Menschen (specialised services). Die Konzeptualisierung von MHPSS-Diensten in Form einer Pyramide ist von anderen Organisationen übernommen und nach eigenen Bedürfnissen modifiziert worden, so z. B. von der Internationalen Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung (International Red Cross Red Cresecent Movement) (IFRC, o. J.) und der Ipso gGmbH (International Psychosocial Organisation; Ipso, 2019, S. 17).

Um erfolgreich zu sein, muss psychische Grundversorgung nicht nur bedarfs- und ergebnisorientiert sein, sondern auch realistisch im Einsatz der Mittel. «Bedarfsorientiert» ist jedoch nicht nur eine Frage dessen, was als Bedarf formuliert wird, sondern auch wer diesen Bedarf formuliert. Vorstellungen von dem, was psychosoziales Wohlbefinden (vgl. GIZ 2018, S. 15) ausmacht und zu diesem beiträgt, beruhen auf Werten, die kulturell sehr unterschiedlich sein können. In Deutschland hat sich das Bewusstsein für diesen Umstand mit der seit 2015 wachsenden Zahl Geflüchteter im Land vergrössert – nicht nur in Bezug auf Sprachbarrieren, sondern auch auf den kulturell geprägten Ausdruck psychischen Stresses. Eine Fülle von Literatur, die seitdem auf den Markt gekommen ist und sich mit kultursensiblen Ansätzen in der Psychotherapie beschäftigt, zeugt von diesem Trend (Missmahl & Brugmann, 2019, S. 39).

In der Diskussion um Strategien für eine weltweite Verbesserung von MHPSS-Diensten haben sich zwei Pole herausgebildet. Der eine besteht aus einem pathogenetischen Ansatz, der sich darum bemüht, Beeinträchtigungen psychosozialen Wohlbefindens als psychische Störungen zu klassifizieren und mit nach westlichen Massstäben evidenzbasierten Interventionen, die ggf. kulturell adaptiert werden, zu reduzieren. Am anderen Ende des Spektrums wird die Entwicklung kulturell selbstbestimmter Konzeptualisierungen von psychosozialem Wohlbefinden und von Interventionen gefordert. Zwischen diesen beiden Polen findet sich im von westlichen Industrienationen dominierten Wissenschaftsbetrieb eine reiche Vielfalt an Positionen und Ansätzen, die nicht etwa einem Zielkonflikt entspringen, sondern einem Methoden- und Strategiekonflikt. Während man sich allgemein darauf einigen kann, dass das Ziel der allseitigen Bemühungen ein möglichst grosses psychosoziales Wohlbefinden der Weltbevölkerung ist, bestehen sehr unterschiedliche Vorstellungen davon, woran man dieses psychosoziale Wohlbefinden messen und wie man es fördern kann. Bei den folgenden Ausführungen handelt es sich keinesfalls um eine erschöpfende Darstellung des Forschungsstandes zu diesem Thema, sondern um einen Einblick in das Spannungsfeld, in dem sich humanitäre Organisationen, die psychosoziale Dienste anbieten, bewegen.

Die globale Strategie der Vereinten Nationen

Die globale Strategie für das Gesundheitswesen für den Zeitraum 2021–2025 des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR, 2021) ist mit der Agenda 2030 verknüpft und verfolgt einen sektorübergreifenden Ansatz. Grundlage für dieses weltweite Engagement sind die Richtlinien und Empfehlungen der WHO (2022b), die psychische Gesundheit als etwas definiert, das über die Abwesenheit von psychischen Störungen hinausgeht und von sozioökonomischen und biologischen sowie von Umweltfaktoren bestimmt wird. Sie selbst verfolgt mit Kapitel 6 der ICD-11 einen pathogenetischen Ansatz. ICD-11 beruht auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und erhebt den Anspruch, ein konzeptuelles Rahmenwerk unabhängig von Sprache und Kultur zu sein (WHO, 2022a). Die Überarbeitung der neuesten Version der ICD-11 involvierte 300 klinische Spezialist:innen und 270 Institutionen in 55 Ländern und wurde in 99 Ländern überprüft, getestet und kommentiert (Badr, 2019). Da im Mental Health Atlas der WHO (2021, S. 23f.) Forschung v. a. in einkommensstarken Ländern stattfindet, ist zu vermuten, dass bei den erwähnten 55 bzw. 99 Ländern westliche Industrienationen stark vertreten sind.

