Die wechselhafte Beziehung von Spiritualität und Psychotherapie1

Joachim Raack

Psychotherapie-Wissenschaft 7 (1) 59–67 2017

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CC BY-NC-ND

Zusammenfassung: In einem historischen Rückblick wird die verwickelte Geschichte von Psychologie, Psychotherapie, Religion und Spiritualität untersucht, um etwas über die gegenwärtige Entwicklung der Beziehung zwischen Spiritualität und Psychotherapie zu erfahren. Dabei wird unter anderem auf das Psychology of Religion Movement rekurriert, dass von 1880 bis 1930 in den USA viele aktive Mitstreiter fand, unter Ihnen die Gründerväter der amerikanischen Psychologie William James und G. Stanley Hall.

Im weiteren Verlauf des 20. Jahrhunderts folgten zwei Paradigmenwechsel, zunächst weg von den Themen Religion und Spiritualität und hin zur strengen empirischen Wissenschaft, ganz nach dem Vorbild der Physik, und dann in den späten 60er Jahren bis in die 90er Jahre hinein zurück zu einem Versuch der Integration der Spiritualität in psychotherapeutische Prozesse. Dabei kommt es zu einer zunehmenden Säkularisierung und Entkonfessionalisierung innerhalb von Psychologie und Psychotherapie und der Fokussierung auf das subjektive innere Erleben.

Schlüsselwörter: Spiritualität, Geschichte der Psychologie, Psychotherapie, Psychology of Religion, Paradigmenwechsel

Für uns als Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ist es sehr vertraut, dass wir, wenn wir uns mit der persönlichen Geschichte unserer Patienten beschäftigen, etwas über ihre Gegenwart und das aktuelle Krankheitsgeschehen erfahren. Genauso selbstverständlich sollten wir uns für die Geschichte unserer Zunft interessieren, wenn wir etwas über ihre gegenwärtige Verfassung erfahren wollen. Wenn wir uns also mit dem Thema der Spiritualität innerhalb der Psychotherapie auseinandersetzen, dann sollten wir diesen historischen Blickpunkt miteinbeziehen.

Als Carl Gustav Jung Anfang des letzten Jahrhunderts begann sich für Psychotherapie und ihre Verbindungen zu östlicher und westlicher Religion und Spiritualität zu interessieren, war er mit diesen Interessen keineswegs allein. Er befand sich, ganz im Gegenteil, in sehr illustrer Gesellschaft. Denn viele der Gründerväter der Psychologie haben substanzielle Beiträge zur Religionspsychologie geleistet. So etwa Wilhelm Wundt in Deutschland, Francis Galton in England, Jean-Martin Charcot und Pierre Janet in Frankreich, Theodore Flournoy in der Schweiz und William James und G. Stanley Hall in Amerika (vgl. Wulff, 1991).

Die Religionspsychologie galt bis in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts hinein als ein wichtiger Anwendungsbereich der Psychologie. In den psychologischen Fachzeitschriften gab es zahlreiche Veröffentlichungen zu dem Thema. Es wurden gut besuchte Fachkongresse abgehalten, auf denen die bedeutendsten Vertreter der Zunft auftraten. Es gab religionspsychologische Fachzeitschriften und Gesellschaften. Beliebte Themen der Religionspsychologie waren religiöse Bekehrungserlebnisse, religiöse Gefühle und Einstellungen, der Einfluss der Adoleszenz auf die Haltung zu Religion und Spiritualität und Nahtodes- oder Wiederbelebungserfahrungen. Die Methoden entsprachen denen der übrigen akademischen Psychologie und orientierten sich an den geltenden empirischen und wissenschaftlichen Standards (vgl. Belzen, 2015; Wulff, 1991).

