Traumbearbeitung in der Jung’schen Psychotherapie

Verena Kast

Psychotherapie-Wissenschaft 11 (2) 2021 11–17

www.psychotherapie-wissenschaft.info

CC BY-NC-ND

https://doi.org/10.30820/1664-9583-2021-2-11

Zusammenfassung: C. G. Jung gab der Arbeit mit Träumen eine zentrale Bedeutung. Träume geben Hinweise, wohin die Entwicklung gehen könnte, ermöglichen wieder Interesse am Leben, neue Sinnerfahrung, verweisen aber auch auf Verdrängtes. Sie regulieren Emotionen, besonders auch im Zusammenhang mit Beziehungen, und sind auch zentral wichtig für die therapeutischen Beziehung. Jung stellte eine Verbindung zwischen den Tagträumen und dem Traum in der Nacht her, indem er auf die grundlegende Bedeutung der Fantasie, der Imagination, verwies und deren enge Beziehung zu den Komplexen, den dysfunktionalen, emotionsbetonten Beziehungsmustern. Er postulierte, dass wir auch im Wachen unter der Schwelle des Bewusstseins weiter träumen – und dieses Phänomen brachte er in Verbindung mit unbewussten Komplexen. Diese Sicht wird durch aktuelle neurowissenschaftliche Forschungen gestützt, die ein Kontinuum zwischen Tagträumen und dem Träumen in der Nacht sowie eine Beziehung zur Kreativität postulieren und die in einer Analogie zum Verständnis von Imagination und Traum bei Jung gesehen werden können. Für die praktische Arbeit regt dies dazu an, den Nachttraum noch intensiver auch zusammen mit Imaginationen und den entsprechenden Emotionen wahrzunehmen und zu entfalten, und von da aus neue vielfältige Verbindungen mit dem alltäglichen Leben und aktuellen Schwierigkeiten zu erkennen und zu erfahren.

Schlüsselwörter: Tagtraum, Nachttraum, Imaginationsraum, Raum der Möglichkeiten, Beziehungsmuster

Die Arbeit mit Träumen ist in der Jung’schen Psychotherapie, einer psychoanalytisch-psychodynamischen Grundorientierung in der Psychotherapie, eine Kernkompetenz und eine wichtige Technik. Für C. G. Jung waren Träume eine Quelle für Inspiration, für sich selbst, aber auch für die Arbeit mit Patientinnen und Patienten. Nach Jung kommen wesentliche Impulse der Entwicklung aus dem «Unbewussten» in Form von Träumen, Bildern, Imaginationen, Einfällen (Jung, 1985 [1928], § 491).

Wenn Menschen nicht mehr weiterwissen, wenn das Leben sinnlos geworden ist, sind die Ressourcen des Bewusstseins erschöpft, so Jung, und deshalb ist es hilfreich, sich jenen Äusserungen des Unbewussten zuzuwenden. In den Träumen findet er «Imaginationen», die zumindest etwas andeuten, und er stellt fest, «dass fast in der Regel etwas dabei herauskommt, wenn man lange und gründlich genug einen Traum recht eigentlich meditiert, das heisst, mit sich herumträgt» (Jung, 1971 [1929], § 84). Mit diesem «etwas» meint er Entwicklungen, die vom Unbewussten her angestossen werden können, und dass damit die psychische Stagnation aufgehoben werden kann. In diesem Zusammenhang sind ihm Initialträume von Patienten und Patientinnen, also die Träume, die zu Beginn einer Therapie geträumt werden, von besonderer Bedeutung: In ihnen sind Hinweise sowohl auf Hintergründe der jeweils aktuellen psychischen Schwierigkeiten, vor allem aber auch auf Entwicklungsmöglichkeiten, die in den Träumen bereits angedeutet werden, zu finden. Jung spricht im Zusammenhang mit dem Träumen auch von Imaginationen, davon, dass der Traum Vorstellungen belebt, die neue Ideen ins Leben einbringen. Auch spricht er hier nicht vom Deuten der Träume, sondern davon, dass man, um zu wissen, was denn der Traum anregt, ihn «meditiert», ihn «mit sich herumträgt». Natürlich spricht er an anderer Stelle auch vom Deuten, aber auch von der «Traumdeutung als der Quintessenz aller Unsicherheit und Willkür» (ebd., § 86). Das Meditieren der Träume, die Imaginationen wahrzunehmen, die mit ihnen verbunden sind, ergibt wichtige Hinweise auch für den Umgang heutiger Psychoanalytiker und Psychoanalytikerinnen Jung’scher Richtung mit Träumen.

Zwei Traumtheorien

Im Jung’schen Traumverständnis werden zwei Traumtheorien beschrieben. Die erste beschreibt die Ursachen und besagt: Komplexe, also dysfunktionale emotional betonte verinnerlichte Beziehungsmuster (Kast, 2008 [2006]), bewirken Träume. Das heisst, emotionale Probleme lösen Träume aus, werden aber auch in Träumen «verträumt», die damit verbundenen Beziehungsmuster werden verändert. Die zweite Traumtheorie Jungs betrifft die Wirkung und ist die der Kompensation: Träume kompensieren die bewusste Einstellung und Haltung, können also Hinweise darauf geben, was zu sehr ausgespart ist im Leben, und eine neue Entwicklung einleiten.

