Luzides Träumen als Technik in der Psychotherapie

Brigitte Holzinger & Eirin Fränkl

Psychotherapie-Wissenschaft 11 (2) 2021 57–63

www.psychotherapie-wissenschaft.info

CC BY-NC-ND

https://doi.org/10.30820/1664-9583-2021-2-57

Zusammenfassung: Luzides Träumen stellt ein besonderes Traumphänomen dar, das Aspekte des Bewusstseins und des Schlafes in ein Erlebnis integriert. Es zeichnet sich vor allem durch das Bewusstsein der träumenden Person aus, dass sie aktuell träumt. Im luziden Traum sind Träumende in der Lage, aktiv in das Traumgeschehen einzugreifen und es zu verändern. Dadurch werden Bereiche wie die wahrgenommene Selbstwirksamkeit und Selbstkontrolle gestärkt. Luzides Träumen hat als Forschungsgegenstand in den letzten Jahren an Aufmerksamkeit gewonnen, insbesondere in der Neuropsychologie. Wenig erforscht wurde bisher jedoch der Einsatz von luziden Träumen als Behandlungsansatz in der Psychotherapie. Luzidtraumtraining (LTT) stellt einen innovativen Behandlungsansatz dar, der viel Potenzial birgt. Insbesondere bei der Behandlung von Albträumen, auch beispielsweise im Rahmen einer Posttraumatischen Belastungsstörung, wurden bereits erste vielversprechende Ergebnisse bezüglich der Wirksamkeit verzeichnet. Trotz vermehrter Hinweise auf den positiven Effekt von luziden Träumen auf die Psyche, steht die Evaluierung von LTT als psychotherapeutische Technik noch am Anfang und weitere Studien sind notwendig, um den Effekt von LTT tiefergehend zu untersuchen.

Schlüsselwörter: luzides Träumen, Klartraum, Luzidtraumtraining, Albtraum, Psychotherapie

Der luzide Traum

Menschen können während des Schlafs einen Zustand zwischen vollem Bewusstsein und Träumen erleben – der luzide Traum. Luzides Träumen zeichnet sich, im Unterschied zu anderen Traumerlebnissen, dadurch aus, dass die träumende Person sich darüber bewusst ist, dass sie träumt. Durch dieses Bewusstsein erlangt der Träumer oder die Träumerin die Möglichkeit, aktiv in den Inhalt und den Verlauf des Traums einzugreifen und ihn zu verändern (LaBerge, 1980; LaBerge & Rheingold, 1991). Entsprechend der Theorie Edelmans (2003) nehmen wir an, dass das Bewusstsein bimodal ist; es lässt sich in das primäre und das sekundäre Bewusstsein unterteilen. Das primäre Bewusstsein ermöglicht demnach die einfache Wahrnehmung der Umwelt, einschliesslich Emotionen, und wird von den meisten Tieren erlebt. Das sekundäre Bewusstsein hingegen beschreibt den Zustand, sich über das eigene Bewusstsein bewusst zu werden, und beinhaltet Fähigkeiten wie Willenskraft und rationales Denken. Diese höhere Form des Bewusstseins wird vor allem den Menschen zugeschrieben. Reguläre Träume können demnach dem primären Bewusstsein zugeordnet werden, während luzide Träume sekundäre Prozesse im primären Bewusstsein integrieren (Hobson & Voss, 2010). Luzide Träume können also als ein Phänomen beschrieben werden, das sowohl Aspekte des Wachseins als auch des Träumens beinhaltet.