Das Mental Health Gap Action Programme (mhGAP) der WHO, das sich seit 2008 der Verbesserung von Gesundheitsdiensten in ressourcenarmen Settings widmet, konzentriert sich auf die Behandlung von psychischen Störungen als Teil der psychischen Grundversorgung (non-specialised settings) (WHO, 2020, S. 3), d. h. auf einer Ebene unterhalb der Spitze der zuvor vorgestellten MHPSS-Pyramide. Das 2022 publizierte Trainingsmanual begegnet dem Problem eines Mangels an Fachpersonal durch eine dreissigstündige Weiterbildung in psychosozialen und pharmakologischen Interventionen für nicht spezialisiertes Personal in der psychischen Grundversorgung, für Pflegekräfte und für Personal im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin. Das Training thematisiert eine Reihe von Beschwerden, darunter akuter Stress, mittlere bis schwere Depressionen, Psychosen, epileptische Anfälle, PTBS und Alkohol- und Drogenmissbrauch (WHO, 2016, S. 154).

Basierend auf Erfahrungen mit dem mhGAP-Programm publizierte die WHO 2017 ein Konzept für skalierbare Adaptionen von Interventionen im Bereich des psychosozialen Wohlbefindens in Krisengebieten (people in communities affected by adversity). Als potenziell skalierbar werden kurze und vereinfachte Versionen evidenzbasierter Interventionen eingestuft, wie z. B. die kognitive Verhaltenstherapie, zudem Ratgeber (self-help materials), die auf evidenzbasierten Behandlungsgrundsätzen beruhen, und Anleitungen von Gruppen und Einzelpersonen in der Nutzung dieser Materialen (guided self-help). Die Autor:innen geben zu bedenken, dass die skalierten Interventionen nicht ganz so effektiv sein könnten wie konventionelle Behandlungsmethoden, wägen diesen Nachteil jedoch gegen den Vorteil einer grösseren Reichweite der Dienste ab und schlagen vor, entsprechende gesundheitsökonomische Kosteneffektivitätsstudien durchzuführen (WHO, 2017, S. 4). Die WHO empfiehlt folgende Eigenschaften für Innovationen im Bereich des psychosozialen Wohlbefindens: kompatibel mit dem soziokulturellen Wertesystem der Anbieter:innen oder Anwender:innen vor Ort; flexibel genug, um an Gegebenheiten vor Ort angepasst werden zu können; reversibel im Falle eines Scheiterns; vorteilhaft gegenüber bestehenden Verhältnissen; einfach statt komplex; kosteneffizient und risikoarm in der Implementierung (WHO, 2005, S. 254). Diesen Empfehlungen von 2005 folgte 2009 eine praktische Anleitung für die Skalierung von Innovationen (WHO, 2009).

Die Kompatibilität einer Adaption mit dem soziokulturellen Wertesystem der Anbieter:innen oder Anwender:innen vor Ort herzustellen, wird zu einer anspruchsvollen Aufgabe, wenn unterschiedliche Konzeptualisierungen psychosozialen Wohlbefindens vorliegen. Die WHO vertritt Werte, für die sie einen Universalanspruch erhebt, räumt jedoch ein, dass es darüber hinaus geografisch erkennbare kulturelle Unterschiede gebe, die ein kultursensitives und kontextrelevantes Vorgehen bei der Förderung psychischer Gesundheit notwendig machten (WHO, 2022c; S. 7). Möglichkeiten und Grenzen kultureller Adaptionen von Interventionen werden in der Fachliteratur jedoch kontrovers diskutiert, wie im Folgenden ausschnitthaft deutlich wird.