Beide Theorien widersprechen sich nicht, die Theorie der Komplexe fokussiert mehr auf Probleme und deren Bewältigung, die Theorie der Kompensation mehr auf Ressourcenaktivierung und motivationale Klärung. Mit beiden Traumtheorien verbunden ist bei Jung die finale Betrachtungsweise des Traums: Nicht so sehr warum ein Mensch gerade diesen Traum träumt, sondern vielmehr was der Traum an Neuem bringt, welche Entwicklungsanreize von ihm ausgehen, ist von Interesse.

Eine weitere Besonderheit im Jung’schen Traumverständnis ist die sogenannte subjektstufige Betrachtungsweise des Traums: Alle Gestalten, die im Traum auftauchen, sind auch als Aspekte der Persönlichkeit des Träumenden zu verstehen. So können in Träumen dargestellte dysfunktionale Beziehungsmuster auf Beziehungen generell, auch auf die therapeutische Beziehung, übertragen werden, aber auch intrapsychische Beziehungsmuster darstellen; die agierenden Gestalten können als eigene interagierende Persönlichkeitszüge des Träumers verstanden werden. Das eröffnet eine weitere Möglichkeit des Umgangs mit dysfunktionalen Beziehungsmustern und des Verstehens von problematischem Verhalten.

Träume werden zwischen Menschen geträumt

«Im tiefsten Sinne träumen wir alle nicht aus uns, sondern aus dem, was zwischen uns und dem andern liegt» (Jung, 1934). Wir Menschen stehen in vielfältigen Beziehungen: zu anderen Menschen, zur Welt ganz allgemein. Wir Menschen brauchen Bindungen und Geborgenheit, wir wollen aber auch ausgreifen in die Welt, Neues erkunden, explorieren. Unsere Träume, ein natürliches Phänomen unseres Existierens, sind natürlich in diese anthropologische Konstante eingepasst. Sie können auch unter der Perspektive der Beziehungen wahrgenommen und verstanden werden, sie sagen also etwas über Beziehungen aus, auch über die therapeutische Beziehung, und sie geben auch wichtige Hinweise für den therapeutischen Prozess (Kast, 2016).

Träume entstehen zwischen Menschen, werden verstanden im gemeinsamen Gespräch über Träume, in dem gelegentlich ihr kreatives Potenzial aufscheinen kann. Wir träumen aus dem heraus, was «zwischen uns und dem anderen liegt», wir träumen aus Beziehungen heraus. Wir verstehen Träume aber auch aus Beziehungen heraus: aus der Beziehung zwischen Patientin und Therapeut, aber auch aus all den Beziehungen, die wir zu Menschen, aber auch zur Kultur, zur Welt im Ganzen haben. Gehen wir davon aus, dass Emotionen und Gefühle unser Traumgeschehen anregen und in Gang halten, so gehen wir zugleich davon aus, dass Emotionen und Gefühle aus Beziehungserfahrungen stammen, die uns emotional berühren; manchmal werden sie im Traum abgebildet, manchmal sind Beziehungssehnsüchte dargestellt, manchmal werden neue Wege aufgezeichnet, die durch Beziehungen möglich werden.

Kontinuum zwischen Tag- und Nachttraum

Jung stellte eine Verbindung zwischen dem Tagtraum und dem Traum in der Nacht her, indem er die grundlegende Bedeutung der Fantasie, der Imagination ins Spiel brachte:

«Fantasie ist ja überhaupt die Selbsttätigkeit der Seele, die überall da durchbricht, wo die Hemmung durch das Bewusstsein nachlässt oder überhaupt aufhört wie im Schlaf. Im Schlaf erscheint die Fantasie als Traum. Aber auch im Wachen träumen wir unter der Bewusstseinsschwelle weiter und dies ganz besonders vermöge verdrängter oder sonst wie, unbewusster Komplexe» (Jung, 1971 [1929], § 125).

Diese Sicht wird von der heutigen neurowissenschaftlichen Forschung gestützt. Forschungen zu Tagträumen, zum Gedankenwandern, zum selbstgenerierten Denken sind in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen. Vor allem interessiert die Neurowissenschaft deren Verbindungen zum Träumen, zur Kreativität und zu psychischen Krankheiten (Fox & Koroma, 2018).

Unter selbstgeneriertem Denken versteht man mentale Inhalte, die weitgehend unabhängig von der äusseren Umgebung einen Strom von Gedanken formen; es geht dabei um Erinnerungen, zukünftige Pläne, Fantasien, um simulierte soziale Interaktionen, aber auch um eingefahrene Denkmuster wie zwanghaftes Denken oder Ruminieren, Grübeln (Fox et al., 2018), und letztlich auch um das Träumen selbst. Diese selbstgenerierten Gedanken, Bilder und Emotionen sind weitgehend unabhängig von äusseren, sensorischen Stimuli, sie können sich spontan ereignen oder absichtlich herbeigeführt werden, sie treten auch «automatisch» auf als Folge affektiver Muster. Tagträume ereignen sich vor allem visuell in Form von Bildern, auditorisch in Form von Selbstgesprächen oder imaginierten Gesprächen mit anderen Menschen und somatosensorisch als das Innewerden der Wahrnehmungen im Körper.