Der Religionspsychologie widmeten sich bedeutende Gruppen von Wissenschaftlern in allen Ländern, die für die Begründung der modernen Psychologie und Psychiatrie wichtig waren: In den deutschsprachigen Ländern Deutschland, Österreich und Schweiz, in Frankreich, in England und in den USA. Wir wollen uns im Folgenden etwas näher mit der Situation in Nordamerika beschäftigen, da die Entwicklung der Psychologie hier vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorbildhaft für die gesamte Entwicklung der akademischen Psychologie und auch in Teilen der Psychotherapie werden sollte.

Als Gründerväter der amerikanischen Psychologie können William James und Granville Stanley Hall gelten. Genau wie Jung kam James aus einem Theologenhaushalt. Sein Vater studierte Theologie in Princeton und war ein produktiver Autor von philosophischen Schriften, die von dem einflussreichen Mystiker und Philosophen Swedenborg, einem Zeitgenossen Kants, inspiriert waren. Zunächst wollte James, wie sein Bruder Henry, der als Romanschriftsteller berühmt geworden ist, seinen künstlerischen Neigungen folgen und Maler werden. Nach einigen Jahren gab er diese Pläne jedoch auf und studierte zunächst Naturwissenschaften und Medizin, bevor er sich dann der Philosophie und Psychologie zuwandte. 1872 begann er seine Lehrtätigkeit in Harvard. 1876 richtete er dort ein psychologisches Demonstrationslaboratorium ein. 1890, nach zwölf Jahren oft quälender Arbeit bei schlechter Gesundheit, erschien James’ psychologisches Hauptwerk The Principles of Psychology (James, 1890). In Ihnen vereint er in kritischer Synthese das gesamte Wissen der noch jungen Disziplin. Es wird schnell zum Standardwerk der amerikanischen Psychologie, nicht zuletzt auch aufgrund von James differenzierter und klarer Sprache, die auch komplizierte und widersprüchliche Zusammenhänge auszudrücken vermag und hinter der der Mensch James mit seinem enzyklopädischen Wissen und seinem eigenständigen Geist spürbar bleibt. In den Principles streift James das Thema der Religion und Spiritualität jedoch nur am Rande. Grundlegend für diesen Bereich der Psychologie wird ein anderes Buch von ihm. 1901/02 hält James trotz angeschlagener Gesundheit in Edinburgh die Gifford Lectures über The Varieties of Religious Experience, die Vielfalt religiöser Erfahrung (James, 1928 [1902]). Grundlage der Religion und jeglichen religiösen Empfindens ist für James die unmittelbare persönliche Erfahrung, die der Einzelne mit dem Göttlichen macht:

«Religion, im tiefsten psychologischen Sinne des Wortes, besteht aus den Gefühlen, Taten und Erfahrungen von einzelnen Männern und Frauen in ihrer Abgeschiedenheit, insoweit sie sich in Verbindung zu dem, was immer sie als göttlich wahrnehmen, erleben» (James, 1928 [1902], S. 31; eigene Übersetzung).

Die Psychologie soll sich nach James, wenn sie sich dem Bereich der Religion nähert, in erster Linie mit dem inneren religiösen Erleben des Einzelnen beschäftigen. Anders als James wollen wir im Folgenden, entsprechend des gängigen Gebrauchs im Deutschen, diese religiöse Erfahrung mit dem Begriff der «Spiritualität» benennen. «Religion» bezeichnet demgegenüber eher die institutionalisierte und kanonisierte Religion mit ihren Schriften, Ritualen und Orthodoxien, die für James aus psychologischer Sicht nur sekundäre Bedeutung hat. Die unmittelbare Erfahrung des Einzelnen ist dagegen für ihn das zentrale Objekt der psychologischen Wissenschaft. Das ist für James das Besondere der psychologischen Herangehensweise, die sich von der spezifischen Blickrichtung der Theologie bzw. Religionswissenschaft grundlegend unterscheidet. Quelle und Durchgangsstation für das spirituelle Erleben ist für James das Unbewusste:

