Prozess- und Outcome-Evaluation mithilfe des Synergetischen Navigationssystems (SNS)

Günter Schiepek

Psychotherapie-Wissenschaft 12 (1) 2022 51–61

www.psychotherapie-wissenschaft.info

CC BY-NC-ND

https://doi.org/10.30820/1664-9583-2022-1-51

Zusammenfassung: Die Evaluation der psychotherapeutischen Routinepraxis ist nicht nur sinnvoll, weil sich die Effekte der Therapie aus den Bedingungen und Prozessen jedes Einzelfalls heraus ergeben, sondern hat sich auch substanziell geändert. Die Möglichkeiten der Digitalisierung haben über Internet- und App-basierte Technologien die Erfassung von Outcome und Prozessen einfach gemacht und geben bei entsprechend hochfrequenten Abtastraten auch Einblick in den aktuellen Verlauf. Damit leistet Evaluation einen Beitrag zur aktiven Gestaltung von Psychotherapien, über Prozessfeedback und -reflexion mit Einbezug der Patient*innen auf Augenhöhe. Für diese Möglichkeiten der Prozess- und Outcome-Evaluation wurde das Synergetische Navigationssystem (SNS) entwickelt, das Datenerfassung, -speicherung und -analyse kombiniert. Patient*innen können über eine App quantitative Einschätzungen (z.B. Skalierungen) und elektronische Tagebucheinträge vornehmen, die auf einem Bildschirm im Form von Zeitreihen und Textfeldern dargestellt werden. Verschiedene Methoden geben Einblick in die nichtlinearen Eigenschaften therapeutischer Prozesse (z.B. kritische Instabilitäten) und in die stattfindenden Musterwechsel. Das SNS erfüllt damit Funktionen der Therapierevaluation, der Prozessreflexion und -steuerung sowie der Praxisforschung. Neben den verfügbaren standardisierten können auch personalisierte Fragebogen erstellt werden, deren Items sich aus einer von Therapeut*in und Patient*in gemeinsam durchgeführten Fallkonzeption (z.B. der idiografischen Systemmodellierung) ergeben.

Schlüsselwörter: Evaluation, Prozessreflexion, Therapiesteuerung, Digitalisierung, nichtlineare Dynamik, Selbstorganisation, Personalisierung, Synergetisches Navigationssystem (SNS)

Herausforderung: Evaluation in der Routinepraxis

Bis heute findet Evaluation in der psychotherapeutischen Praxis kaum statt. Zum einen ist es in einem strikten Sinn bislang nicht gefordert, die Wirksamkeit der eigenen Therapien zu systematisch zu belegen, zum anderen wird diese Arbeit gewissermassen durch «Outsourcing» erledigt, also durch Studien (z.B. Randomized Controlled Trials, RCTs), die bestimmte Behandlungsverfahren meist in universitären Kontexten als wirksam belegen sollen. Nimmt man allerdings die Befundlage zu den relevanten Faktoren und Prozessen in der Psychotherapie ernst (z.B. Wampold et al., 2018), so sind es eben die Faktoren und Bedingungen des jeweiligen Einzelfalls, die in ihrer Wechselwirkung den konkreten Verlauf und die konkreten Therapieeffekte («Outcome») hervorbringen (Schiepek et al., 2017; Wampold et al., 2017). Es geht dabei u.a. um Patienten- und Therapeutenmerkmale, die therapeutische Beziehung, Settingbedingungen, die Lebenswelt der Patient*innen, Verfahren und Interventionen. Deren nichtlineare Wechselwirkung erzeugt den Prozess einer Therapie, was in Konsequenz bedeutet, dass Verlauf und Ergebnis jeder einzelnen Therapie zu erfassen ist. Dies gilt auch für manualisiert durchgeführte Therapien, erst recht für solche, die – wie in der Praxis üblich – ihr Vorgehen an Patient*innen und am Prozess orientieren. Wampold et al. (2017, S. 24) drücken das wie folgt aus: «Any treatment […] only becomes real when it unfolds during the course of time» und «all psychotherapies, even the most constrained and manualized treatments, unfold differently in each instance, due to characteristics of the therapist and the client».

Digitalisierte Prozessevaluation: Möglichkeiten und Implikationen

Die Erfassung von Prozess und Outcome in der Routinepraxis ist ohne grossen Aufwand möglich geworden, seit digitalisierte, d.h. Internet- und App-basierte Verfahren zur Verfügung stehen, mit denen engmaschig und auf der Höhe des Geschehens Daten erfasst und ausgewertet werden können. Die Möglichkeiten der Therapieevaluation gehen damit weit über Prä-Post-Messungen (gegebenenfalls noch Katamnesen) mit bestimmten Standardfragebogen hinaus (z.B. zur Symptombelastung, zu interpersonellen Problemen oder zur Lebensqualität). Die Zeitpunkte, zu denen Patient*innen Daten (z.B. Selbsteinschätzungen) eingeben, sind beliebig dicht wählbar, wobei sich v.a. tägliche Eingaben als sinnvoll, nützlich und machbar herausgestellt haben (Kratzer et al., 2018; Michaelis et al., 2021; Schiepek et al., 2016a, b). Damit hat sich ein Sprung vollzogen von einer reinen Outcome-Evaluation zu einem Prozessmonitoring, das nicht nur zur Beurteilung, sondern vor allem auch zu Zwecken des Prozessfeedbacks und der Prozesssteuerung genutzt werden kann. Es handelt sich um einen qualitativen Sprung mit mehreren Implikationen:

Die Datenerfassung (meist als Selbsteinschätzungen des eigenen Befindens, Verhaltens und therapeutischen Fortschritts) erfolgt zeitnah, z.B. am Ende eines Tages mit Rückblick und Reflexion des eben abgelaufenen Tages. Damit vermeidet man Gedächtnisverzerrungen («memory biases»), die unvermeidlich sind, wenn man, wie bei Prä-Post-Erfassungen, längere Zeiträume (z.B. von einigen Wochen) beurteilen soll (Ebner-Priemer & Trull, 2009; Shiffman et al., 2008). Ein vielen Praktiker*innen bekannter Bias besteht darin, dass die aktuelle emotionale Befindlichkeit solche Rückblicke deutlich einfärbt («state-dependent memory» oder «mood congruent memory bias»; Eich et al., 1994; Ucros, 1989). Im Falle täglicher Einschätzungen ist die tagesaktuelle Emotionalität eine relevante Information, im Falle von Punktmessungen mit Bezug auf längere Zeiträume eine systematische Verzerrung.