Fox et al. (2018) gehen davon aus, dass zwei Drittel der selbstgenerierten Gedanken und Bilder mit Emotionen verbunden sind. Das funktionelle Neuroimaging scheint die Berichte von Imaginierenden, die auf eine hohe Prävalenz und breite Variabilität der Affekte hinweisen, zu bestätigen (ebd.). Es ist klar, dass Emotionen, Gefühle und Stimmungen unabdingbar zu den selbstgenerierten Gedanken gehören. Der affektive Zustand des Menschen – sowohl in Laborversuchen als auch im Alltag – ist beeinflusst durch den affektiven Gehalt der selbstgenerierten Gedanken: Das depressive Ruminieren zum Beispiel, als einer Art auf sich selbst bezogenen Denkens, das sich im Grübeln über Ursachen und Konsequenzen der Depression verliert, verstärkt eher die depressiven Symptome. Dasselbe gilt für die generalisierte Angststörung: Sich wiederholende negative Gedanken bewirken Unruhe darüber, was die Zukunft bringen mag (ebd.). Selbstgenerierte Gedanken können aber auch durch das Erleben von Emotionen verändert werden, etwa durch die Erinnerung an eine speziell freudige Situation.

Berichte von Tagträumen handeln oft von imaginierten sozialen Situationen, glücklichen und auch schwierigen, vor allem aber von Gedanken und Absichten anderer Menschen: Es geht um einen Prozess des Mentalisierens. Diese Erkenntnis verwundert nicht, handeln doch Tagträume – und auch Nachtträume – von dem, was uns emotional am meisten beschäftigt; und Beziehungen sind für Menschen zentral, wozu auch das kluge Umgehen menschlicher Beziehungen gehört, etwa das Erahnen dessen, was andere vorhaben, womit zu rechnen ist – und gerade darüber denken wir oft nach, meist eher in einem tagträumerischen Modus als total fokussiert. Da Tagträume von dem handeln, was uns emotional am meisten beschäftigt – auch wenn uns das möglicherweise nicht bewusst ist –, haben sie eine wichtige Funktion: Wir verarbeiten und bewältigen emotionale Zustände, mit denen wir umgehen müssen (Fox et al., 2013).

Kreativität ist für Fox eine natürliche Folge seines Verständnisses von Tagträumen: Wenn man sich intensiv mit einem künstlerischen oder einem wissenschaftlichen Problem auseinandersetzt, dann ist es eben dieses Problem, was einen aktuell am meisten beschäftigt, was gelöst werden will. Der natürliche Fokus des Tagträumens liegt auf den für uns emotional wichtigen aktuellen Anliegen. Das bedeutet aber auch, dass wir mit unseren speziellen Interessen unsere Tagträume in einer bestimmten Richtung beeinflussen können. Beim depressiven Ruminieren steigert man sich in negativen Gedanken über sich selbst hinein, über Misserfolge, über schlechte Aussichten für die Zukunft. Die normale Tendenz, Tagträume im breiten Rahmen von verschiedenen Emotionen zu erleben, mit einer leichten Bevorzugung von positiven Emotionen, fokussiert unter diesen Umständen vor allem auf negative Gedanken, auf Imaginationen für den schlechtest möglichen Ausgang. Könnte man sich für positive Emotionen wie zum Beispiel Interesse und Lust am Explorieren engagieren, würde das auch die Tagträume verändern.

Tagtraum – Traum im Schlaf

Gemäss Fox & Koroma (2018) gibt es viele Studien, die belegen, dass Tagträume mit einer verminderten Aufmerksamkeit auf die äussere Welt zusammenhängen. Sie schliessen daraus: Kurze Unterbrechungen von externen sensorischen Inputs im Wachen führen zu kurzen spontanen Gedanken, die viel dramatischere Abkopplung von der äusseren Welt, wie wir sie im Schlaf haben, erlaubt intensivere, viel längere Gedankenketten und lässt auch ein tieferes Eintauchen in diese spontanen Gedanken zu.

Domhoff & Fox (2015), die Hunderte von Traumerzählungen von Erwachsenen und Kindern studiert haben, definieren das Träumen als unfreiwilligen, aber organisierten mentalen Akt, der glaubwürdige Simulationen der realen Welt ermöglicht. Die Bildsprache beim Träumen verstehen sie als «verkörperte Simulation», als eine bestimmte Art von Denkweise, die darin besteht, sich fantasievoll in ein hypothetisches Szenario zu versetzen und mögliche Ergebnisse zu untersuchen. Diese Definition des Träumens, in der selbstgenerierte Gedanken umgesetzt werden, entkoppelt das Träumen vom Schlafen. Tagträumen und Träumen im Schlaf können als ein Kontinuum verstanden werden, wie es auch schon Hartmann (2011) und andere angeregt haben. Das heisst, Traumepisoden können in Tagträumen auftauchen, Episoden von Tagträumen in Nachtträumen. Träume können imaginativ erzählt werden und Traumaspekte mit Vorstellungen in einen grösseren Zusammenhang gestellt werden. Wer eigene Träume nur schlecht erinnert, kann sich dem Unbewussten in Form der Tagträume annähern. Damit entsteht aus psychotherapeutischer Sicht die Möglichkeit, das ganze Spektrum, den ganzen Reichtum des Träumens besser wahrzunehmen, Träume besser zu verstehen, aber auch eine bereichernde Verbindung vom nächtlichen Traumerleben zu den Tagträumen herzustellen und dadurch auch Einfluss auf emotional schwierig auszuhaltende Träume zu nehmen, aber auch die Selbstregulierung der Emotionen zu verbessern.