«Das Unbewusste ist offensichtlich der größere Teil von jedem von uns. […] Es ist die Quelle von unseren Träumen und anscheinend kehren sie auch dorthin zurück. Im Unbewussten entsteht jegliche mystische Erfahrung, die wir haben mögen. […] Es ist auch die Quelle von vielem, das unseren Glauben nährt. In sehr spirituellen Menschen […] scheint die Tür zu dieser Region ungewöhnlich weit offen zu sein; wie auch immer, Erfahrungen, die durch diese Türe gekommen sind, hatten einen intensiven Einfluss auf die Religionsgeschichte» (ebd., S. 483f.; eigene Übersetzung).

Die Beispiele und Schilderungen des mystischen Erlebens, die einen Grossteil seiner psychologischen Betrachtungen ausmachen, schöpft James aus den spirituellen Traditionen des Ostens wie des Westens:

«In mystischen Erfahrungen werden wir eins mit dem Absoluten und uns unserer eigenen Einheit bewusst. […] Im Hinduismus, im Neuplatonismus, im Sufismus, bei den christlichen Mystikern, im Whitmanismus finden wir die gleiche wiederkehrende Melodie, […] die dazu führt, dass die mystischen Klassiker, so sagt man, keinen Geburtstag und kein Ursprungsland haben» (ebd., S. 419; eigene Übersetzung).

James war, wie wir gesehen haben, mit seinem Interesse für Religion und Spiritualität im Bereich der akademischen Psychologie keineswegs isoliert. Schon seit etwa 1880 gab es in Amerika ein steigendes Interesse an Religionspsychologie, das sich in einer Fülle an Veröffentlichungen zu diesem Thema niederschlug (vgl. Wulff, 1991). Neben James trat hier vor allem ein anderer Gründungsvater der amerikanischen Psychologie in Erscheinung: Granville Stanley Hall.

Hall erhielt unter James in Harvard 1878 einen der ersten amerikanischen Ph.Ds in Psychologie. Danach ging er nach Deutschland und studierte dort (unter anderen) bei Wilhelm Wundt und Hermann von Helmholtz. Nach seiner Rückkehr wurde er Präsident der Clark University und bald darauf entstand dort die Clark School of Religious Psychology. Neben Hall sind als deren Hauptvertreter James Leuba und Edwin Starbuck zu nennen. Hall gründete 1887 das American Journal of Psychology und im gleichen Jahr die später sehr bedeutsame American Psychology Association (APA), deren erster Präsident er war (vgl. Wulff, 1991).