Für hochfrequente Messungen liegt ein spezieller Fragebogen vor, der nicht nur die Problem- und Symptombelastung erfasst, sondern unterschiedliche prozessrelevante Faktoren und Mediatoren (Therapie-Prozessbogen, TPB; Schiepek et al., 2019a; Schiepek et al., i.D.). Der TPB enthält folgende Faktoren: «Wohlbefinden und positive Emotionen» (WPE), «Emotionale und Problembelastung» (EPB), «Verständnis/Zuversicht/therapeutische Fortschritte» (VZF), «Veränderungsmotivation» (MOT), «Achtsamkeit/Körpererleben/Bedürfnisse» (AKB) sowie für die (teil-)stationäre Psychotherapie noch «Therapeutische Beziehung und klinisches Setting» (TBS) und «Beziehung zu den Mitpatienten» (MIT). Der TPB umfasst für die ambulante Therapie 33 Items (Kurzfassung: 24 Items), für die (teil-)stationäre Therapie 43. Neben den quantitativen Einschätzungen, die in Form von Zeitreihen visualisierbar sind, können auch elektronische Tagebücher geschrieben werden, womit quantitative und qualitative Daten kombiniert werden.

Es gibt klinische Phänomene, die sich in Ein-Punkt- oder Prä-Post-Messungen nicht abbilden, da sie sich nicht im Level oder Niveau einer bestimmten Variable (z.B. einer Emotion oder eines kognitiven Zustands) manifestieren. Stattdessen manifestieren sie sich in der Dynamik, also im Prozessmuster der Variablen (Kashdan & Rottenberg, 2010; Schiepek, 2020). Hierzu gehören bipolare Störungen, emotionale Instabilität (z.B. bei Borderline-Persönlichkeitsstörungen), reduzierte Flexibilität kognitiver oder emotionaler Prozesse, rezidivierende Depressionen, das «Switchen» zwischen dissoziierten Ego-States u.a. Es handelt sich um dynamic diseases («dynamische Krankheiten»; an der Heiden, 1992; Rensing et al., 1987), die gerade in der Psychopathologie häufig und vielfältig auftreten. Die Evaluation von Veränderung erfordert hier eine Erfassung dynamischer Muster, was mit engmaschigem Prozessmonitoring möglich ist.

Abb. 1: Verlauf des Faktors «Emotionale und Problemintensität» (EPB) eines Patienten. x-Achse: Ausprägung des Faktors von 0 bis 100, wobei beteiligte Items entsprechend umgepolt und gemittelt wurden. y-Achse: Messzeitpunkte in Tagen. Linie mit grauem Konfidenzband (5% Konfidenzintervall): Standardtrack, resultierend aus der Mittelung von 150 Patient*innen (unterschiedliche Diagnosen, s. Schiepek et al., 2020) unter Berücksichtigung jeder 7. Messung, was einer Messung pro Woche entspricht (korrespondierend zu einer wöchentlichen Sitzungsfrequenz). Man erkennt, dass die Komplexität des Standardtracks im Vergleich zum realen Verlauf drastisch reduziert ist (Abb. aus ebd.).

Verfolgt man hochfrequent (z.B. täglich) erfasste Verlaufsmuster (sogenannte «Trajektorien»), so ist erkennbar, dass diese sehr komplex sind. Sie folgen keinem einheitlichen Trend, keinem «standard track», wie er etwa aus der Mittelung der Therapieverläufe von Patient*innen bestimmter Diagnosegruppen künstlich, also auf statistischem Weg zustande kommt (Finch et al., 2001). Vor allem sprunghafte qualitative Veränderungen einer Dynamik (sogenannte «Ordnungs»- oder «Phasenübergänge») weisen im Vorfeld kritische Schwankungen auf, die jenseits der Konfidenzintervalle statistisch erzeugter «standard tracks» liegen (Schiepek et al., 2020) (Abb. 1). Hochfrequente und mit gleichen zeitlichen (z.B. täglichen) Abständen erfasste Dynamiken weisen eine Komplexität auf, die nicht nur in gemittelten Verläufen, sondern auch bei selteneren Messungen (geringeren Messabständen) schnell verloren geht oder gar nicht erst erkennbar ist. In Abhängigkeit von einzelnen Messzeitpunkten entstehen nicht nur unterschiedliche Eindrücke des Verlaufs, sondern es werden die Dynamiken scheinbar auch immer linearer (Abb. 1 & 2).

Abb. 2: Die Abtastfrequenz hat Folgen für die Abbildung dynamischer Muster. (a) Zeitreihe des «Selbstwertgefühls» einer Patientin mit der Diagnose Borderline-Persönlichkeitsstörung, tägliche Selbsteinschätzungen auf einer visuellen Analogskala. Im ersten Drittel ist eine hoch volatile und komplexe Dynamik erkennbar, die sich danach deutlich reduziert. (b) & (c) Es werden nur Messpunkte im Abstand von etwa einer Woche berücksichtigt mit einer Variabilität von ± einigen Tagen um die Abtastfrequenz von 7 Tagen. Die Messwerte bleiben unverändert, aber der Gesamteindruck des Prozessmusters ändert sich grundlegend.