Fox & Koroma (2018) sehen diese Prozesse des selbstgenerierten Denkens als kontinuierlich unter der Schwelle des Bewusstseins stattfindend, konkurrierend mit anderen Inputs oder Signalen im Gehirn, die Aufmerksamkeit beanspruchen. Diesen Prozessen kann man sich bewusst zuwenden; sie beanspruchen aber auch unsere Aufmerksamkeit, selbst wenn wir es nicht wollen. Diese Gedanken können eine grosse Emotionalität haben, uns beschwingen oder stören. Fox & Koroma denken in diesem Zusammenhang an einen Strom innerer Gedanken und meinen, dass 99 % davon vom Gehirn als irrelevant abgetan und auch nicht bewusst werden, was aber nicht heisst, dass wir es unterschwellig nicht dennoch mitbekommen können. Ähnlich beschrieb Jung dieses Phänomen schon einmal, indem er die Fantasie als die Selbsttätigkeit der Seele bezeichnete und dass Fantasien immer zugänglich sind, wenn das Bewusstsein sie nicht hemmt.

Komplexe und Träume

Schon 1916 wies Jung darauf hin, dass emotional betonte Aspekte der Psyche (die Komplexe) Ausgangspunkt für Imaginationen (hier noch als Fantasien bezeichnet, als Serien von Bildern) sind. Ergänzend fügte er an, dass Komplexe zwar das Individuum daran hindern, sich in den Themen der wichtigsten Komplexe zu entwickeln, dass in diesen aber auch Keime neuen Lebens – Möglichkeiten – zu finden sind (Jung, 1934, § 63): «In der Intensität der affektiven Störung liegt […] die Energie, welche der Leidende disponibel haben sollte, um den Zustand der verminderten Anpassung zu beheben» (ebd., § 166).

Diese kreativen Keime können gefunden werden, wenn wir die Komplexe akzeptieren und sie in Fantasien sich darstellen lassen, diese auch darstellen in Bildern oder sie in Träumen erfahren und anschliessend meditieren (Kast, 2019a): «Die Via regia zum Unbewussten sind […] die Komplexe, welche die Verursacher der Träume und Symptome sind (Jung, 1934, § 210). Schon bei Jung, wie heute bei vielen Autoren (z. B. Hartmann, 2011; Solms, 2000; u. a.) finden wir die Idee, dass Emotionen, die mit Komplexepisoden verbunden sind, Träume anklicken und sie mit Erinnerungen verbinden, die in Träumen in einer neuen Weise verbunden werden. Dadurch verändern sich auch die Emotionen. In Anbetracht dessen, dass Komplexe mehr oder weniger verdrängt sind, ist hier auch ein Hinweis darauf zu sehen, dass in Träumen Verdrängtes, das aktuell zum guten Leben gehören würde, dargestellt und erfahren werden kann. Auch dazu gibt es neuere Forschungen: Malinowski (2017) stellt fest, dass Menschen, die mehr Gedanken unterdrücken – und das misst sie mit dem White Bear Suppression Inventory (WBSI) –, öfter von negativen Erlebnissen träumen, einen schlechteren Schlaf und im Alltag mehr Angst und Stress haben. Träume, so folgert sie, ermöglichen einen Zugang zu diesen verdrängten Inhalten, was wohl schon Freud und Jung erkannt hätten.

Träume und Imaginationen

Betrachtet man Tag- und Nachtträume als ein Kontinuum, so hat das auch einen Einfluss auf das Arbeiten mit Nachtträumen. Nicht nur können wir bei Menschen, die wenig Träume erinnern, mit ihren Imaginationen arbeiten, sondern es regt auch dazu an, Träume vorstellungsbezogen erzählen zu lassen, mit entsprechenden Emotionen, und dadurch ein emotionales Bedeutungsfeld, einen Raum für Möglichkeiten, erstehen zu lassen, der es erlaubt, Träume umfassend mit dem aktuellen Leben und auch mit der therapeutischen Situation in Verbindung zu bringen. Speziell hilfreich ist es, mit Imaginationen an Albträumen zu arbeiten (Kast, 2015; 2019b, S. 46ff.).

Ziel der eingesetzten Technik

Die Erfahrung ist, und das ist auch das therapeutische Ziel, dass die aktuelle Problematik in einen grösseren emotionalen Zusammenhang gestellt wird. Aus einer anderen Perspektive wird ein Blick auf die aktuellen Schwierigkeiten möglich, die dadurch besser verstanden werden. Ein Spielraum für Ideen zu den Lebensproblemen eröffnet sich, Einengungen werden aufgehoben. Zudem wird auch Vertrauen in mögliche Lösungen generiert, allenfalls auch in unerwartete Lösungen. Eine neuere Untersuchung legt nahe, dass im Traum für die Emotionsregulierung im Alltag geübt wird: Sterpenich et al. (2020, S. 847) weisen nach, dass Menschen, die von einer höheren Prävalenz von angstbezogenen Emotionen in Träumen berichten, die Angstgefühle im Wachen besser kontrollieren können.