Neben seinem grossen Interesse für Religionspsychologie beschäftigte er sich unter anderem mit Entwicklungspsychologie und Pädagogik. Dieses Interesse war es auch, dass ihn in Kontakt mit Sigmund Freud brachte und ihn dazu veranlasste, Freud 1909 zu ihrem 20-jährigen Bestehen an die Clark University nach Worcester, Massachusetts einzuladen. Freud kam diese Einladung sehr gelegen, da seine Versuche in Europa wissenschaftliche Anerkennung zu finden bis dato trotz grosser Anstrengungen wenig erfolgreich waren. Freud reiste nicht allein in die USA. Jung war ebenfalls eingeladen und Sándor Ferenczi begleitete die beiden. In den intensiven Gesprächen zwischen Freud und Jung auf dieser Reise zeichnete sich der bevorstehende Bruch zwischen ihnen schon ab, auch wenn – oder vielleicht gerade weil – die beiden sich hier sehr nahekamen. Die gewöhnlich gut informierte und recherchierende Jung Biografin Deidre Bair hat die Stimmung während der Feierlichkeiten an der Clark University sehr unterhaltsam beschrieben (vgl. Bair, 2005, S. 237ff.). Jung langweilte sich bei den äusserst formalen und steifen Festlichkeiten und erzählte Witze, die aber nur das Personal zum Lachen brachte, während Freud andächtig schwieg und seinen Erfolg genoss. Auf einmal fand er sich unter der Crème der US-amerikanischen Wissenschaftler wieder und wurde noch dazu mit einer Ehrendoktorwürde geehrt. Sie sollte seine einzige bleiben und sein Vortrag vor dem Publikum in Worcester sein einziger öffentlicher Auftritt in den USA. Jung dagegen, zumindest in dieser Zeit mit einem Übermass an Selbstbewusstsein ausgestattet, zweifelte keinen Moment daran, dass er hier richtig am Platze ist, und wurde darin seinerseits mit einer Ehrendoktorwürde bestätigt. Anders als Freud, der mit William James, der natürlich Ehrengast der Veranstaltung war, trotz gemeinsamen Spaziergangs keinen rechten Gesprächsansatz fand, vertiefte sich Jung mit James sofort in eines ihrer Lieblingsthemen, die Parapsychologie. Aber auch sonst gab es für Jung zahlreiche Anknüpfungspunkte an James’ Beschäftigungen, wie auch an die Arbeiten vieler anderer Vertreter der amerikanischen Psychologie. Jung befand sich mit seinen Interessen für westliche und östliche Spiritualität bei den zeitgenössischen akademischen Psychologen und Psychiatern vor allem in den USA in guter Gesellschaft, während Freud mit seiner sehr religionskritischen Einstellung zu diesem Zeitpunkt eher eine Aussenseiterposition einnahm. Er blieb mehr in der Beobachterrolle. Die USA und die US-Amerikaner missfielen ihm. Aber auch inhaltlich trennten ihn Welten von seinen Gastgebern. Freud war in dieser Gesellschaft der eigentliche Revolutionär.

Freud bezeichnete sich selbst als nicht religiösen Menschen. Seine Abscheu gegen alles Religiöse beinhaltete auch seine eigene jüdische Religion. Er nannte sich selbst einen «gottlosen Juden», der zwar stolz auf seine jüdische Herkunft ist, aber nicht an die jüdische oder irgendeine andere Religion glauben kann. Es ist vielfach spekuliert worden, wie Freud zu dieser Haltung gekommen ist. Freilich ist hier nicht der Ort, dies abschliessend zu klären, aber das sehr katholische Umfeld mit seinem latenten Antisemitismus in seiner Kindheit und Jugend in Freiberg und Wien mag nicht unwesentlich dazu beigetragen haben (vgl. Gay, 1988).

In seinen religionskritischen Schriften wendet Freud konsequent das Instrumentarium der Psychoanalyse auf religiöse Phänomene an. Dabei sieht er in Religion und religiösem Verhalten Projektionen von innerpsychischen Vorgängen. Ganz kurz zusammengefasst lässt sich festhalten: Religion, insbesondere in ihrer ritualisierten Form, stellt für ihn ein universelles Zwangsritual dar, um Ängste zu beschwichtigen. Sie ist darüber hinaus ein Versuch, den Ödipuskomplex, insbesondere die Schuldgefühle in Bezug auf die Todeswünsche gegen den Vater, zu bewältigen. Religion dient seiner Auffassung dazu, unterdrückte, wiederkehrende Traumata aus der Stammesgeschichte der Menschheit zu verarbeiten. Sie soll uns helfen mit Gefühlen infantiler Hilflosigkeit fertig zu werden. Spirituelle Erfahrungen, wie etwa die von Freuds Brieffreund Romain Rolland angesprochenen «ozeanischen Gefühle», sind laut Freud eine Reminiszenz an die frühe Kindheit, als die eigenen Ich-Grenzen noch nicht so eng und undurchlässig besetzt waren, wie später im Erwachsenenalter. Religion kann für ihn auch Aspekte von paranoider Wunscherfüllung haben, wie Freud am Beispiel der Privatreligion Schrebers deutlich macht. Schliesslich hat sie auch eine zivilisatorische Funktion, um antisoziale Tendenzen des Menschen und Gruppen von Menschen im Zaum zu halten. Insgesamt beschreibt Freud Religion ausschliesslich in psychopathologischen Begriffen. Religion oder Religiosität ist für ihn eine Neurose, die zumindest in Teilen überwunden werden kann und überwunden werden sollte (vgl. u. a. Freud, 1907b; 1927c; 1939a; Gay, 1988).