Während die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit luziden Träumen ein relativ junges Forschungsfeld darstellt, können erste Berichte über das Phänomen bereits im antiken Griechenland gefunden werden. So berichtete bereits Aristoteles von Träumen, in denen er sich dessen bewusst gewesen sei, dass er träume (vgl. Holzinger, 2009). Eine systematische Aufarbeitung erfolgte erst sehr viel später im 19. Jahrhundert durch Léon d’Hervey de Saint-Denys, einer der Pioniere der luziden Traumforschung (vgl. Haas, 2015). Er veröffentliche unter dem Titel Les Rèves et les Moyens de les Dirigier das erste Buch zum Thema, in dem er seine Erfahrungen mit Traumarbeit und luziden Träumen schilderte (d’Hervey de Saint-Denys, 1867). Als Namensgeber des Phänomens gilt der niederländische Psychologe Frederik Willems van Eeden. Er schilderte seine eigenen Erlebnisse mit luziden Träumen erstmals 1913 vor der Society for Psychical Research und bezeichnet luzides Träumen wie folgt: «[T]he reintegration of the psychic functions is so complete that the sleeper remembers day-life and his own condition, reaches a state of perfect awareness, and is able to direct his attention, and to attempt different acts of free volition» (van Eeden, 1913, S. 149f.). Van Eeden stand ausserdem in Briefkontakt mit Sigmund Freud und schilderte ihm seine nächtlichen Traumerfahrungen (vgl. Holzinger, 2009).

Das generelle Forschungsinteresse an Träumen nahm erst mit Freuds Arbeiten zur Traumdeutung zu, in denen er erklärte, dass Träume die Brücke zum Unterbewusstsein darstellen. Demnach manifestieren sich verdrängte Wünsche in Trauminhalten (Freud, 2007). Freud ordnete die Berichte über Erfahrungen mit luziden Träumen seinem psychoanalytischen Konzept der Wunscherfüllung zu, mit der Begründung, der Träumende habe den Wunsch gehabt, «seine Träume zu beobachten und sich an ihnen zu ergötzen» (ebd., S. 561), und verfolgte das Phänomen nicht weiter.

Obwohl das Phänomen des luziden Traums also bereits bekannt war, erfolgte der wissenschaftliche Nachweis erst Ende der 1970er Jahre durch Stephen LaBerge. In seinen Arbeiten im Schlaflabor wurden im Vorhinein festgelegte Muster von Augenbewegungen aus einem luziden Traum heraus kommuniziert (Gackenbach & La Berge, 1988; La Berge et al., 1981), basierend auf der Annahme, dass messbare Augenbewegungen die Blickrichtung im Traum repräsentieren (Dement & Kleitman, 1957).

Als einer der Pioniere in der Erforschung des luziden Traums ist ausserdem Paul Tholey zu nennen. Er ermöglichte durch seine detaillierten Beschreibungen seiner Selbstexperimente mit luziden Träumen neue Einblicke in das Feld und prägte den Begriff des Klarträumens (z. B. Tholey, 1980). Seine Studien waren auch die ersten, die das Üben von Bewegungsabläufen im luziden Traum erforschten (Tholey, 1991). Tholey (1980) lieferte ausserdem eine stringente Definition für den luziden Traum, indem er sieben Kriterien zur Kategorisierung von luziden Träumen definierte:

1. Klarheit über den Bewusstseinszustand: darüber, dass man träumt

2. Klarheit über die eigene Entscheidungsfreiheit: darüber, ob man z. B. vor einer Albtraumfigur flüchtet oder sich mit ihr anzufreunden versucht

3. Klarheit des Bewusstseins, im Gegensatz zum Trübungs-, Verwirrtheits- oder Dämmerzustand

4. Klarheit über das Wachleben: darüber, wer man ist und was man sich für diesen Traum vorgenommen hat

5. Klarheit der Wahrnehmung: dessen, was man sieht, hört, riecht, schmeckt und fühlt

6. Klarheit über den Sinn des Traums

7. Klarheit der Erinnerung an den Traum (dieser Punkt bezieht sich im Gegensatz zu den anderen nur indirekt auf den Traumzustand)

Hierbei stellen nach Tholey die Kriterien 1–4 unerlässliche Bedingungen für die Kategorisierung als Klartraum dar, während die Kriterien 5–7 nicht unbedingt eine Voraussetzung darstellen. Diese Kriterien wurden später von Holzinger (2014) angepasst, um sie enger mit neueren neurophysiologischen Erkenntnissen sowie gestalttherapeutischen Annahmen in Verbindung zu bringen:

1. Awareness über die (räumliche) Orientierung

2. Awareness über die Wahlfähigkeit

3. Awareness darüber, dass man in einem Zustand (intensiver) Konzentration ist (Bewusstsein von «Flow», siehe Csikszentmihalyi et al., 2014)

4. Awareness über Identität (das «Ich»)

5. Awareness über die Traumumgebung

6. Awareness über die Bedeutung und den Inhalt des Traums

7. Awareness über das Gedächtnis

Kriterium 1 beschreibt die selbstreflexive Fähigkeit, die Traumumgebung zu erkennen und sich darin zu verorten. Sich eines Traums bewusst zu sein, macht den Traum jedoch nicht klar; es ist die Wahlfähigkeit in Kombination mit der räumlichen Orientierung, die einen regulären Traum von einem Klartraum unterscheidet. Kriterien 1 und 2 sind wesentlich für das Erleben eines Klartraums und müssen beide erfüllt sein, um einen Traum als luzid einzustufen. Die Kriterien vereinfachen die Kategorisierung als luziden Traum und ermöglich somit auch die Abgrenzung zu anderen, verwandten Traumphänomenen.

Die genannten sieben Kriterien des luziden Traums spiegeln sich auch in neurophysiologischen Prozessen, die während des luziden Träumens stattfinden, wider (Holzinger & Mayer, 2020a). Das Auftreten luzider Träume wird generell mit dem REM-Schlaf in Verbindung gebracht, wobei der REM-Schlaf mit luziden Träumen sich hinsichtlich des Aktivitätsmusters vom REM-Schlaf ohne luzides Träumen unterscheidet (Mota-Rolim & Araujo, 2013). Untersuchungen haben gezeigt, dass komplexe Gehirnprozesse an luziden Träumen beteiligt sind. Beispielsweise findet sich die Aktivierung frontaler und frontolateraler Hirnregionen nur während des Klarträumens (Hobson & Pace-Schott, 2002; Voss et al., 2009), die einer Vielzahl an höheren kognitiven Fähigkeiten zugrunde liegen. Andere EEG-Studien konnten eine erhöhte Aktivierung mehrerer Gehirnregionen während REM-Perioden mit luziden Träumen zeigen, einschliesslich des bilateralen Precuneus und Parietallappens (Dresler et al., 2012) und einem erhöhten Beta-1-Frequenzband im linken Parietallappen (Holzinger et al., 2006). Generell gilt die Reaktivierung von Hirnarealen, die während nicht-luzider REM-Schlafträume inaktiv sind, als wichtiges Merkmal des luziden Träumens. Dieses Aktivitätsmuster kann das Wiedererlangen der kognitiv reflexiven Fähigkeiten und des Bewusstseins im luziden Traum erklären.

Verwandte Phänomene

Als Vorstadium des luziden Traums kann das Phänomen des präluziden Träumens angesehen werden, bei dem entweder Kriterium 1 oder 2 erfüllt wird. Hierbei bestehen qualitative Unterschiede hinsichtlich des Bewusstseins und der Kognition im Vergleich zu herkömmlichen Träumen, die sich beispielsweise dadurch bemerkbar machen, dass sich Träumende fragen, ob sie träumen oder nicht, und sich der unwirklichen Qualität ihrer Traumumgebung bewusst werden, ohne diese vollständig zu erfassen (Brooks et al., 2000). Der präluzide Traum erfüllt allerdings nicht die zuvor genannten wesentlichen Kriterien des luziden Traums und muss daher von diesem unterschieden werden (Holzinger et al., 1998). Die Differenzierung vom Klartraum gilt auch für weitere Traumphänomene, wie «False Awakenings», bei denen Personen träumen, dass sie aufwachen und im Traum gewöhnlichen Morgenritualen nachgehen (Green, 1968).