Grundsätzlich kann ein Kontakt mit der Welt der Imaginationen und damit auch der Selbstregulierung mit schöpferischen Impulsen nachhaltig hergestellt werden. Erinnerungen und neue Ideen werden erfahrbar. Die Verbindung mit dem kulturellen Unbewussten, mit Geschichten, die man sich in der Menschheit schon immer erzählt hat, verbunden mit entsprechenden Bildern und Emotionen ist möglich und gibt Antworten auf die Frage, wie andere Menschen zu anderen Zeiten mit den immer wieder typischen Problemen, die sich auch jetzt gerade zeigen, umgegangen sind, aber auch, dass damit umgegangen werden konnte – und das macht Mut. Auch das ist eine Ressource.

Vorgehen

Die Patienten und Patientinnen werden zu Beginn einer Analyse oder einer Therapie Jung’scher Richtung darüber informiert, dass wir uns auch für Träume, Fantasien und gemalte Bilder interessieren, da in ihnen wichtige Hinweise für den therapeutischen Prozess verborgen sein können.

Aufseiten des Analysanden oder der Analysandin braucht es die Bereitschaft, sich auf Träume einzulassen, sie zu erinnern. Diese Bereitschaft hängt eng mit der Qualität der therapeutischen Beziehung zusammen. Voraussetzungen bei Therapierenden sind das Interesse an Träumen und der Zugang zu Imaginationen in einem weiten Sinn (Kast, 2008 [2006]) sowie die Fähigkeit, symbolische Felder zu erkennen und die Ideen, die sich im Traum ausdrücken, in der Art eines imaginativen Containings aufzunehmen und sie allenfalls in einer veränderten Form in Interventionen zum und im Gespräch über den Traum wieder einzubringen.

Wenn Träume erzählt werden, werden sie auch beachtet. Je nach Strukturniveau des Patienten oder der Patientin erfolgt ein anderer Umgang mit den Träumen (Ermann, 2005).

Träume erzählen

Durch das vorstellungsbezogene Erzählen des Traums mit Konzentration auf Bilder und damit verbundene Emotionen, von beiden, dem Träumer und der Analytikerin, werden diese Traumerfahrungen vernetzt mit Erfahrungen im Alltag, mit aktuell wichtigen Erinnerungen und Erwartungen, mit anderen Träumen und Imaginationen. Die mit den Inhalten verbundenen Emotionen, auch die Emotionen aus der Gegenübertragung des Analytikers, geben den Inhalten ihre aktuelle Valenz.

Wendet man diese Technik an, so soll der jeweilige Traum erzählt und nicht abgelesen werden, so wird er als vorstellungsbezogenes Narrativ erlebbar. Es werden Fragen nach den Emotionen im Traum, aber auch nach den vorherrschenden Emotionen beim Aufwachen gestellt. Erste Einfälle des Träumers oder der Träumerin werden gesammelt.

In einem weiteren Schritt wird der Traum in leicht entspanntem Zustand vom Träumer noch einmal imaginiert und dabei so genau wie möglich beschrieben. In diesem vorstellungsbezogenen Sprechen werden Emotionen mehr erlebbar als beim blossen Erzählen, zudem habe ich als Therapeutin auch die Möglichkeit, bei Unklarheiten Fragen zu stellen. Auch ich stelle mir den Traum vor, soweit das möglich ist: Wir arbeiten am Traum in einem gemeinsamen Vorstellungsraum (Kast, 2008 [2006]).

Darzustellen, wie wirklich mit einem Traum in der Praxis gearbeitet wird, ist schwierig und bleibt Andeutung. Besonders die Atmosphäre, in der die Arbeit am Traum stattfindet, entzieht sich der Beschreibung. Der Traum selbst wird in einem grösseren alltagsweltlichen Kontext geträumt. Es ist hilfreich, nach schwierigen, belastenden emotionalen Erfahrungen in der Zeit, bevor der Traum geträumt wurde, zu fragen. Träume werden aber auch in einem therapeutischen Prozess geträumt, sie sind auch eine Reaktion auf die therapeutische Beziehung.

Beispiel

Es ist der Traum einer 65-jährigen Frau, einer Schriftstellerin. Sie suchte Therapie auf, weil sie sich in ihrem Schreiben blockiert und in der Folge davon lustlos, herabgestimmt fühlte, schlecht schlief und immer müder war. Sie wandte eine grosse Aufmerksamkeit und Sorgfalt auf ihre Träume, arbeitete ausgesprochen gern damit.

Der Traum

Ich sitze im Zug. Der Zug fährt in Schlangenlinien. Genüsslich. Ich folge mit meinem Körper seinen Bewegungen – es ist wie Skifahren. Dann fällt mir ein: Das geht doch nicht! Züge können das nicht. Eine Diskussion setzt ein: Es gibt Mitreisende, die finden das gut und freuen sich. Andere sind beunruhigt, wollen anrufen – aber wen? Ein älterer Mann (Typ Lehrer) sagt: «Natürlich muss man die Polizei holen, das geht nicht mit rechten Dingen zu.» Er hat Recht, denke ich. Da wird plötzlich alles grau.