Die Prozessmuster einzelner Patient*innen sind erkennbar unterschiedlich, was einerseits die unterschiedlichen Erfahrungen widerspiegelt, die Patient*innen in ihren jeweiligen Therapien und Lebenswelten machen. Zugleich manifestiert sich darin der sogenannte «Schmetterlingseffekt», also die sensible Abhängigkeit nichtlinearer Systeme von ihren Startbedingungen, aber auch von minimalem Input oder Parameteränderungen. Wählt man aus vielen Verlaufsdaten (Zeitreihen) solche aus, die sehr ähnlich starten, erkennt man, dass sie sich nach kurzer Zeit völlig unterschiedlich entwickeln (Abb. 3). Damit sind sie, auch wenn man die Startbedingungen kennt, mittel- und langfristig nicht vorhersehbar. Terminologisch nennt man das «Chaos», mit Bezug auf die mathematische Chaostheorie auch «deterministisches Chaos», weil derartig komplexe und nicht vorhersehbare Dynamiken keine zufälligen oder stochastischen Prozesse sind, sondern bereits von völlig deterministischen Systemen (z.B. von gekoppelten nichtlinearen Gleichungen) erzeugt werden können. Komplexität, Individualität und begrenzte Vorhersehbarkeit sind somit Merkmale psychotherapeutischer Prozesse, in deren Anerkennung sich die Theorien nichtlinearer komplexer Systeme (Chaostheorie, Synergetik) einerseits und humanistische Positionen andererseits die Hand reichen (Haken & Schiepek, 2010; Kriz, 2017; Strunk & Schiepek, 2006). Neue Methoden der Therapieevaluation sollten sich hierfür offen zeigen.

Abb. 3: «Schmetterlingseffekt». Sensitive Abhängigkeit des Therapieverlaufs dreier verschiedener Patient*innen von minimalen Unterschieden in den ersten Messungen (Anfangsbedingungen). Dargestellt ist der Faktor «Emotionale und Problemintensität» des TPB. x-Achse: Ausprägung des Faktors auf einer Skala von 0 bis 100; y-Achse: Zeit (71 Messzeitpunkte in Tagen)

Bio-psycho-soziale Prozesse, wie sie in Psychotherapien ablaufen, sind – wie bereits betont – ein Produkt nichtlinearer Systeme. Dies bedeutet, dass die Wechselwirkungen zwischen den relevanten Faktoren oder Variablen nichtlinearen Funktionen folgen (Schiepek et al., 2017; Schöller et al., 2018). Neben chaotischen Dynamiken, also Prozessen, die hochkomplex und nur begrenzt vorhersehbar sind, aber dennoch einer inneren Ordnung folgen, sind es vor allem Phänomene der Selbstorganisation, die daraus resultieren (Haken & Schiepek, 2010). Dies bedeutet, dass in Lern- und Entwicklungsprozessen spontan neue Muster entstehen. Problemmuster können sich auflösen und sprunghaft in neue, geänderte Muster übergehen, wobei in Therapien oft mehrere solcher Übergänge infolge stattfinden. Therapie wäre demnach als eine Kaskade von Ordnungsübergängen (Musterwechsel) verstehbar. Vor solchen Musterwechseln treten häufig Vorboten (Frühwarnindikatoren) auf, z.B. kritische Instabilitäten, die die Destabilisierung bestehender dynamischer Muster ankündigen (ebd.; Olthof et al., 2019a, b; Schiepek et al., 2014), oder eine intensivierte Synchronisation zwischen Subsystemen oder Elementen, z.B. den Items eines Prozessfragebogens (Haken & Schiepek, 2010). Hochfrequente Prozessevaluation eröffnet Einblicke in die Selbstorganisation von Psychotherapie.

Abb. 4: SNS-basierte Therapiesitzung mit Bezug auf den visualisierten Therapieverlauf

Hochfrequentes Prozessmonitoring liefert die Datenbasis und die Analyseergebnisse für eine detaillierte und aktuelle Reflexion des Therapieverlaufs (Abb. 4). Therapeut*in und Patient*in können die Entwicklungen nachvollziehen und besprechen, auch um neue Einsichten in das Geschehen zu gewinnen und um gemeinsame Entscheidungen über das weitere Vorgehen zu treffen (continuous cooperative process management). Vor allem Phasen kritischer Instabilität bieten die Möglichkeit, die Entwicklung in unterschiedliche Richtungen zu bewegen und wirksam zu intervenieren. Patient*innen lernen ihren eigenen Prozess zu «steuern» im Sinne von «gestalten» und entwickeln damit ein Gefühl von Selbstwirksamkeit und -verantwortung. Auch die therapeutische Beziehung wird damit gefördert, da Patient*innen innerhalb und ausserhalb der Therapiesitzungen ein besonderes Interesse der Therapeut*innen an ihrer Entwicklung erleben (Moltu et al., 2018) und auch die Kommunikation über den Verlauf und über kritische Themen sich intensiviert (Unsworth et al., 2012). Prozessevaluation erhält damit eine zusätzliche Funktion, nämlich die von kontinuierlicher datenbasierter Prozesssteuerung.