Ein weiteres Konzept, das es von luziden Träumen abzugrenzen gilt, ist die Schlafparalyse. Sie bezeichnet eine vorübergehende Bewegungsunfähigkeit beim Einschlafen oder Erwachen (American Academy of Sleep Medicine, 2014). Diese völlige Bewegungsunfähigkeit bei vollständiger Wachheit tritt häufig in Kombination mit Halluzinationen auf (Cheyne & Girard, 2007). Schlafparalysen und luzides Träumen weisen einige Gemeinsamkeiten auf. Beide Zustände bewegen sich zwischen Wachheit und Schlaf und ähneln sich in den zugrunde liegenden neurophysiologischen Prozessen. Das Auftreten von Schlafparalysen wurde auch mit der Häufigkeit von luziden Träumen in Verbindung gebracht (Denis & Poerio, 2017). Allerdings zeichnet sich die Schlafparalyse durch einen Kontrollverlust aus, Betroffene können nicht in ihren Zustand eingreifen, während beim luziden Träumen eben das hohe Mass an Kontrolle eine zentrale Rolle spielt (Holzinger & Mayer, 2020b). Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die Schlafparalyse die vollständige Rückkehr zum Wachzustand während der REM-induzierten Muskelatonie beinhaltet, während beim luziden Träumen Aspekte des Bewusstseins wiederhergestellt werden, während die Person noch schläft, sich also noch im REM-Stadium befindet (Denis & Poerio, 2017).

Luzides Träumen als psychotherapeutische Technik

Die Annahme, dass Träume eng mit dem psychischen Geschehen verknüpft sind, hat sich bereits in der Psychologie etabliert. Wie bereits erwähnt, sind vor allem die Arbeiten Freuds zur Traumdeutung hervorzuheben, wobei es noch eine Vielzahl an weiteren Werken in der Psychoanalyse gibt, die interessante Theorien und Entdeckungen zur Rolle des Traums als Spiegel der Psyche behandeln, dessen Darstellung jedoch den Umfang des vorliegenden Artikels sprengen würde. Eine mittlerweile weitverbreitete und etablierte Theorie in der Traumforschung ist die Kontinuitätstheorie (Hall & Nordby, 1972). Hierbei wird angenommen, dass Trauminhalte Sorgen und Gedanken aus dem Wachstadium widerspiegeln und somit tiefgehende Einblicke in die Gedanken- und Gefühlswelt von Menschen ermöglichen. Insbesondere Albträume treten häufig als Ausdruck psychischer Störungen auf, beispielsweise bei der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) und bei Depressionen (Holzinger & Stefani, 2020). Die psychotherapeutische Behandlung mit luziden Träumen (Luzidtraumtraining: LTT) bietet einen neuen innovativen Behandlungsansatz, der bisher nur wenig in der Forschung berücksichtigt wurde. Auch wenn das Induzieren von luziden Träumen mit Schwierigkeiten verbunden ist, handelt es sich dennoch um einen erlernbaren Skill, der durch Trainings geübt und vermittelt werden kann (LaBerge, 1980). Bisher durchgeführte Studien, die LTT als Behandlungsansatz untersuchen, fokussieren sich auf die Wirksamkeit von LTT bei der Behandlung von Albträumen.

Holzinger und Kollegen (2015) untersuchten die Wirksamkeit von LTT als Ergänzung zu gestalttherapeutischen Interventionen bei der Behandlung von Albträumen. Hierfür wurden Proband*innen, die nur Gestalttherapie im Gruppensetting erhielten, mit Proband*innen, die Gestalttherapie im Gruppensetting mit LTT erhielten, nach mehreren Wochen Intervention verglichen. Die Methoden der Gestalttherapie fokussierte sich auf die Konfrontation mit den angstbehafteten Trauminhalten, häufig mit der Methode des Rollenspieles und des Stuhldialogs (Greenberg & Clarke, 1979). Das LTT umfasste Psychoedukation zu Albträumen und luziden Träumen, Entspannungsübungen, das Führen eines Schlaf- und Traumtagebuchs und die Vermittlung von Techniken zum luziden Träumen. Dadurch wurde den Patient*innen ermöglicht, in ihr Traumgeschehen einzugreifen und sich bewusst mit angstbehafteten Traumbildern auseinanderzusetzen und diese zu verändern. Die Studie zeigte, dass luzides Träumen als Ergänzung zu gestalttherapeutischer Behandlung eine wirksame Technik darstellt, um die Albtraumhäufigkeit zu reduzieren und die Schlafqualität zu verbessern. Ausserdem profitierte ein Teilnehmer mit einer diagnostizierten Narkolepsie von dem LTT. Zwar konnten seine Albträume nicht gestoppt werden, allerdings ermöglichte das LTT eine Umdeutung und Relativierung der Trauminhalte, was das subjektiv wahrgenommene Leid durch die Albträume verringern konnte. Blagrove und Kolleginnen (2004) argumentieren, dass dieser «nightmare distress» sogar ein stärkerer Indikator für psychisches Wohlbefinden darstellen kann als die Albtraumfrequenz an sich.