Freud war natürlich nicht der Erste, der so dachte. Er selbst sah in Ludwig Feuerbachs Kritik des Christentums und in Friedrich Nietzsche und Arthur Schopenhauer seine Vorläufer und Vorbilder.

In Bezug auf seine religionspsychologischen Ansichten hatte er zunächst mit grossen Widerständen zu kämpfen. So machte er sich im Vorfeld der Veröffentlichungen seiner religionskritischen Schriften grosse Sorgen über die Reaktion der katholischen Kirche in Österreich. In ihr und nicht etwa im Nationalsozialismus sah er lange Zeit die grösste Bedrohung für sich und sein Werk. Eine fundamentale Fehleinschätzung, wie wir heute wissen. Aber auch im liberalen England, musste Freuds Statthalter Ernest Jones lange nach einem Verleger für Freuds Schriften suchen. Alle grossen Verleger lehnten es ab, Freuds Werke zu verlegen – aus Angst wegen der Verbreitung pornografischer Schriften belangt zu werden. Schliesslich fand Jones auf Vermittlung von James Strachey, dem genialen Übersetzer Freuds, in dem Bloomsberry Leonard Woolf, dem Mann Virginia Woolfs, jemanden, der bereit war, dieses Risiko einzugehen.

Aber wie Sie wissen, wendete sich das Blatt. Freuds Schriften wurden immer populärer. Und auch innerhalb der Psychologie und Psychiatrie fanden seine Ansichten zur Sexualität und seine kritische Einstellung zur Religion und Spiritualität immer mehr Anhänger.

Der Sozialpsychologe Gordon Allport beschrieb die Entwicklung 1950 so: Es sei seit 1930 zu einem interessanten Wechsel im Status von Religion und Sexualität als angemessenem Studienobjekten innerhalb der Psychologie gekommen. Sexualität, das als Untersuchungsobjekt vorher verpönt gewesen war, wurde zu einem sehr modischen Thema innerhalb der Psychologie, während Religion und Spiritualität, die vor 1930 als Themen sehr populär waren, zu Tabuthemen wurden (vgl. Allport, 1950).

Aber was war passiert, dass es in dieser kurzen Zeit, zu einem so dramatischen Paradigmenwechsel kommen konnte? Eben noch waren Spiritualität und Religion das Modethema der neuen Wissenschaft Psychologie und jetzt wurden ihre Vertreter fast wie Aussätzige behandelt, ja schlimmer noch: Die Religionspsychologie als Fach innerhalb der psychologischen Fakultät starb einfach sang und klanglos aus (vgl. Beit-Hallahmi, 1974 S. 87ff.).

Die Gründe hierfür sind vielfältig und ich will sie hier mit Ihnen etwas näher untersuchen, da sie uns auch etwas darüber sagen, warum uns auch heute noch die Beschäftigung mit dem Thema der Spiritualität innerhalb von Psychologie und Psychotherapie oftmals so beklommen macht und wir nicht selten unter Rechtfertigungsdruck kommen, was denn dieses Thema im Rahmen von Psychologie und Psychotherapie zu suchen hat.

Neben der blossen Tatsache, dass ein Generationswechsel an den psychologischen Fakultäten stattfand, in denen die Gründergeneration und ihre engsten Schüler schlicht ausstarben, lässt sich dieser Paradigmenwechsel als eine fortschreitende Emanzipation der Psychologie von ihrer Mutter, der Philosophie, beschreiben, also weg von einer geisteswissenschaftlichen Haltung und Untersuchungsmethodik, hin zu den aufstrebenden Naturwissenschaften mit ihrem positivistischen Weltbild, das sehr viel mehr dem Zeitgeist entsprach.