Der tägliche Zugang zu einem standardisierten oder personalisierten Prozessfragebogen bedeutet auch, sich täglich mit wesentlichen Fragen der persönlichen Entwicklung zu befassen, d.h., über sein Erleben und seine Erfahrungen am jeweiligen Tag nachzudenken. Solches Bewusstmachen des Bewusstseins (Kognition, Emotion, Verhalten) enthält wesentliche Elemente von Mentalisierung (Fonagy et al., 2002) und Achtsamkeit (Harrer & Weiss, 2016). Insbesondere das Schreiben von thematisch offenen oder fokussierten Tagebüchern kann hierzu beitragen, natürlich auch Übungen und Aufgaben, die von Patient*in und Therapeut*in gemeinsam entwickelt werden. Die regelmässige Fokussierung auf persönliche Themen und Entwicklungsprojekte auch ausserhalb der Therapiesitzungen katalysiert den Veränderungsprozess bei Patient*innen und führt darüber hinaus eine stabilisierende Routine ein. Messung und Assessment sind somit auch Intervention, sie verändern den «Messgegenstand» bzw. das gemessene System. Wie bei fast allen psychologischen Datenerhebungen setzen sich Menschen dazu in Beziehung und verändern sich damit. Im Rahmen der Prozessevaluation ist das explizit beabsichtigt. Damit ergeben sich verschiedene Fragen der Validität und Reliabilität, die nicht mit Bezug auf Populationswerte oder Retest-Reliabilitäten zu beantworten sind. Diese Fragen liegen aber jenseits dieses Beitrags.

Festzuhalten ist, dass die Möglichkeiten digitalisierter Prozess- und Outcome-Evaluation keineswegs bürokratische Hürden aufbauen und Praktiker*innen vom Wesentlichen, nämlich der therapeutischen Arbeit abhalten (was manchmal zu Recht befürchtet wird), sondern die Praxis zu einem selbstlernenden System machen. Vor allem Prozessmonitoring auf der Höhe des Geschehens implementiert Feedback- und Reflexionsschleifen, die zu einer substanziellen Unterstützung therapeutischer Selbstorganisationsprozesse beitragen – a) durch ein vertieftes und theoriegeleitetes Verständnis dieser Prozesse, b) durch Feedbackgespräche und c) durch die regelmässige und hochfrequente Einbindung der Patient*innen in diesen Prozess. Im Folgenden wird eine Technologie vorgestellt, die speziell für die hier beschriebenen Evaluations- und Feedbackmöglichkeiten entwickelt wurde.

Das Synergetische Navigationssystem (SNS)

Entwickelt wurde das Synergetische Navigationssystem (SNS) seit dem Jahr 2005 und befindet sich in verschiedenen Kliniken, Tageskliniken und ambulanten Praxen im Routineeinsatz. Darüber hinaus findet es Anwendung in Beratung, Coaching, Teamentwicklung, Pädagogik, in letzter Zeit auch im Leistungssport.

Das System ist generisch und damit räumlich, zeitlich und hinsichtlich der zu benutzenden Fragebogen, aber auch hinsichtlich der Erfassung anderer Daten maximal flexibel. Es erlaubt die Nutzung unterschiedlicher lizenzrechtlich zugänglicher Fragebogen, die im System vorgehalten werden. Daneben gibt es die Möglichkeit, mithilfe eines Fragebogen-Editors weitere Fragebogen einzugeben, vor allem personalisierte, die mit Patient*innen gemeinsam entwickelt werden, z.B. auf Basis eines Ressourceninterviews oder einer idiografischen Systemmodellierung.

Die zeitliche Taktung der Messungen ist frei definierbar, z.B. einmalig zu Zwecken eines Screenings, zu wenigen Zeitpunkten, z.B. für einen Vergleich von Prä, Post und Katamnese oder von Zwischenzuständen (z.B. wöchentlich, monatlich), oder hochfrequent (z.B. täglich). Letzteres ist die übliche Messfrequenz zur Darstellung von Therapieverläufen (time sampling). Möglich ist auch eine Vorgabe zu beliebigen Zeitpunkten (event sampling), z.B. mehrmals am Tag, um die Reaktion auf spezifische Ereignisse wie Stress oder starke Emotionen zu erfassen.

Die Nutzung der App erfolgt, indem Smartphones oder Tablets von Patient*innen mit QR-Codes freigeschaltet werden. Patient*innen können mit der App ihre Fragebogen beantworten, elektronische Tagebücher ausfüllen sowie Nachrichten der Therapeut*innen erhalten.

In einer Benutzerdatei und in einem Archiv kann eine grosse Zahle von Nutzer*innen verwaltet werden. Sie werden mit wenigen Klicks angelegt, mit den gewünschten Fragebogen und Zeittaktungen versorgt, aktiviert oder auch wieder deaktiviert.

Visualisierung der Prozesse. Die Resultate der verfügbaren Outcome-Fragebogen werden in Form von Säulendiagrammen dargestellt, die Resultate der hochfrequent (z.B. täglich) beantworteten Prozessfragebogen in Form von Zeitreihen. Die Zeitreihen enthalten umfassende Informationen zum therapeutischen Prozess. Die Antwortskalen der Items (z.B. Likert-Skalen oder visuelle Analogskalen, aufgelöst in Abstufungen von 0 bis 100) werden dabei auf der y-Achse, die Zeit in Tagen oder in aufeinanderfolgenden Messpunkten auf der x-Achse dargestellt. Die Zeitreihen lassen sich in unterschiedlich grossen Diagrammen aufrufen, wobei man mit dem Cursor auf jeden beliebigen Messzeitpunkt gehen kann und in einem Tipptool neben dem Skalenwert und dem Datum der Eingabe auch den Tagebucheintrag lesen kann. Mehrere Zeitreihen können in einem Diagramm auch übereinander dargestellt werden, sodass man einen unmittelbaren Vergleich erhält. Die Subskalen (Faktoren) eines Prozessbogens werden in z-transformierten Verläufen gezeigt, also um den Mittelwert von 0 in Einheiten von Standardabweichungen. Dies hat den Vorteil, die prozessuale Gestalt der Verläufe besonders zu verdeutlichen und vergleichbar zu machen (Abb. 5). Sämtliche für eine Patientin, einen Patienten oder eine Gruppe (z.B. Paar, Familie) angelegten Diagramme bleiben für die nächste Nutzung (z.B. die nächste Therapiesitzung) erhalten und werden automatisch (bis zum letzten Eintrag) aktualisiert.