Dann unvermittelt die Ansage: Endbahnhof, alles ausstiegen! Wir steigen auch aus – aber es ist kein Bahnhof, wir sind mitten unterwegs, ich kenne die Gegend nicht. Jetzt – allein – suche ich mir einen Weg. Ich trage eine weisse Tragetasche, die immer schwerer wird. Auch bewegt sich etwas darin. Ich schaue hinein: Ein junger Fuchs sitzt darin. Er schaut mich unerschrocken und neugierig an. Den trage ich nicht. Aber wenn ich ihn freilasse, wird er verschwinden. Im Märchen, denke ich, würde er mir den Weg weisen. Riskiere ich es? Der Traum verliert sich.

Zwei Krähen kämpfen miteinander. Die Federn fliegen. Jetzt lasse ich den Fuchs frei – und er stürzt sich auf die Krähen. Die lassen voneinander ab. Der Fuchs schaut zurück zu mir, auffordernd. Ich soll ihm also folgen.

Die Analysandin sagte dazu: «Der Zug, der Schlangenlinien fährt, hat mich beschwingt. Die weisse Tragetasche mit dem Fuchs hat mich im Traum überhaupt nicht erstaunt. Erst bei Aufwachen fand ich das schon etwas sonderbar, aber auch lustig. Der Kampf der Krähen hat mich erschreckt, aber ich habe ja Abhilfe geschaffen mit dem Fuchs. Da war ich ein wenig stolz. Ich werde dem Fuchs folgen, glaube ich.»

Als Therapeutin freute mich der Hinweis, dass jetzt einmal alle aussteigen sollen. Zentral war für mein imaginatives Erleben der junge Fuchs in der weissen Tragetasche. Die Träumerin wirkte auf mich oft so arglos (weiss), sie schien aber noch ganz andere, überraschende Seiten im Gepäck zu haben. Der Krähenkampf liess mich an einen Konflikt in der therapeutischen Beziehung denken, den ich aber aktuell nicht wahrnehmen konnte – es war eine theoretische Überlegung. Weitere symbolische Bedeutungen der Krähe beachtete ich im Moment nicht. Meine Gegenübertragung auf den Traum strukturierte mein weiteres Vorgehen.

Im imaginativen Nacherleben des Traums genoss die Träumerin den schlangenlinienfahrenden Zug. Ihr Körpergefühl drückte sie dabei so aus: «Ich fühle mich ganz wohl, lebendig, beweglich, frei, ja frei.» Sie stellte sich noch einmal die Mitreisenden vor, die sie nicht persönlich kannte, und wusste nicht, welcher Gruppe sie sich zugesellen sollte: «Also beobachte ich, wie immer.» Aber sie ärgerte sich etwas über die Ängstlichen: «Ich kenne das: Wenn ich dieses Gefühl der Freiheit habe, dann habe ich zwei Seiten in mir, die eine, die das total gut findet, die andere, die sich ängstigt. Es könnte ja einen Unfall geben. Überhaupt ist das nicht normal für einen Zug.» (Den autoritären Lehrer sparte sie in der Imagination aus.)

Weiter sagte sie: «Bevor eine Seite gewinnt, kommt der Ausruf: Endbahnhof. Das ist ganz normal, da, wo ich wohne, ist ja ein Endbahnhof. Sonderbar ist nur, dass es gar nicht mein Endbahnhof ist. Da gibt es einfach keine weiterführenden Geleise mehr. Wir steigen alle aus. Es ist so wie auf dem Land irgendwo, wo es halt nicht so viele Häuser gibt. Ich bin nicht beunruhigt, da wird sich schon etwas finden. Aber die weisse Tragtasche ist schwer.« Auf meinen Einwurf «Die weisse Tragtasche?» fuhr sie fort: «Ich war wohl einkaufen. Eine weisse Tragtasche gibt es selten – irgendwie aus einem vornehmen Geschäft, ich denke da an die Zürcher Bahnhofstrasse – und sie wird immer schwerer und schwerer. Endlich schaue ich hinein! Eigentlich müsste ich überraschter sein, als ich es bin. Im Traum ist der kleine Fuchs einfach da und ich mache mir auch keine weiteren Gedanken, ausser dass er immer schwerer wird.» Schweigen. «Die kämpfenden Krähen gehen sehr aggressiv aufeinander los. Das kann ich kaum aushalten, deshalb lasse ich den Fuchs los. Der schaut mich nachher auffordernd an – soll ich ihn bewundern oder ihm folgen?»

Ich bat die Träumerin darum, sich imaginativ in die Krähen hineinzuversetzen. «Ich kann mich natürlich nur in eine hineinversetzen. Das ist ein Supergefühl. Es ist dieselbe Bewegung wie beim Zug, nur jetzt noch viel freier in der Luft. Und jetzt kommt die andere Krähe und stört mich. Vielleicht bin ich ja in ihr Territorium eingedrungen. Aber das ist mir jetzt egal, ich hacke, ich hacke, ich hacke entschlossen auf ihr herum. Das tut so gut …» Wir schwiegen wieder. Ich spürte eine lustvolle Energie, wunderte mich über diese freimütige Äusserung, überlegte, ob und wie ich intervenieren möchte, aber die Träumerin kam mir zuvor: «Ich bin entsetzt! Ich halte mich für einen so friedlichen, liebevollen Menschen – und jetzt dieses genüssliche Hacken …» Ich antwortete: «Das ist auch eine Seite, eine kraftvolle.»