Die kulturelle Adaption von Interventionen

Was genau wird unter einer kulturellen Adaption von Interventionen verstanden? In der amerikanischen Forschung wird gern eine Definition von Bernal et al. (2009, S. 263), die sich auf Psychotherapien bezieht, zitiert (z. B. Heim & Kohrt, 2019, S. 3; Rathod et al., 2019, S. 22), hier in eigener Übersetzung: «die systematische Modifikation eines evidenzbasierten Behandlungs- oder Interventionsplans im Hinblick auf Sprache, Kultur und Kontext in einer Form, die mit den kulturellen Mustern, Bedeutungen und Werten der betroffenen Person vereinbar sind». Es kann sich bei Adaptionen jedoch auch um Psychoedukation handeln, geleitete Selbsthilfegruppen u. a. (Heim & Kohrt, 2019, S. 4). In einem «globalen Positionspapier» zu kulturellen Adaptionen, das 2019 im Official Journal of the World Association of Cultural Psychiatry erschien, sehen die Autor:innen kulturelle Kompetenz, Intelligenz und Sensitivität als wichtige Voraussetzungen für den Prozess einer Adaption. Der Umfang einer solchen Adaption kann stark variieren, angefangen bei sprachlichen Anpassungen oder der Anpassung von Fallbeispielen bis hin zur Anpassung einer Intervention an kulturell geprägten Ausdruck psychischen Leidens (Rathod et al., 2019). Adaptionen können bspw. die therapeutische Beziehung betreffen, die Konzeptualisierung von psychischen Störungen, Behandlungsziele und die Vorgehensweise einer Intervention. Adaptionen von therapeutischen Inhalten einer Intervention, von denen angenommen wird, dass sie eine Symptomänderung hervorrufen, sind grundlegender als Anpassungen, die für die Umsetzbarkeit der Intervention und ihre Akzeptanz sorgen sollen, wie z. B. sprachliche Anpassungen (Heim & Kohrt, 2019). Eine Kritik von Metanalysen kultureller Adaptionen von Rathod (2018) und eine Zusammenfassung des Forschungsstandes zu Adaptionen psychologischer Interventionen von Perera et al. (2020) geben einen Überblick über das Thema.

Während sich ein Teil der Forschung mit der Frage auseinandersetzt, wie kulturelle Adaptionen von Interventionen verbessert werden können, gibt es anderenorts grundsätzliche Kritik an diesem Ansatz. In der Kulturpsychologie wird thematisiert, dass die Suche nach einer universellen Psychologie Kultur zu einer «Störvariable» mache. In der indigenen und kulturvergleichenden Psychologie wird der Universalanspruch einer von der Wissenschaft westlicher Industrienationen geprägten Psychologie infrage gestellt, deren Grundannahmen einer bestimmten Kultur entspringen und die Praxis staatlicher Gesundheitsversorgung in anderen kulturellen Kontexten bestimmen (vgl. Chakkarath, 2007, S. 239ff.; Koç & Kafa, 2019). Es stellt sich die Frage, inwieweit die naturwissenschaftlichen Methoden, die Interventionen als «evidenzbasiert» und damit als einsetzbar einstufen, die Lebenswirklichkeit von Menschen in diesen kulturellen Kontexten erfassen. Die vorherrschenden quantitativen Methoden sind besser darin zu messen, ob eine Veränderung eingetreten ist, als zu erklären, wie und warum diese Veränderung eingetreten ist, und zu hinterfragen, wessen Wirklichkeit mit dem Forschungsergebnis konstruiert wurde (vgl. Arnett, 2018; Bennett, 2018; Martinez, 2018). In Teilen der Wissenschaft wird das eigene Herrschaftswissen hinterfragt, das Fachleuten und nicht Betroffenen die Deutungshoheit über ihr psychosoziales Wohlbefinden zuspricht. Zudem steht die Forderung im Raum, dass Interventionen partizipativ entwickelt werden und ihr Erfolg an der Akzeptanz gemessen wird, die sie bei Zielgruppen erfahren (Richter & Dixon, 2022, S. 8).