Der Zeitgeist der 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts war ja stark durch die verheerend-zerstörerische Kraft des Ersten Weltkrieges, durch die Auflösung alter gesellschaftlicher und politischer Ordnung, durch die fortschreitende Säkularisierung, durch die Weltwirtschaftskrise und durch revolutionäre Neuerungen und Erkenntnisse im Bereich der Naturwissenschaften geprägt. Diese erfolgreichen Naturwissenschaften wurden zum Vorbild der jungen Wissenschaft Psychologie: Religion, Spiritualität und Philosophie passten nicht mehr in ihr Weltbild.

Die Religionspsychologie erstickte nicht zuletzt aber auch in der Umarmung durch die Theologie. Innerhalb der Theologie gab es ein grosses Interesse an der psychologischen Untersuchung religiöser Phänomene. Die Theologie versuchte auf diese Weise an dem neuen Bild von Wissenschaftlichkeit teilzuhaben, dass, wie wir gesehen haben, von den Naturwissenschaften her geprägt war. Für die Religionspsychologie waren dieses Interesse und die Nähe zur Theologie jedoch verheerend. Die Nähe und Abhängigkeit der Forscher zu konfessionellen Bekenntnissen und zur institutionalisierten Religion stand, so schien es, ihrer Objektivität und damit jeder Wissenschaftlichkeit im Wege.

Ein weiterer Grund lag darin, dass die radikale Subjektivität, wie sie in William James’ Definition von religiös-spirituellem Erleben zum Ausdruck kommt, von dem neuen wissenschaftlichen Paradigma, das gerade die Objektivität der Erkenntnis in den Vordergrund rückte, nicht erfasst werden konnte.

Die Religionspsychologie scheiterte also zum einem daran, dass sie den Paradigmenwechsel innerhalb der Psychologie nicht mitmachen konnte, da sich ihr Untersuchungsobjekt einfach nicht dazu eignete, mit naturwissenschaftlichen Methoden erforscht zu werden. Zum anderen wurde die Psychology of Religion zwischen den divergierenden Interessen der Theologie, die versuchte sie für sich zu vereinnahmen, und den neu aufkommenden Strömungen der Psychoanalyse und des Behaviorismus aufgerieben (vgl. Beit-Hallahmi, 1972). In dem neuen naturwissenschaftlichen Weltbild war für Religion und Spiritualität schlicht kein Platz mehr.

In dieser Zeit trat dafür eine andere Bewegung innerhalb der Psychologie und Psychotherapie ihren Siegeszug an, die sehr viel besser in die neue Zeit passte: der Behaviorismus. Der Mensch als «black box» ist geradezu das Gegenbild zu James’ mystischer Innerlichkeit. Hinzu kam, dass auch die Psychoanalyse, die an den Fakultäten immer mehr an Bedeutung gewann, durch Freuds religionsfeindliche Haltung gebunden war und ihre Vertreter durch die traumatische Trennung von Freuds Kronprinz Jung zusätzlich gewarnt waren.

Wenn wir uns mit jungianischer Begrifflichkeit diesem Paradigmenwechsel annähern, können wir ihn als eine Gegensatzspannung begreifen, bei der wir ein Umschlagen ins Gegenteil beobachten können. Das Religiöse oder «Numinose», wie Jung es bezeichnen würde, geht dabei aber nicht verloren. So wie er Freuds Einstellung zur Sexualität als ein Verhältnis zu einem Numinosum beschreibt, in dem das Sexuelle eine quasi-religiöse und in der Folge auch dogmatische Bedeutung bekommt, so können wir bei vielen Wissenschaftlern dieser Zeit einen Materialismus erkennen, der ebenfalls eine fast religiöse Verehrung erfährt. Positivismus und Materialismus werden so zu etwas Weltanschaulichem, das aber im Gewand der objektiven Wahrheit auftritt. Hier unterscheidet sich die Wissenschaft nicht mehr wesentlich von einer dogmatischen Religion, die sich ja auch im Besitz der objektiven Wahrheit wähnt.