Ob sie sich in den jungen Fuchs hineinversetzen könne? «Das geht leicht, ich gehe meiner Nase nach, ich suche, was essbar ist, was mir gut in die Nase sticht. Ich bin aber auch schon ein wenig vorsichtig. Nicht alle mögen mich. Ich schlage aber den Verfolgern ein Schnippchen, komme durch enge Öffnungen. Ich will alt werden. Ich brauche irgendwo einen Bau, da kann ich mich zurückziehen – und von dort aus wieder die Streifzüge machen.» Diese Imagination wurde über einige Zeit in jeweils kurzen Episoden weitergeführt.

Traumreflexion

Die Träumerin kennt den Konflikt zwischen einem Lebensstil der Lebendigkeit, der Begeisterung, des Geniessens, und einem kontrollierenden Stil, der ihrer Ängstlichkeit entspricht. Da muss dann alles seine Ordnung haben, normal sein. Im Traum scheinen die Ordentlichen zu gewinnen, es bildet sich eine Komplexepisode ab, an der wir schon länger arbeiten: ein älterer Mann, eine Autorität, der die Regeln vertritt und sie gelegentlich massregelt, wenn sie lebendig sein will. Diese Komplexepisode geht auf eine Kindheitserfahrung zurück: Ihr Vater war ein «Freigeist», der nur wenig von Regeln hielt. Als Kind spürte sie das und suchte Autoritäten, die Regeln vermittelten. Diese fand sie in Lehrern. Die Regeln besagten aber meistens: «Du darfst dich nicht freuen. Du musst dich anstrengen. Es braucht Ordnung.» Ein Konflikt mit der Freigeistseite, die sie mit ihrem Vater verbindet, prägt ihr Leben. Ihr Ausweg ist, sich auf eine beobachtende Position zurückzuziehen und dabei ihre Lebendigkeit zu verlieren.

Der Traum aktiviert diese Komplexepisode, eines ihrer Probleme wird aktiviert und in einen neuen emotionalen Zusammenhang gebracht: Wenn die Gestalt «Lehrer» im Traum die Regie übernimmt, wird es grau, «leblos, kalt, dunkel», so assoziierte die Träumerin. Es gibt im Moment keine Lösung für das Problem. Der Traum setzt neu an und aktiviert damit Ressourcen

Aussteigen. Endbahnhof. Man kann nicht immer diesem Lehrer Recht geben. Sie geht weiter, auf eigenen Füssen jetzt, nicht mehr auf vorgegebenen Gleisen – mit der weissen, der «reinen» Tragetasche –, und der Konflikt zeigt sich in einer Neuauflage: die weisse Tragetasche von der vornehmen Bahnhofstrasse und der wohl schmutzige, junge Fuchs, von dem sie nicht weiss, was sie mit ihm anfangen soll. Es besteht die Ahnung, dass er, wenn sie ihn freilässt, verschwinden oder aber ihr den Weg weisen wird. Auch da verliert sich der Traum, keine Entscheidung wird gefällt. Es dürfte allerdings schwierig sein, einen jungen, lebendigen Fuchs in der Tragetasche zu behalten. Er wird auch zunehmend schwerer, beschwerlich. Und die Tragetasche würde wohl auch schnell das makellose Weiss verlieren. Die Träumerin spricht länger über die Welt der weissen Tragetasche, die so eindeutig ist und etwas steril.

Ein Folgekonflikt ist dargestellt in den kämpfenden Krähen. Wenn sie sich für Lebendigkeit entscheidet, dann wird auch ihre Aggressivität belebt. Da wird gekämpft, da wird gehackt, obwohl sie sich als so «friedlich und liebevoll» erlebt. Dieser Krähenkampf endet, wenn der Fuchs sich einmischen darf. Den Fuchs verstehen wir als eine Ressource in ihr, eine Seite, die sie vorerst vor allem als Sehnsucht und Fantasie erlebt: sich spielerisch Neuem zuwenden, überlebenstüchtig sein, sich Schutz geben können, auch einmal etwas stehlen …

Worauf ist der Traum eine Reaktion? Sie hat einige Tage, bevor sie diesen Traum träumte, andere Schriftsteller getroffen, die zum Teil schon viel und erfolgreich publiziert haben. «Ich habe sie sehr bewundert. Am Abend habe ich mich wieder so mutlos gefühlt.» Im Traum heisst es: «Die Federn fliegen», und Schriftsteller haben es ja mit «Federn» zu tun. War da reine Bewunderung? Jetzt spricht sie von Rivalität, die sie so gar nicht will, und die doch nicht zu vermeiden ist. Wenn sie aus der Beobachtungsposition herauskommen, lebendig sich ins Leben verwickeln will, dann wird sich auch das Thema der Rivalität und Aggressivität zeigen. Hier aktiviert der Traum ein zu bearbeitendes Problem. Es gibt aber auch noch einen jungen Fuchs: Man muss nicht bei den kämpfenden Krähen stehen bleiben, man kann dem jungen Fuchs, einer «neugierigen Lebensfreude» folgen, dann ist der Krähenkampf auch vorübergehend wieder beendet. Aber beides ist im Moment wichtig: das genussvolle Hacken und das genussvolle Explorieren. Beides ist wohl etwas gefährlich, aber lustvoll.