Humanitäre Organisationen, die in ressourcenarmen Settings wie z. B. Krisengebieten mit menschlichem Leid im grossen Ausmass konfrontiert sind, haben den Anspruch ergebnisorientiert zu handeln und dabei das Do-no-harm-Prinzip, das in der humanitären Hilfe (z. B. Welthungerhilfe, 2007), Übergangshilfe und Entwicklungszusammenarbeit (BMZ, 2022) gilt, einzuhalten. Die psychosoziale Kurzzeitintervention Value Based Counseling (VBC) entstand 2004 in Afghanistan aus der persönlichen Erfahrung der Mitverfasserin Inge Missmahl heraus, dass herkömmliche diagnostische Klassifizierungen bei Patient:innen auf Unverständnis stiessen und dass psychiatrische und psychotherapeutische Behandlungsmethoden für psychisches Leiden in ihrer herkömmlichen Form nicht angebracht erschienen oder gar umsetzbar waren. Der kulturelle Kontext machte es notwendig, als Ausgangspunkt für eine Intervention mit den Patient:innen ein gemeinsames Verständnis für den Zusammenhang zwischen ihrer individuellen Vulnerabilität und ihrem soziokulturellen Umfeld zu entwickeln. Dies ermöglichte es ihnen, die persönliche Bedeutung ihres jeweiligen Symptoms zu erkennen, Handlungsfelder daraus abzuleiten und sich mit ihrem Potenzial zu verbinden, um nach eigenen Massstäben über die bestmögliche persönliche Einflussnahme auf ihr Leben zu bestimmen. Psychosoziale Interventionen halfen ihnen, aus diesem Prozess resultierende Entschlüsse umzusetzen. Der VBC-Ansatz wurde in Heft 1/2019 der Psychotherapie-Wissenschaft ausführlicher beschrieben (Missmahl & Brugmann, 2019), sodass hier auf eine erneute Beschreibung der einzelnen Schritte der sorgfältig strukturierten Intervention verzichtet werden kann. Die Wirksamkeit des psychosozialen Counseling-Ansatzes wurde in zwei Studien nachgewiesen (Ayoughi et al., 2013; Orang et al., 2022). Sie zeigten eine signifikante Abnahme psychischer Symptome einschliesslich PTBS, Depression, Angststörungen, empfundenem Stress und somatischer Beschwerden sowie eine verbesserte Resilienz und Perspektivenübernahme.

VBC als skalierbare Kurzzeitintervention

Koç und Kafa (2019, S. 108) zufolge begegnet man Psychotherapie in nichtwestlichen Kulturen in drei Formen. Es handelt sich um westliche Psychotherapiemodelle, die vor Ort unsystematische und spontane Anpassungen erfahren, um westliche Standardmethoden, die systematisch angepasst werden, oder um lokale Modelle. VBC lässt sich in keine dieser Kategorien vollständig einordnen, weil die Grundlagen der psychosozialen Kurzzeitintervention zwar westlichen Ursprungs sind und die Adaption zu einer sorgfältig strukturierten Kurzzeitintervention führte, es sich aber nicht um die Anpassung einer psychotherapeutischen Standardmethode handelt.

Versieht man VBC um der Verständigung willen mit Etiketten, ergibt sich eine ungewöhnliche Mischung. Aus der Vielfalt der theoretischen Ansätze (vgl. Richter & Dixon, 2022) bedient VBC sich eines psychosozialen, salutogenetischen und psychodynamischen Ansatzes, der wertebasiert und klient:innenzentriert ist. Wichtig für VBC als eine skalierbare Intervention ist zudem die Haltung (vgl. Koç & Kafa, 2019, S. 108) der Counselor:innen, die von bedingungsloser Wertschätzung, authentischem Interesse und dem Wunsch, helfen zu wollen, geprägt ist. Hierzu gehört die Fähigkeit zu einer empathischen Perspektivenübernahme. Eine Kommunikation mit Klient:innen auf Augenhöhe und der Verzicht auf eine Diagnose verhindern ein Machtgefälle, das dem schnellen Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung als Grundlage für eine erfolgreiche Kurzzeitintervention im Weg stünde (Missmahl & Brugmann, 2019).