Aber jede Revolution kennt ihre Konterrevolution, jede These ihre Antithese, jede übertriebene Einseitigkeit eine kompensatorische Entsprechung. Und so entwickelte sich in Psychologie und Psychotherapie, verzögert durch den Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg, in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wieder ein grösseres Interesse an Spiritualität – dies jedoch weniger in und an den etablierten Institutionen, die eisern an dem nun fest verankerten materialistisch-szientistischen Paradigma festhielten, sondern mehr im Untergrund. Wir schauen dafür noch einmal in die USA und greifen uns beispielhaft einen Protagonisten heraus, an dem sich diese Entwicklung gut zeigen lässt: Abraham Maslow.

Maslow wurde 1908 in einem slum district von New York als Sohn russisch-jüdischer Einwanderer geboren. Nach einigen Semestern Rechtswissenschaft war er eher zufällig zur Psychologie gekommen. In der Psychologie fühlte er sich vor allem von der optimistischen, wissenschafts- und fortschrittsgläubigen Haltung des Behaviorismus angezogen, der sich zu Beginn seines Studiums Mitte der 20er Jahre an den Universitäten zu etablieren begann. Im Behaviorismus sah er eine Möglichkeit, seine utopistisch-sozialistischen Ideale im Rahmen eines streng wissenschaftlichen Weltbilds zu verwirklichen. Maslow sagte später über diese Zeit: «Meine Ziele waren ganz eindeutig utopisch, messianisch, welt- und menschenverbessernd. Und hier schien es mir als hätte ich das Geheimnis beim Schopfe gepackt» (Maslow: zit. n. Wilson, 1983, S. 171).

Nach seinem Studium wurde er Schüler Edward Thorndikes, der selber ein Schüler John Watsons war. Thorndike bescheinigte ihm einen IQ von 195 und stellte ihn wohl auch deshalb als seinen Assistenten ein. Doch Maslows anfängliche Begeisterung für den Behaviorismus war bald der Ernüchterung gewichen, dass Experimente mit Ratten und Hunden kaum dem Erreichen seiner hochgesteckten Ziele dienlich waren. Auch der Funktionalismus Thorndikes konnte ihn nicht wirklich fesseln, und so war er froh, dass er 1937 an das Brooklyn College in New York wechseln konnte. Während dieser Zeit stiess er auf bedeutende Psychologen und Psychotherapeuten, die sich vor den Nazis nach New York geflüchtet hatten, wie die Gestaltpsychologen Max Wertheimer und Kurt Goldstein, die Psychoanalytiker Erich Fromm, Karen Horney und Alfred Adler und die Anthropologin Ruth Benedict. Sie alle lehnten das simple Reiz-Reaktions-Schema des Behaviorismus ab. Maslows Glauben an den Behaviorismus wurde aber noch durch ein ganz persönliches Erlebnis erschüttert:

«Die ganze behavioristische Psychologie, die ich gelernt hatte, hatte mich einfach nicht darauf vorbereitet, ein Kind zu haben. Ein Baby war ein solches Rätsel und Wunder und von solcher Ästhetik, und die ganze Arbeit mit Ratten und Silben nützte überhaupt nichts» (Maslow; zit. n. Wilson, 1983, S. 179).