Eine weitere Studie untersuchte die Wirksamkeit von LTT bei PTBS-Patient*innen. Hierbei konnte kein Zusammenhang zwischen LTT und Schlafqualität gefunden werden, auch wurde kein Zusammenhang zwischen der Reduktion von Albträumen und Veränderungen im Erscheinungsbild der PTBS festgestellt. Allerdings wurde eine Reduktion der Angst- und Depressionslevel während der Behandlung vermerkt (Holzinger et al., 2020).

In einer Studie von Spoormaker und Kollegen (2003) wurden ähnliche Ergebnisse erzielt. Es zeigten sich positive Effekte von LTT auf die Albtraumfrequenz und auch auf die Schlafqualität, die jedoch keine statistische Signifikanz erreichten. In einer weiteren Untersuchung von Spoormaker und van den Bout (2006) konnten ebenfalls positive Effekte von LTT auf die Albtraumfrequenz festgestellt werden, wobei LTT im Einzelsetting effektiver war im Vergleich zum Gruppensetting. Luzides Träumen zeigte jedoch keine Effekte auf die Schlafqualität und das Level an PTBS-Symptomen an sich, wobei anzumerken ist, dass die Ausprägung der PTBS-Symptome in der Stichprobe relativ gering war.

In der Literatur existieren ausserdem Fallberichtstudien, die Hinweise auf die positive Wirkung von luziden Träumen auf die Albtraumfrequenz und daraus resultierenden Stresserleben liefern (Abramovitch, 1995; Tanner, 2004). In einer Studie, die die Image Rehearsal Therapie in Kombination mit LTT untersuchte, wurden hingegen keine signifikanten Einflüsse von LTT als Zusatzbehandlung auf Albträume festgestellt (Lancee et al., 2010).

Wirkmechanismen luziden Träumens

Luzides Träumen wurde bereits ausserhalb des therapeutischen Settings mit verschiedenen Aspekten psychischer Gesundheit in Verbindung gebracht. So zeigten sich positive Zusammenhänge zwischen luziden Träumen und psychischer Gesundheit sowie erhöhtem Selbstbewusstsein (Doll et al., 2009). Ebenso konnten Effekte auf eine erhöhte Wahrnehmung von Selbstkontrolle und Kreativität (Hess et al., 2017) sowie erhöhte psychische Belastbarkeit in Anbetracht von stressauslösenden und bedrohlichen Situationen festgestellt werden (Soffer-Dudek et al., 2011). Studien ergaben auch, dass Personen mit bestimmten Charaktereigenschaften wie Offenheit für neue Erfahrungen, Enthusiasmus und emotionale Wärme gehäuft Erfahrungen mit luziden Träumen machen (Gruber et al., 1995). Im Bereich der Sportpsychologie wurden ebenfalls positive Effekte von luziden Träumen festgestellt. Hierbei wurden die Träume eingesetzt, um motorische Abläufe und Bewegungen zu trainieren. Teilnehmende berichteten von verbesserten physischen Leistungen, aber auch von erhöhtem Selbstbewusstsein und positiven Emotionen in Bezug auf ihre sportliche Leistung (Schädlich & Erlacher, 2018).