Als psychosoziale Intervention folgt VBC einem sozialkonstruktivistischen Ansatz (vgl. McCann, 2016), der Kultur als ein dynamisches Konzept (vgl. Chakkarath, 2007, S. 240) auffasst und mit dem salutogenetischen Ansatz (vgl. Mittelmark et al., 2022) einhergeht. Psychisches Leiden wird nicht im biomedizinischen Sinne als eine Fehlleistung der Psyche aufgefasst, die zu einer Störung führt, sondern als Teil einer Interaktion des Menschen mit seiner Umwelt gesehen (vgl. McCann, 2016; van Os et al., 2019, S. 92; Richter & Dixon, 2022). Wie ein Mensch bspw. auf intrapsychische oder interpersonelle Konflikte, traumatische Erlebnisse, ein disruptives soziales Umfeld oder schwierige Lebensübergänge wie Migration oder den Verlust von Lebensgrundlagen reagiert, hängt zum einen stark von den Werten ab, die sein Kohärenzgefühl bestimmen (Missmahl & Brugmann, 2019), und zum anderen von seiner individuellen Vulnerabilität (vgl. WHO, 2022c, S. 19). Der salutogenetische Ansatz erlaubt es VBC, auf eine Diagnose zu verzichten und Klient:innen den Freiraum zu geben, ihr psychisches Leiden mithilfe der Counselor:innen selbst zu konzeptualisieren. Dies vereinfacht die Skalierung der Intervention, weil Diagnosen nicht «umgeschrieben» oder vor Ort als neues Konzept im Umgang mit psychosozialem Wohlbefinden eingeführt werden müssen.

Soziokulturelle Werte haben einen Einfluss darauf, wie Menschen mit Stressoren umgehen (Rathod et al., 2019). Unbewusste Wahrnehmungen, Emotionen und Bewertungen, die im psychosozialen Kontext kulturell geprägt sind, spielen im psychodynamischen Ansatz von VBC in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Durch kulturspezifisches Wissen (vgl. Steinhäuser et al., 2021) gewonnene interkulturelle Kompetenz und Sensitivität findet dort ihre Grenzen, wo die vielen «Abkürzungen» in der Verständigung, die bei einer interkulturellen Kommunikation auf subjektiven Selbstverständlichkeiten beruhen, nicht genommen werden können (vgl. Bennett, 2018, S. 431ff.). Das Gespräch kann dadurch zu einem mühsamen Prozess mit einem unbefriedigenden Ausgang werden.

Für eine auf ressourcenarme Settings zugeschnittene Kurzzeitintervention wäre ein kultursensitiver Ansatz, der auf Dolmetscher:innen und die multikulturelle Kompetenz von Counselor:innen/Therapeut:innen setzt, wie sie in den USA für die Versorgung einer multikulturellen Gesellschaft (vgl. Davis et al., 2018) und in Europa von Geflüchteten gefordert wird (vgl. Missmahl & Brugmann, 2019), problematisch und aufwändig zu skalieren. Da VBC Kultur als ein dynamisches Konzept auffasst, das Kulturen nicht mit Nationen gleichsetzt (vgl. Chakkarath, 2007, S. 240), ist «intrakulturell» ein behelfsmässiges Wort für einen Ansatz, der sich um ein Matching von Counselor:innen und Klient:innen im Hinblick auf ihre Muttersprache, ihren kulturellen Hintergrund und ihr soziales Geschlecht bemüht. Im Arbeitsumfeld der humanitären Hilfe dient das Etikett «intrakulturell» lediglich dazu, deutlich zu machen, dass VBC auf kulturelle Selbstbestimmung statt kulturelle Sensitivität im Sinne wohlmeinender Toleranz gegenüber Andersartigkeit setzt. Da der Ansatz wertebasiert, aber nicht direktiv ist und sich für unterschiedliche Selbstkonstruktionen eignet, hat er sich bspw. beim Einsatz in individualistisch geprägten Gesellschaften ebenso bewährt wie in kollektivistisch geprägten (Missmahl & Brugmann, 2019). Ipso bietet derzeit Counseling in mehr als 20 Sprachen an. Der Einsatz von muttersprachlichen Counselor:innen erleichtert nicht nur die Kommunikation, sondern hilft auch, für die Nachhaltigkeit aufgebauter Strukturen vor Ort zu sorgen, wie dies in Afghanistan gelungen ist (ebd., S. 46f.).