Abb. 5: (a) Rohwerte-Zeitreihe (Darstellung mit Datum und vertikalen Wochenend-Markierungen; Wertebereich von 0 bis 100), (b) Verlauf eines Faktors («Wohlbefinden und positive Emotionen», z-transformiert), (c) Überlagerung zweier Faktoren («Achtsamkeit/Körpererleben/Bedürfnisse» [steigend] und «Emotionale und Problembelastung» [fallend], z-transformiert)

Ein visueller Vergleich mehrerer Zeitreihen (z.B. aller Items eines Prozessfragebogens) ist in einem Rohwerte-Resonanzdiagramm möglich, der die Werte aller Zeitreihen in einer Regenbogen-Farbskala (geringster Wert: dunkelblau, höchster Wert: rot) zeilenweise darstellt (Abb. 6).

Abb. 6: Rohwerte-Resonanz-Diagramm. Dieses Beispiel zeigt eine sprunghafte Veränderung gegen Ende der Therapiezeit.

Prozessanalyse. Für die Auswertung der Prozessdaten stehen unterschiedliche Analyseverfahren zur Verfügung.

Die dynamische Komplexität erfasst die Komplexität von Zeitreihen mit einer Kombination aus Amplitude, Frequenz und Verteilung der Werte über die verfügbare Skala oder den empirischen Wertebereich. Die Berechnung erfolgt in einem Gleitfenster frei wählbarer Breite, das pro Messgrösse den gesamten Verlauf abscannt und in einer eigenen Zeitreihe darstellt. Man bezeichnet sie daher als dynamische Komplexität (Haken & Schiepek, 2010; Schiepek & Strunk, 2010). Sie kann optisch über den Verlauf der Zeitreihe, für die sie berechnet wurde, gelegt oder es können mehrere Komplexitätsverläufe (auch von Items aus den Fragebogen verschiedener Personen) überlagert oder gemittelt werden.

Die dynamische Komplexität zeigt, wann ein Prozess sich in eine kritische Instabilität hineinbewegt. Kritische Fluktuationen oder kritische Instabilitäten sind häufig Vorläufer von Musterwechseln (vgl. Scheffer et al., 2009), sei es in Richtung von «sudden gains» oder von «sudden losses». Auch vor Suiziden und Suizidversuchen können kritische Fluktuationen als «early warning signals» auftreten (Fartacek et al., 2016). Ein weiterer Zweck ergibt sich durch die Tatsache, dass pathologische Prozesse oft durch intensivierte (z.B. Emotionsschwankungen bei Borderline-Störungen) oder umgekehrt durch eingeschränkte Dynamiken (z.B. rigide oder verflachte Emotionalität bei Depression) gekennzeichnet sind. Die Veränderung der dynamischen Komplexität ist mithin ein unmittelbares Merkmal therapeutischer Effekte.

Neben der Darstellung in Zeitreihen kann die dynamische Komplexität in einer Farbskala (von dunkelblau = 0 bis dunkelrot = höchster Wert) dargestellt werden (Abb. 7). In einem Farbdiagramm werden die einzelnen Items eines Fragebogens in Linien übereinander gezeigt, wobei alle oder nur einzelne Items (sortiert nach Faktoren bzw. Subskalen) ausgewählt werden können. Da man daran erkennt, bei welchen Items Komplexitätsänderungen synchron auftreten, werden diese Darstellungen als Komplexitäts-Resonanz-Diagramme (KRDs) bezeichnet. Im Default Modus entspricht dunkelrot dem höchsten Wert, der bei irgendeinem Item zu irgendeinem Zeitpunkt auftritt. Mit einem Schieberegler ist es möglich, diesen Maximalwert nach unten zu regulieren, womit sich die Regenbogenskala von 0 bis zu dem gewählten niedrigeren Wert aufspannt, darüber sind alle Pixel des KRD rot. Damit ist eine bessere Kalibrierung der Komplexitätsmuster möglich (entsprechend dem Kontrast in der Fotografie).

Abb. 7: Komplexitäts-Resonanz-Diagramm

Recurrence Plots. Das Verfahren macht wiederkehrende Werteabfolgen von Zeitreihen in einem Zeit x Zeit-Diagramm erkennbar (Coco et al., 2021; Webber & Marwan, 2015). Es beruht auf der Einbettung von Zeitreihen in einem Phasenraum mit Zeitverzögerungskoordinaten, wobei die euklidischen Abstände der Vektorpunkte direkt in Farbe übertragen (Farb-Recurrence Plots, Abb. 8) oder nach Vorgabe eines Radius um jeden Vektorpunkt binär markiert werden (Nachbarpunkt innerhalb oder ausserhalb des wählbaren Radius; Schwarz-Weiss-Plot). Phasen wiederkehrender, stabiler Dynamik werden als «recurrent» markiert (z.B. in Blautönen oder mit Pixeln), Musterwechsel (Ordnungsübergänge) dagegen als Transienten (Rot- und Orangefärbung, keine Pixel). Recurrence Plots und KRDs zeigen in vielen Fällen komplementäre Muster, d.h., an den Stellen, an denen im KRD kritische Instabilitäten erkennbar sind, treten in Recurrence Plots Transienten, also dynamische Übergangsszenarien auf.

Abb. 8: Recurrence Plot

Synchronisationsmuster. Die Inter-Korrelationen von Items werden in einer Matrix in Farbabstufungen dargestellt (von -1 [dunkelrot] über 0 [weiss] bis +1 [dunkelgrün]) (Abb. 9). Die Korrelationsmatrizen werden in einem frei wählbaren Zeitfenster berechnet. Mit einem Marker kann man die Matrizen über den Verlauf ziehen, was die Veränderung der Synchronisationsmuster wie in einem Film sichtbar macht. Bis zu vier Matrizen können optisch fixiert werden. Bemerkenswert ist die lokale (zeitlich begrenzte) Zunahme der Inter-Item-Synchronisation während Perioden kritischer Instabilität und während der Transienten in den Recurrence Plots (für eine Illustration anhand von Fallbeispielen s. Schiepek et al., 2016a, 2018).