In der Psychotherapie bietet luzides Träumen einen innovativen psychotherapeutischen Ansatz, der beispielsweise effektiv zur Behandlung von Albträumen eingesetzt werden kann. Die Wirkung des luziden Träumens auf Albträume wird hauptsächlich darin begründet, dass die Erkenntnis, dass die physische Existenz während des Traums nicht gefährdet ist, es ermöglicht, Kontrolle über das Traumgeschehen zu erlangen und somit die wahrgenommene Selbstwirksamkeit zu erhöhen (Lancee et al., 2010). Ausserdem vereinfacht der luzide Traum die Konfrontation mit angstauslösenden Stimuli, da durch die kognitive Beteiligung und Entscheidungsfähigkeit während des Traums die Angst vor den Albtraumbildern reduziert wird (Holzinger, 2014). Es wird die Fähigkeit vermittelt, einen Traum als solchen zu erkennen, was den bedrohlichen Charakter des Albtraums verringert (de Macêdo et al., 2019). Was die Behandlung mit luziden Träumen insbesondere auszeichnet, ist die selbstständige Anwendung durch Patient*innen, noch während der Albtraum erlebt wird. Somit werden Eigenverantwortung und Selbstkontrolle gestärkt. Tholey (1988) stellte die Theorie auf, dass die Behandlung mit luziden Träumen zu weniger Angstzuständen und Zwangssymptomen sowie mehr Selbstbewusstsein, emotionaler Sicherheit und Ausgeglichenheit führen könnte, wobei diese Effekte noch untersucht werden müssen.

Grundlage für die positiven Effekte luziden Träumens ist jedoch die erfolgreiche Umsetzung der gewünschten Handlung im luziden Traum. Studien zeigen allerdings, dass dies nicht bei jedem luziden Traum gelingt. Bei einer Studie von Stumbrys und Kolleg*innen (2014) waren 44 % der luzid Träumenden darin erfolgreich, ihre Intentionen im Traum tatsächlich umzusetzen. In einer Untersuchung von Kindern und Jugendlichen waren lediglich 37 % dazu in der Lage, die Traumhandlung zu verändern (Voss et al., 2012).

Potenzielle Risiken

Während luzides Träumen viele Möglichkeiten und positive Effekte mit sich bringen kann, sollte die Anwendung bei bestimmten Personengruppen mit Vorsicht erfolgen.

Da luzides Träumen mit einer erhöhten Aktivität im präfrontalen Cortex assoziiert ist, und psychotische Zustände wiederum mit einer Reduktion der Aktivität im präfrontalen Cortex einhergehen, wurde LTT als potenziell erfolgreiche Behandlungsmethode bei psychotischen Patient*innen vorgeschlagen (Voss et al., 2014). Allerdings konnte diese Auffassung bisher nicht bestätigt werden. Im Gegenteil ist von der Anwendung bei Psychosen eher abzuraten, da luzide Träume Halluzinationen und Delirien potenziell weiter verstärken können und die Vermischung von innerer und äusserer Realität bei psychotischen Patient*innen begünstigen (Mota et al., 2016). Allgemein sind Patient*innen mit Tendenzen zum Verlust des Realitätssinnes möglicherweise nicht für luzides Träumen geeignet (Holzinger, 2014).

Die Beobachtung von erhöhter Gehirnaktivität während des luziden Träumens hat generell eine Debatte darüber ausgelöst, ob luzides Träumen Schlafstörungen verursacht, die in der Folge zu einer schlechteren Schlafqualität und einer Verringerung der erholsamen Funktion des Schlafens führen (Soffer-Dudek, 2020). Studien zu den Auswirkungen der Klartraumhäufigkeit auf die Schlafqualität ergaben jedoch gemischte Ergebnisse. In einer Studie von Schredl und Kolleginnen (2020) wurde eine positive Korrelation zwischen dem subjektiven Gefühl der Erholung nach dem Aufwachen und luzidem Träumen konstatiert, während in einer anderen Untersuchung keine Zusammenhänge festgestellt wurden (Taitz, 2011). Eine Schlaftagebuchstudie fand schwache positive Zusammenhänge zwischen der Frequenz von luzidem Träumen und schlechterer Schlafqualität (Aviram & Soffer-Dudek, 2018). Schadow und Kolleg*innen (2018) fanden ebenfalls Zusammenhänge zwischen luzidem Träumen und schlechter Schlafqualität, wobei die Korrelation verschwand, sobald die Albtraumfrequenz kontrolliert wurde.