Die praktische Erfahrung mit VBC hat gezeigt, dass es in traditionellen Kulturen wichtig sein kann, Klient:innen und Counselor:innen nicht nur der Muttersprache nach einander zuzuordnen, sondern auch nach dem sozialen Geschlecht. Geschlechterbarrieren können in einer Gesellschaft zu unterschiedlichen Lebenswirklichkeiten führen, was sich auf die Verständigung zwischen den Geschlechtern auswirkt. Selbst wenn es für Frauen gesellschaftlich akzeptabel wäre, Gespräche mit Männern zu führen, und Männer als Counselor für Klientinnen dienen könnten, wären solche Gespräche aufgrund gesellschaftlicher Tabus und unterschiedlicher Lebenserfahrungen problembesetzt und daher nicht zielführend. Alter kann ebenfalls eine Barriere darstellen – wie viele andere Faktoren, die dafür sorgen, dass eine vollständige kulturelle «Deckung» kaum zu erreichen ist. Für die Skalierbarkeit von VBC als Kurzzeitintervention ist es in der Regel jedoch sinnvoll, ein möglichst genaues Matching anzustreben, um die besten Voraussetzungen für die «Abkürzungen» in der Kommunikation zu schaffen, die es Counselor:innen ermöglichen, die Lebenswelt ihrer Klient:innen so weit wie möglich intuitiv zu erfassen und auf dieser Grundlage schnell Vertrauen aufzubauen.

Für die Skalierbarkeit von VBC als Kurzzeitintervention in ressourcenarmen Settings ist die Zahl von drei bis fünf Sitzungen wichtig, die darauf ausgerichtet sind, die Alltagsfunktionalität von Klient:innen zu verbessern. In einer Umgebung, die Menschen unter einen hohen Überlebensdruck setzt, ist Alltagsfunktionalität essenziell, während es gleichzeitig schwierig sein kann, Sitzungen abzuhalten. Die kurze Dauer der Intervention wird dadurch möglich, dass Gründe für das gegenwärtige Leiden nicht in einen grösseren lebensgeschichtlichen Zusammenhang gebracht werden, sondern dass sich die Suche auf den unmittelbaren Auslöser in der jüngeren Vergangenheit beschränkt. Dieser Auslöser wird in Bezug zur individuellen Vulnerabilität der Klient:innen gesetzt und im Gespräch das Gewicht auf ein Verständnis der dadurch entstandenen inneren Situation sowie Möglichkeiten für selbstwirksames Handeln im Hier und Jetzt gelegt.

Die Kürze der Intervention wird zudem dadurch ermöglicht, dass die Kommunikation zwischen Counselor:in und Klient:in auf Augenhöhe stattfindet und auf eine Diagnose verzichtet wird. Dies verhindert ein Machtgefälle, das dem schnellen Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung als Grundlage für eine erfolgreiche Kurzzeitintervention im Weg stünde. Für den Aufbau dieser Beziehung ist die Fähigkeit der Counselor:innen zur emphatischen Perspektivenübernahme wichtig, ihre wertschätzende Haltung den Klient:innen gegenüber sowie ihr zielgerichtetes Vorgehen durch ein sorgfältig strukturiertes Gespräch, das jedoch nicht direktiv ist (Missmahl & Brugmann, 2019).

Für die bisherige Skalierbarkeit von VBC war nicht nur die inhaltliche Gestaltung und Umsetzung der Intervention wichtig, sondern auch ein niederschwelliger Zugang. In ressourcenarmen Settings wie Kriegsgebieten ist es vielfach eine Herausforderung, Zugang zu einer psychischen Grundversorgung zu schaffen, der nicht an zu hohen inhaltlichen Ansprüchen an die Intervention scheitert, aber qualitativ den bestmöglichen Standard bietet. In Afghanistan haben sich nicht nur Face-to-Face-, sondern auch Online-Sitzungen bewährt, die über die speziell für das Counseling geschaffene Videoplattform www.ipso-care.com abgehalten werden (ebd., S. 47). Diese Plattform ermöglicht vielen Klient:innen Gespräche, zu denen sie aus verschiedenen Gründen sonst keinen Zugang hätten, wie z. B. grosse Entfernungen, die Sicherheitslage oder Schamgefühle und die Sorge vor einer Stigmatisierung. Zudem hat sich in der Praxis herausgestellt, dass die räumliche Entfernung und die dadurch ermöglichte Anonymität Klient:innen dazu ermutigt, schwierige Themen anzusprechen. Gleichzeitig erleichtert die Plattform die Beschäftigung von gut ausgebildeten Counselor:innen und das Qualitätsmanagement.