Abb. 9: Schnappschuss einer Korrelationsmatrix

Die Korrelationswerte zwischen Item-Paaren können im Verlauf dargestellt werden, wobei auf der x-Achse die Zeit und auf der y-Achse die Korrelationen von -1 bis +1 aufgetragen sind. Hierfür reicht ein Klick in die Zelle der Korrelationsmatrix, die den Schnittpunkt zwischen den beiden ausgewählten Items bildet. In der klinischen Praxis kann die Darstellung der Inter-Item-Korrelationen wertvolle Beiträge zur Hypothesenbildung über Zusammenhänge zwischen verschiedenen Kognitionen und Emotionen einer Patientin, eines Patienten liefern. Die Korrelationsdynamiken zwischen mehreren Item-Paaren können übereinandergelegt und damit direkt verglichen werden.

Werden die Absolutwerte der Inter-Item-Korrelationen zu einem mittleren Korrelationsverlauf gebündelt, erhält man ein Mass der inneren Kohärenz (Ordnerstärke) der Dynamik (unabhängig davon, ob die Verläufe direkt oder spiegelverkehrt synchron verlaufen). Schliesslich ist es möglich, die Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit aufeinanderfolgender Korrelationsmatrizen zu beurteilen, indem man diese selbst wieder untereinander korreliert (Meta-Korrelationsmatrizen). Damit werden Perioden deutlich, die stabile oder sich ändernde Korrelationsmuster aufweisen.

Ampeln. Die im SNS verfügbaren Ampeln können frei konfiguriert werden. Die zu einem Ampelindex zusammengestelltem Items (auch von unterschiedlichen Fragebogen) werden in einem Gleitfenster gemittelt, um zu sehen, auf welchem Level der Index (z.B. erlebte Stabilität, Veränderungsmotivation oder Suizidgefährdung) verläuft oder ob ein bestimmter Schwellenwert über- oder unterschritten wird. Es können auch Ampeln zur Veränderung (Anstieg oder Abnahme) der dynamischen Komplexität konfiguriert werden. Die Ampeln folgen nicht der Idee eines «standard tracks» mit Populationsreferenz (Liegt der konkrete Verlauf also innerhalb oder ausserhalb eines Tracks?), sondern nehmen auf den konkreten Fall Bezug (intraindividuelle Referenz).

Abb. 10: Schnappschuss einer Interaktions-Matrix

Interpersonelle Prozesse. Es gibt mehrere Möglichkeiten, interpersonelle Prozesse im SNS darzustellen. Eine beruht auf sogenannten Interaktionsmatrizen, bei denen sich Personen einer Gruppe, eines Teams oder einer Familie gegenseitig beurteilen, nämlich wie intensiv sie zu der jeweils anderen Person auf einer «Dimension» senden und wie intensiv sie von den jeweils anderen Personen empfangen. Solche Dimensionen können «Stress», «Unterstützung», «Sympathie» o.Ä. sein, wobei es auch einen Selbstbezug gibt (Was sende ich auf der jeweiligen Dimension an mich selbst?). Es resultiert eine Matrix mit den Personen als Zeilen und Spalten, wobei in jeder Zelle ein farbiger Pfeil zeigt, wie intensiv (Farbsättigung) die jeweilige Person auf der entsprechenden Dimension auf die andere Person gesendet hat, und der Komplementärpfeil, wie intensiv die adressierte Person dies wahrgenommen hat (Abb. 10). Auch hier können mehrere Einschätzungen in Folge (z.B. nach Familientherapie-Sitzungen) sich verändernde Beziehungsmuster erfassen und sichtbar machen. Verschiedene Kennwerte der Zeilen und Spalten charakterisieren die Dynamik einzelner Personen und des sozialen Systems als Ganzes.

Weitere Möglichkeiten der Visualisierung interpersoneller Prozesse sind Rohwerte- und Komplexitäts-Resonanz-Diagramme, die nicht nur die Items eines Fragebogens einer Person enthalten, sondern Items unterschiedlicher Personen, womit interpersonelle Resonanz- und Synchronisationsprozesse unmittelbar sichtbar werden. Zudem können, wie bereits angesprochen, Verläufe (Zeitreihen) verschiedener Personen in einem Diagramm übereinandergelegt werden, womit sich die Dynamiken der Personen (z.B. im Hinblick auf Stress, Energie, Problembelastung, etc.) unmittelbar vergleichen lassen.

Fazit

Das SNS-basierte Prozess- und Outcome-Monitoring wurde dafür entwickelt, in der Routinepraxis flächendeckend eingesetzt zu werden. Es gibt keine Einschränkungen hinsichtlich Setting (ambulant, tagesklinisch, stationär), Diagnosegruppe oder Verfahren bzw. Therapierichtung. In der Tat wurde und wird das System in der Kooperation mit Patient*innen vieler verschiedener Diagnosegruppen und von Therapeut*innen unterschiedlichster Ausbildung und Ausrichtung eingesetzt. Sofern eine therapieübliche Kommunikation möglich ist, können Patient*innen Feedbackgespräche und Reflexionen über die im SNS erkennbaren Verlaufsmuster durchführen. Es zeigen sich in unterschiedlichen Settings hohe Compliance-Raten, etwa im Bereich von knapp 80% (Median: 89%) in der (teil-)stationären Psychotherapie (Schiepek et al., 2016b) oder von 31 bis 100% (Median: 93%) im Bereich der ambulanten Psychotherapie mit Epilepsie-Patient*innen (Monitoring-Zeitraum: 180 Tage; Michaelis et al., 2021). Zu der hohen Compliance tragen vor allem die erlebte Sinnhaftigkeit des Monitorings in der Therapie und technische Aspekte wie Usability und Funktionsstabilität bei.