Währen luzides Träumen überwiegend mit der Erfüllung von Wünschen und positiven Emotionen einhergeht (Voss et al., 2013), können selten auch albtraumhafte luzide Träume auftreten. Da luzid Träumende nicht immer in der Lage sind, ihre Traumumgebung zu kontrollieren, besteht das Risiko, dass negative und angstauslösende Bilder bei vollem Bewusstsein erlebt werden, ohne diese verändern zu können (Stumbrys, 2018). Meist folgt daraufhin ein spontanes, schreckhaftes Erwachen, ähnlich wie bei Albträumen. Hurd (2014) bezeichnete dieses Phänomen als luziden Albtraum. Es besteht die Annahme, dass das Trainieren der Traumkontrolle die empfundene Belastung reduzieren kann (Harb et al., 2016), was die Notwendigkeit betont, im therapeutischen Kontext die Technik des luziden Träumens professionell anzuleiten und zu unterstützen, um unerwünschte Konsequenzen zu vermeiden (Holzinger, 2014).

Conclusio

Luzides Träumen stellt eine besondere Form des Bewusstseinserlebens während des Träumens dar. Auch wenn mehr Studien notwendig sind, um die Wirksamkeit von LTT zu evaluieren, gibt es bereits erste Hinweise auf das psychotherapeutische Potenzial von luziden Träumen, insbesondere zur Reduktion von Albträumen. Wie wesentlich es ist, dass sich die Forschung eingehender mit Albträumen beschäftigt, zeigen unter anderem Studien, die Zusammenhänge zwischen Suizidalität und Albtraumfrequenz feststellen konnten (Nadorff et al., 2011). Die Albtraumforschung und die Albtraumbewältigungsforschung etabliert sich immer mehr (Gieselmann et al., 2019), wobei als Albtraumbewältigungsstrategie die Image Rehearsal Therapy, die Barry Krakow entwickelt hat, als Goldstandard gilt (Krakow et al., 1995). Das LTT stellt einen weiteren Ansatz zur Behandlung von Albträumen dar, der das Wohlbefinden und die psychische Gesundheit verbessern kann. Auch bei der Behandlung von anderen Beschwerden wären systematische Untersuchungen zur Wirksamkeit von luziden Träumen wünschenswert, insbesondere bei Selbstwertproblemen, Borderline-Persönlichkeitsstörungen und psychosomatischen Beschwerden, da wir das Potenzial von LTT hier als hoch einschätzen, jedoch dringend untersucht werden muss, ob dieses Potenzial tatsächlich vorhanden ist und wenn ja, in welcher Form. Jedoch ist anzumerken, dass LTT sich nicht für jedes Störungsbild eignet, insbesondere nicht bei jenen, die mit Realitätsverlusttendenzen auftreten, wie beispielsweise bei Psychosen. Eine Betreuung durch kompetente Psychotherapeut*innen beim Einsatz von LTT ist in jedem Fall unerlässlich, da das negative Potenzial von luziden Träumen nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann (Holzinger, 2014). Um das Wissen um die Thematik des luziden Träumens zu vertiefen, gibt es die Möglichkeit, einführende Online-Kurse zu besuchen (Holzinger, 2021). Hier wird grundlegendes Wissen zum Klarträumen vermittelt. Interessierte haben außerdem die Möglichkeit, ihre eigenen luziden Träume mit der App DreamSenseMemory zu explorieren (Art & Science & Holzinger, 2020).

Trotz der vielversprechenden Ergebnisse, befindet sich die Forschung zum luziden Träumen als Therapieansatz in der Psychotherapie noch am Anfang und bisher erzielte Ergebnisse sind zwar vielversprechend, aber noch nicht ausreichend. Weitere Untersuchungen in diesem Bereich sind notwendig, um die Mechanismen sowie den Nutzen, aber auch die Risiken von Klarträumen in der Psychotherapie besser zu verstehen und dementsprechend das Luzidtraumtraining weiterzuentwickeln. Zukünftige Studien sollten darauf achten, bisherige methodische Einschränkungen, wie kleine Stichproben, zu vermeiden, um den Effekt von LTT besser beobachten zu können. Im psychotherapeutischen Setting scheint es empfehlenswert, LTT in Kombination mit anderen psychotherapeutischen Massnahmen anzuwenden, um ein grundlegendes Verständnis für psychotherapeutische Prozesse und die psychotherapeutische Sichtweise auf Traumerlebnisse zu vermitteln.