Ein schwieriges Thema für Skalierungen ist der Bedarf an qualifiziertem Personal. Kurze Weiterbildungszeiten wie bspw. die 30 Stunden, die mhGAP vorsieht (s. zuvor), sind ein Weg, dem Problem zu begegnen. Die Möglichkeiten sind in dieser Hinsicht jedoch begrenzt, denn das Leid ist in der Regel hoch, die Arbeitsbedingungen sind belastend und es besteht die Gefahr, Personal zu überfordern und den Bedürfnissen der Zielgruppe nicht gerecht zu werden. Daher setzt VBC auf situativ angepasste Weiterbildungen, die sich an weltweit sehr unterschiedlichen Bildungs- und Berufsstandards orientieren. Zudem laufen Bemühungen, die Intervention unabhängiger von dem Einsatz von Counselor:innen zu machen, indem die sorgfältig strukturierte Gesprächsführung des Counseling-Ansatzes in digitale Anwendungen überführt wird, die Klient:innen allein oder in Kombination mit ein bis drei Online-Sitzungen in Anspruch nehmen können (guided self-help).

Fazit und Ausblick

VBC ist eine skalierbare Kurzzeitintervention, bei der es sich nicht um die kulturelle Adaption einer westlichen Standardmethode handelt, sondern bereits der theoretische Ansatz stark von Erfahrungen in Krisengebieten geprägt ist. Die Praxis hat gezeigt, dass Skalierbarkeit ein wichtiges Ziel ist, jedoch ihre Grenzen dort findet, wo die Qualität der Intervention leidet. Die Entscheidung, wann in dieser Hinsicht eine Grenze überschritten wird, sollte nicht allein gesundheitsökonomischen Kosteneffektivitätsstudien überlassen werden. Entsprechend des Do-no-harm-Prinzips ist eine Qualitätssicherung notwendig, die die Würde der Menschen vor Ort dadurch schützt, dass sie nicht, um überhaupt betreut werden zu können, eine oberflächliche Versorgung erhalten, die Erwartungen weckt, ohne dem Leiden gerecht werden zu können. Es besteht u. a. die Gefahr, dass kurze Weiterbildungszeiten nicht spezialisiertes Personal ungenügend auf den Umgang mit oftmals erschütternden Leidensgeschichten vorbereiten.

Trotz all der Herausforderungen, denen sich humanitäre Organisationen in der Praxis stellen müssen, ist es Ipso in zwei grösseren Kontexten gelungen, VBC zu skalieren. Ursprünglich für Krisengebiete entwickelt, wurde der Counseling-Ansatz 2008–2016 als psychosozialer Dienst in das staatliche Gesundheitssystem Afghanistans integriert (Missmahl & Brugmann, 2019, S. 46f.). Zudem betreuen heute Counselor:innen in Deutschland Geflüchtete in mehr als 20 Sprachen. Dies schliesst seit Mitte 2022 die Dienste ukrainischer Counselor:innen ein.

Betrachtet man VBC unter dem Aspekt der Skalierbarkeit, eignen sich folgende Eigenschaften der Intervention:

Um die Voraussetzungen für eine Skalierung der Intervention weiter zu verbessern, wurde die bewährte Struktur des Counseling-Gesprächs in eine App umgewandelt, die kulturell an die Mehrheitsgesellschaft in Deutschland angepasst wurde und derzeit in einem Projekt mit den Malteser Werken u. a. für Betroffene der Flutkatastrophe im Ahrtal eingesetzt wird. Eine zweite App, die auf die Lebensrealität von Drittstaatsangehörigen der zuvor genannten Zielgruppe insbesondere mit Fluchterfahrung zugeschnitten ist, wurde bereits entwickelt, aber noch nicht eingesetzt. Diese kann als ein reines Selbsthilfeangebot genutzt werden, das den sorgfältig strukturieren Schritten des Counseling-Ansatzes folgt, oder als ein gesteuertes Selbsthilfeangebot in Kombination mit ein bis drei Online-Sitzungen. Beide Nutzungen zielen darauf ab, den Zugang zu VBC so niederschwellig wie möglich zu gestalten.