Die Möglichkeit eines flächendeckenden Einsatzes in der Routinepraxis eröffnet auch neue Möglichkeiten der praxisbasierten Forschung. Einerseits kommen dadurch Fallzahlen zustande, die weit über die Stichprobengrössen einzelner Studien hinausgehen und damit eine Antwort auf die «Replikationskrise» (z.B., Ioannidis, 2005; Kühberger et al., 2014) der Psychotherapieforschung bieten könnten. Andererseits kann sich jede*r Praktiker*in beteiligen, was als «Empowerment» der Praxis und als Demokratisierung der Forschung gesehen werden kann und damit als weiterer Professionalisierungsschub der Psychotherapie. Ein dritter Aspekt betrifft Praxis und Forschung gleichzeitig: Patient*innen machen ihre Dateneingabe in ihrem realen Lebensumfeld, indem sie die App täglich benutzen. Damit kommen die Daten nicht nur zeitnah zum Erleben, sondern auch aus der Lebenswelt, dem «Ökosystem» der Patient*innen. Der Ansatz ist öko-systemisch und ökologisch valide, was der Auffassung entspricht, dass Lernen und Entwicklung sich in den Ökosystemen abspielen, mehr als in den Therapiesitzungen.

Abb. 11: Synergetisches Prozessmanagement. Patient*in und Therapeut*in entwickeln ein idiografisches Systemmodell, aus dessen Elementen (Variablen) ein personalisierter Prozessfragebogen entwickelt wird. Die Therapiegespräche beziehen sich auf das Modell und auf die resultierenden Visualisierungen des Prozesses.

Schliesslich existiert die inzwischen beliebte Option, das Monitoring personalisiert, also mit individuellen Fragebogen durchzuführen, die aus einer gemeinsamen Fallkonzeption resultieren (Abb. 11). Dies erlaubt zusammen mit der engmaschigen Erfassung des Prozesses einen detaillierten Einblick in die speziellen persönlichen Bedingungen und Qualitäten von Veränderung, einschliesslich persönlicher Sichtweisen, Psychodynamiken und Bewertungen, wie sie mit Prä-Post-Vergleichen durch Standardverfahren nicht zu erhalten sind (Desmet et al., 2021). Damit lassen sich auch Idiografik und Nomothetik, also ein detailliertes Fall- und Prozessverständnis (Kasuistik) einerseits und die Aggregationen vieler Fälle (Big Data) andererseits, systematisch verbinden und integrieren.

Epilog

Der Schwerpunkt dieses Beitrags liegt darin, einige Probleme und Limitierungen der klassischer Prä-Post-Vergleiche mit Standardfragebogen aufzuzeigen. Als Alternative wurde der Ansatz des «Synergetischen Prozessmanagements» skizziert, der auf regelmässigen Selbsteinschätzungen («time sampling» täglich) und auch auf regelmässigen Feedback-Gesprächen von Therapeut*in und Patient*in beruht. Natürlich gibt es auch andere Vorgehensweisen wie «Routine Outcome Monitoring (ROM)» (z.B. Boyce et al., 2014; Carlier et al., 2012) oder «Feedback-Informed Therapy (FIT)» (z.B. Prescott et al., 2017). Ein häufig benutzter Ansatz nutzt den «Outcome Questionniare (OQ)», um Einzelverläufe mit einem Standardverlauf («standard track») zu vergleichen und Abweichungen davon zu erkennen (z.B. Probst et al., 2013; Shimokawa et al., 2010). Neben der Messfrequenz und der Frage, ob die Einschätzungen in den Sitzungen oder im realen Lebensumfeld der Patient*innen erfolgen sollten, liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen den Ansätzen auch in der theoretischen Konzeption von Veränderung: Handelt es sich um lineare oder um nichtlineare Prozesse, interventionsgetrieben oder selbstorganisiert?

Trotz der erkennbaren Vorteile gibt es auch für prozessorientierte Alternativen in der Evaluationsforschung Hürden und Limitierungen (de Jong & de Goede, 2015). Wie bei der Einführung anderer Therapietechniken besteht zunächst ein Mehraufwand, der sich aber nach kurzer Zeit deutlich reduziert. Feedbacktechnologien müssen sich in bestehende Arbeitsroutinen einfügen (Boyce et al., 2014), wobei die technische Infrastruktur (z.B. Apps, Smartphones, Tablets, PC-Bildschirme) heute zum Alltag gehört. Implementierungen erfordern darüber hinaus aber auch Training und technischen Support (Callaly et al., 2006). Bedenken richten sich im Vorfeld oft darauf, kontrolliert und bewertet zu werden (Ionita et al., 2016) oder auf die Gewährleistung von Usability, Stabilität und technischer Einfachheit. Vor allem naturwissenschaftlich-technische Methoden werden in der Psychotherapie noch immer mit Argwohn betrachtet oder der unmittelbare Nutzen erscheint noch nicht evident genug. Ein weiterer Einwand richtet sich auf mögliche negative Effekte computerbasierter Technologien auf die therapeutische Beziehung. Befürchtet wird eine Entfremdung durch technische Medien oder eine kontrollierende Einschränkung des Therapeuten durch die «Überwachung» des Therapieprozesses. In der Praxis lassen sich solche Befürchtungen nicht bestätigen. Sowohl praktische Erfahrungen wie Studien (McClintock et al., 2017; Moltu et al., 2018) sprechen für eine Verbesserung der therapeutischen Beziehung, der erlebten Empathie und der Offenheit der Kommunikation durch die Nutzung von Therapiefeedback. Prozessfeedback liefert auch für kritische Themen einen Kommunikationsanlass (Carlier et al., 2012; Unsworth et al., 2012). Allerdings ist festzustellen, dass nach Überwindung aller Herausforderungen immer noch Unterschiede zwischen Therapeut*innen in der Akzeptanz von Real-Time Monitoring-Systemen bleiben (de Jong & de Goede, 2015; Lucock et al., 2015).