Der Krähenkampf kann auch mit der therapeutischen Beziehung zusammenhängen. Ich als ihre Therapeutin schreibe auch Bücher, merke mir das Symbolfeld «Krähenkampf versus jungen Fuchs» und werde es, falls ich einen Konflikt in dieser Richtung spüre, ansprechen. – Das liess dann auch nicht lange auf sich warten: Die Träumerin spricht in der Folge über Neid, aber auch über das lustvolle Imaginieren der Wege, die der junge Fuchs einschlägt. Die Gefühle des Neides erfüllen sie mit Scham, die Gefühle, die mit dem Fuchs verbunden sind, mit «klammheimlicher» Freude.

Schlussbemerkungen

Werden Emotionen und Bilder in Träumen zu wenig beachtet, kann man zwar dennoch interessante intellektuelle Deutungen fabrizieren, der Traum berührt aber zu wenig, regt vielleicht zu Einsicht, aber nicht so sehr zu Veränderung an. Das Vernetzen von Traumbildern und Imaginationen mit der alltäglichen Welt, mit vielfältigen Beziehungen, mit alltäglichen Problemen, mit der eigenen Biografie führt zu einem Verständnis einer aktuellen Problematik, aber auch eines Entwicklungsprozesses, in dem man steckt. Darüber kann dann durchaus reflektiert werden und man kann auch vertieft auf einzelne Symbole eingehen. Träume sind kreativ. Sie wiederholen nicht einfach, sie verbinden Gedächtnisinhalte in einer neuen Weise und bringen so neue Perspektiven ein, unter denen aktuelle Konflikte verstanden werden können. Träume bleiben aber auch geheimnisvoll: Es gibt viele Möglichkeiten, sie zu verstehen und mit ihnen zu arbeiten. Und wenn man der Ansicht ist, dass Träume Anreiz zu Konflikten und Entwicklungsmöglichkeiten geben, dann wird man in Traumerzählungen und im gemeinsamen Austausch darüber diese Aspekte auch finden.

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Dream analysis in Jungian psychotherapy

Abstract: C. G. Jung assigned central importance to the analysis of dreams. Dreams provide indications of where development could go, enable renewed interest in life, new experience of meaning, but also indicate what may have been repressed. They regulate emotions, especially in the context of relationships, and are also centrally important for the therapeutic relationship. Jung established a link between daydreams and dreaming at night by referring to the fundamental importance of fantasy (imagination), and its close relationship to complexes, to the dysfunctional, emotional patterns of relating. He postulated that we continue to dream below the threshold of consciousness even when awake – and he related this phenomenon to unconscious complexes. This view is supported by recent neuroscientific research that postulates a continuum between daydreaming and dreaming at night, as well as a relationship to creativity, and can be seen as analogous to Jung’s understanding of imagination and dreaming. For practical work, this suggests perceiving and developing night dreams even more intensively together with imagination and the corresponding emotions, and from there to recognize and experience a new variety of connections with everyday life and current difficulties.

Keywords: day dream, night dream, imagination space, space of possibilities, relationship patterns

L’elaborazione dei sogni nella psicologia junghiana

Riassunto: Per C. G. Jung i sogni rappresentavano un ambito di lavoro di fondamentale importanza. I sogni, infatti, forniscono delle indicazioni sulla direzione di sviluppi successivi, rendono possibile il ritorno di interesse nella vita nonché nuove esperienze di senso ma rimandano anche ad accadimenti che sono stati rimossi. Regolano inoltre le emozioni, soprattutto quelle riguardanti le relazioni e rivestono un ruolo chiave nella relazione terapeutica. Jung ha messo in relazione l’attività onirica diurna con quella notturna attribuendo grande rilevanza alla fantasia, all’immaginazione e al loro stretto legame con i complessi e gli schemi relazionali di natura emozionale disfunzionale. Jung sosteneva che continuiamo a sognare anche nello stato di veglia al di sotto della soglia di coscienza mettendo in relazione tale fenomeno con i complessi inconsci. Questa posizione viene confermata dalle attuali ricerche effettuate nel campo delle neuroscienze che postulano un continuum tra attività onirica diurna e notturna nonché una relazione con la creatività e che possono essere viste in analogia con la concezione di immaginazione e sogno in Jung. Nell’attività pratica, ciò si traduce, in termini di conoscenza e sviluppo, in un’attenzione ancora maggiore all’attività onirica notturna unitamente all’aspetto immaginifico e alle relative emozioni arrivando a conoscere e riconoscere nuove molteplici associazioni con la vita quotidiana e le difficoltà momentanee del paziente.

Parole chiave: attività onirica diurna, attività onirica notturna, sogno, spazio dell’immaginazione, spazio delle possibilità, schema relazionale

Die Autorin

Prof. Dr. phil. Verena Kast ist Psychologin und Psychotherapeutin und war Professorin im Bereich anthropologische Psychologie an der Universität Zürich. Sie ist therapeutisch ausgebildet in Psychoanalyse Jung’scher Richtung, Lehranalytikerin sowie Supervisorin am C. G. Jung Institut Zürich, Küsnacht, und massgeblich am dortigen Ausbildungsgang zur*m Supervisor*in beteiligt.

Kontakt

Verena Kast
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