Literatur

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Badr, A. (2019). Fifth regional steering group meeting Bangkok 17–19 September 2019. https://getinthepicture.org/system/files/ICD-11%20-%20WHO.pdf (22.6.2022).

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Bernal, G., Jiménez-Chafey, M. I. & Domenech Rodríguez, M. M. (2009). Cultural adaptation of treatments: A resource for considering culture in evidence-based practice. Professional Psychology: Research and Practice, 40(4), 361–368. https://doi.org/10.1037/a0016401

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Value Based Counseling

A scalable psychosocial intervention for resource-poor settings

Abstract: The provision of basic mental health care is particularly challenging in low-income countries and when communities are affected by adversity such as natural disasters or wars. Mental health services in high-income countries may also be challenged if they need to adapt their health services with the aim of serving refugees effectively. The WHO recommends the scaling up of brief, basic, non-specialist-delivered versions of existing evidence-based psychological interventions which are compatible with the socio-cultural value system of the local provider or user in resource-poor settings. The psychosocial short-term intervention Value Based Counseling (VBC) employed by the NGO International Psychosocial Organisation (Ipso) is based on a theoretical approach that is strongly influenced by field experience with communities affected by adversity first gained in Afghanistan in 2004. Various aspects of the counseling approach make it suitable for upscaling. The salutogenetic approach saves the need to adapt diagnoses or to introduce them locally as a concept in mental health care. The brevity of the intervention is an advantage in resource-poor settings, and the basic structure can be used in a digital guided-self-help application that reduces the need for counselors.

Keywords: communities affected by adversity, cultural adaptation, psychosocial counseling, short-term intervention, upscaling

Value Based Counseling

Un intervento psicosociale a breve termine di portata variabile per contesti in cui le risorse scarseggiano

Riassunto: Se da un lato l’assistenza psicologica di base nei Paesi a basso reddito e nelle aree di crisi pone enormi sfide alle organizzazioni governative e non governative, i Paesi ad alto reddito che accolgono i rifugiati si trovano davanti al compito di adattare i loro servizi sanitari alle esigenze specifiche di queste persone. L’OMS raccomanda di applicare, su scala variabile a seconda delle esigenze, versioni brevi e semplificate di interventi basati sulle evidenze scientifiche, compatibili con il sistema di valori socioculturali degli operatori o degli utenti locali, per promuovere la salute mentale in contesti in cui le risorse scarseggiano. L’intervento psicosociale a breve termine Value Based Counseling (VBC), applicato da Ipso GmbH, è nato da un’esperienza sul campo in Afghanistan nel 2004. Il VBC presenta una serie di caratteristiche che consentono di regolare l’intervento a breve termine nella portata in base alle esigenze. L’approccio salutogenetico e la conseguente rinuncia a una diagnosi permettono di evitare la necessità di adattare le diagnosi o di introdurle come concetto a livello locale. La brevità dell’intervento si presta a contesti in cui le risorse sono scarse e la conversazione strutturata è adatta anche all’implementazione in un’applicazione digitale, che rende i clienti più indipendenti dai consulenti (guided self-help).

Parole chiave: adattamento culturale, consulenza psicosociale, aree di crisi, intervento a breve termine, variazione della portata

Die Autorinnen

Birte Brugmann ist promovierte Archäologin, Friedens- und Konfliktberaterin sowie VBC-Counselorin und für Ipso (International Psychosocial Organisation gGmbH) als Referentin der Geschäftsführung tätig.

Inge Missmahl ist jungianische Psychoanalytikerin sowie Gründerin und Geschäftsführerin der International Psychosocial Organisation (Ipso) gGmbH.

Kontakt

b.brugmann@ipsocontext.org