Therapiefeedback sollte nicht nur neue Möglichkeiten der Evaluation eröffnen, sondern auch den Prozess katalysieren und therapeutische Effekte zeigen (für eine Zusammenstellung s. Schiepek et al., 2019b). Aber selbst dieser wünschenswerte Effekt ist mit mindestens zwei Herausforderungen verbunden: Erstens verändert damit die Messung den Messgegenstand, was in der Psychologie, also in der Erforschung bewusstseinsfähiger und selbstreflexiver Lebewesen zwar fast immer der Fall, aber methodologisch noch nicht ausreichend verankert ist, und zweitens muss dieser Effekt empirisch nachgewiesen werden, sowohl bezüglich der Effektstärken wie auch bezüglich der Wirkmechanismen. Das sind in Zukunft grosse Themen der Evaluationsforschung.

Die Nutzung von Feedbacksystemen sollte in die Therapieausbildung integriert werden (Lutz & Rubel, 2015), wobei das «Wie» entsprechender Aus- und Weiterbildungen vom «Wie» des Prozessfeedbacks selbst abhängt. Neben dem theoretischen Hintergrund (Wie funktioniert Veränderung?), den implementierten zeitreihenanalytischen Methoden und dem Handling der Technologie spielt es dabei eine Rolle, Prozessmonitoring für die Begleitung eigener Veränderungsprozesse (Selbsterfahrung) und als Grundlage für die Fallsupervision zu verwenden. Wie erkennbar, haben neue Methoden der Evaluation weitreichende Konsequenzen für fast alle Bereiche der psychotherapeutischen Praxis und Forschung.

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Process and outcome evaluation with the help of the Synergetic Navigation System (SNS)

Abstract: Process and outcome in psychotherapy can be seen as results of a self-organizing system which includes all factors contributing to success or failure in a specific case: patient and therapist factors, the therapeutic alliance, the setting, the living environment of the patient, interventions and all intended or unintended treatment components. In consequence, evaluation has to be implemented in real-world practice, not only in specific studies. New methods of digitalized outcome and process monitoring like the Synergetic Navigation System (SNS) facilitate the assessment and the analysis of self-organized dynamics and outcome in psychotherapy. In routine-practice, daily self-assessments mirror the complex dynamics of change and deliver the data base for the automatically applied nonlinear analysis methods on time series. The visualization of the therapeutic process on a computer screen allows the cooperative reflection of the dynamics by patient and therapist (continuous cooperative process management). By this, the evaluation of processes actively contributes to change dynamics and is a learning process of its own. By using the SNS not only standardized outcome and process questionnaires can be applied but also personalized questionnaires which are created by the patient and the therapist from a systemic case conceptualization (idiographic system modelling).

Keywords: evaluation, real-time monitoring, process feedback, feedback-driven practice, practice-based research, self-organization, personalization, Synergetic Navigation System (SNS)

Valutazione dei risultati e dei processi con l’ausilio del sistema sinergico di navigazione (SNS)

Riassunto: La valutazione della pratica psicoterapeutica standard non è solo utile in quanto gli effetti della terapia sono influenzati dalle condizioni e dai processi adottati nei singoli casi, ma anche perché le modalità di valutazione sono cambiate nella sostanza. Le nuove possibilità offerte dalla digitalizzazione sviluppata grazie alle recenti tecnologie relative a internet e alle app hanno facilitato la raccolta dei risultati e dei dati riguardanti i processi delle pratiche terapeutiche e forniscono, sulla base dei campionamenti frequentemente rilevati, un quadro sugli sviluppi attuali. In tal modo la valutazione apporta un contributo importante per una formazione attiva delle psicoterapie, per ricevere feedback e formulare riflessioni relativamente ai processi impiegati coinvolgendo alla pari il paziente. Il sistema di navigazione sinergico (SNS), che combina raccolta, salvataggio e analisi dei dati, è stato sviluppato proprio per queste possibilità di valutazione dei risultati e dei processi adottati nelle psicoterapie. I pazienti possono dare delle valutazioni quantitative tramite app (ad esempio indicare un valore in una scala) e scrivere annotazioni in un diario elettronico che poi potranno essere visualizzate su schermo sotto forma di serie temporali o campi di testo. I diversi metodi forniscono un quadro delle caratteristiche non lineari dei processi terapeutici (ad es. instabilità critiche) e dei cambiamenti di paradigma avvenuti. L’SNS soddisfa in tal modo le varie funzioni che comprendonodi valutazione terapeutica, formulazione di riflessioni, gestione dei processi nonché ricerca nell’ambito della pratica terapeutica. Oltre ai questionari standardizzati disponibili, è possibile redarre anche dei questionari personalizzati le cui voci derivano da un’analisi elaborata dal terapeuta insieme al paziente (ad es. creazione di modelli di sistema idiografici).

Parole chiave: valutazione, riflessioni sui processi terapeutici, gestione della terapia, digitalizzazione, dinamica non lineare, autorganizzazione, personalizzazione, sistema di navigazione sinergico (SNS)

Der Autor

Univ.-Prof. Dr. phil. Dr. phil. habil. Günter Schiepek ist Leiter des Instituts für Synergetik und Psychotherapieforschung an der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität Salzburg, dort und an der Ludwig-Maximilians-Universität München Professor. 2019 Gastprofessur an der Sapienza Universität Rom. Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften und Künste. Ehrenmitglied der Systemischen Gesellschaft. Seine Arbeitsschwerpunkte sind: Synergetik und Dynamik nichtlinearer Systeme in Psychologie, Management und in den Neurowissenschaften sowie Prozess-Outcome-Forschung in der Psychotherapie.

Kontakt

E-Mail: guenter.schiepek@ccsys.de