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Lucid dreaming as a technique in psychotherapy

Abstract: Lucid dreaming describes a state between consciousness and sleep. It is characterized above all by the dreamer’s awareness, that he/she is dreaming. In a lucid dream the dreamers have the ability to actively interfere with the dream content and to change its course. Through this technique, psychological skills such as perceived self-efficacy and self-control can be strengthened. Lucid dreaming has gained more attention as a research subject in recent years, particularly in neuropsychology. However, little research has been carried out concerning the use of lucid dreams as a treatment approach in psychotherapy. Lucid Dreaming Treatment (LDT) is an innovative treatment approach that shows great potential. Particularly for the treatment of nightmares, for example in the context of post-traumatic stress disorder, promising results with regard to the effectiveness of LDT have already been recorded. Despite increasing evidence of the positive effect of lucid dreams on the psyche, the evaluation of LDT as a psychotherapeutic technique is still at the beginning and further studies are necessary to examine the effect of LDT in more detail.

Keywords: lucid dreaming, lucid dreaming treatment, nightmare, psychotherapy

Sogno lucido come tecnica di psicoterapia

Riassunto: Il sogno lucido costituisce un fenomeno onirico particolare, che integra l’aspetto della coscienza e del sonno in un’unica esperienza. Si caratterizza soprattutto per la coscienza che ne ha il soggetto sognante. Nel sogno lucido, coloro che sognano possono intervenire attivamente negli avvenimenti del sogno e modificarli. In questo modo, vengono rafforzate le aree che riguardano ad esempio il livello di percezione della propria autoefficacia e del proprio autocontrollo. Il sogno lucido ha acquisito sempre più importanza negli ultimi anni come oggetto di ricerca, soprattutto nel campo della neuropsicologia. Tuttavia, la ricerca non gli ha serbato la stessa attenzione nella funzione di approccio psicoterapeutico. In misura minore è stato invece investigato l’impiego del sogno lucido nel trattamento in psicoterapia. Il Luzidtraumtraining (LTT), pratica del sogno lucido, mostra un approccio al trattamento terapeutico innovativo, che ha in sé molte potenzialità. È particolarmente indicato nel trattamento degli incubi, ad esempio nel quadro di una sindrome post-traumatica da stress, per la quale sono stati registrati risultati molto promettenti in termini di efficacia. Nonostante molteplici indicazioni sugli effetti positivi del sogno lucido sulla psiche, la valutazione dell’LTT come tecnica psicoterapica è ancora agli esordi e saranno necessari ulteriori studi per comprenderne più approfonditamente gli effetti dell’LTT.

Parole chiave: sogno lucido, pratica del sogno lucido, incubo, psicoterapia

Die Autorinnen

Dr. Brigitte Holzinger ist als Psychotherapeutin für integrative Gestalttherapie in eigener Praxis tätig. Als Leiterin des Instituts für Bewusstseins- und Traumforschung in Wien führt sie aktuell Forschungsprojekte zu den Themen Träumen, Luzides Träumen, Schlafstörungen und Schlafqualität durch. Sie leitet ausserdem einen postgraduellen Zertifikatskurs zu Schlafcoaching an der Medizinischen Universität Wien. Weitere Informationen zu Online-Kursen und DreamSenseMemory können unter https://www.traum.ac.at gefunden werden.

Eirin Fränkl, BSc, studiert Psychologie mit dem Schwerpunkt klinische Psychologie und Gesundheitspsychologie im Mastercurriculum an der Universität Wien. Sie ist als wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Bewusstseins- und Traumforschung tätig.

Kontakt

Dr. Brigitte Holzinger
Canongasse 13/1 1180 Wien
E-Mail: brigitte.holzinger@meduniwien.ac.at