Mitte der 40er Jahre hatte Maslow den Psychologen und Psychotherapeuten Anthony Sutich kennen gelernt, der ähnlich unglücklich mit der vorherrschenden Psychologie war wie er. Gemeinsam stellten sie fest, dass sie vom Hauptstrom der Psychologie isoliert waren. Um die beiden Dissidenten sammelte sich bald eine Gruppe von Abtrünnigen und es entstand zwecks besserem Austausch untereinander die Idee der Gründung eines eigenen Journals. Bis dahin dauerte es aber noch 15 Jahre. 1961 wurde Sutich schliesslich der Herausgeber des Journals of Humanistic Psychology. Im Vorwort zur ersten Ausgabe des Journals schreibt Sutich:

«Das Journal of Humanistic Psychology wurde gegründet von einer Gruppe von Psychologen […], die sich für die menschlichen Fähigkeiten und Potenziale interessieren, die weder in der positivistischen oder behavioristischen Theorie noch in der klassischen Psychoanalyse einen systematischen Platz haben: Das sind Kreativität, Liebe, Selbst, Wachstum, Organismus, basale Bedürfnisbefriedigung, Selbst-Aktualisierung, höhere Werte, Ich-Transzendenz, Objektivität, Autonomie, Identität, Verantwortlichkeit, psychologische Gesundheit usw. Dieser Ansatz kann auch charakterisiert werden durch die Schriften von Goldstein, Fromm, Horney, Rogers, Maslow, Allport, Angyal, Bühler, Moustakas usw., so wie durch bestimmte Aspekte der Werke von Jung, Adler und den psychoanalytischen Ich-Psychologen» (Sutich, 1961, S. viii; eigene Übersetzung).

Unter den Vorbildern der humanistischen Psychologie finden wir also nicht nur Jung und Adler, sondern auch Fromm und Horney sowie allgemein die psychoanalytische Ich-Psychologie. In ihrem Statement können wir aber noch etwas anderes erkennen. Zu den menschlichen Fähigkeiten und Potenzialen, die die humanistische Psychologie fördern will, gehören auch Ich-Transzendenz und Spiritualität. Zwei Jahre später wird die American Association for Humanistic Psychology gegründet und 1970 richtet die von Stanley Hall gegründete American Psychology Association eine Division of Humanistic Psychology ein.

Doch schon wenige Jahre nach der Gründung und noch vor der Anerkennung durch die APA beginnt die Humanistische Psychologie sich von innen heraus selbst zu transzendieren. Etwa seit Mitte der 60er Jahre hatte bei Maslow und Sutich ein Prozess eingesetzt, der ihr Interesse immer mehr in den Bereich von Religion, Spiritualität und mystischer Erfahrung gelenkt hatte. Doch ihr Interesse war keineswegs neu. So schreibt Sutich in seinen Erinnerungen:

«Ich selbst hatte schon im Jahre 1935 mehrere Male ein mystisches Erlebnis, oder etwas vergleichbares, mit und ohne psychedelische Substanzen. Ich hatte fast kontinuierlich seit 1927 über das Thema mystischer Zustände gelesen und diskutiert. […] Eines der Dinge, so erinnere ich mich, die mich an Maslow beeindruckten, war, dass er sich recht umfassend in die östliche Literatur eingelesen hatte» (Sutich, 1983, S. 72).

Zu einem Zeitpunkt als sich die akademische Psychologie fast vollständig von dem Thema der Religion und Spiritualität abgewandt hatte, wurde hier also das Fundament einer geistigen Gegenströmung gelegt. Bei Maslow und Sutich führte diese Beschäftigung, zusammen mit den daraus folgenden persönlichen Erfahrungen, dazu, dass sie die Psychologie ein weiteres Mal revolutionieren wollten.

1969 gründeten beide erneut eine Zeitschrift, die dieses Ziel vorantreiben sollte, das Journal of Transpersonal Psychology, und im selben Jahr die American Transpersonal Association. Im Journal of Transpersonal Psychology gab sich die Transpersonale Psychologie 1983 in einem Statement of Purpose eine Selbstdefinition:

«Das Journal of Transpersonal Psychology hat als Aufgabe die Publikation von theoretischer und angewandter Forschung, Erstveröffentlichungen, empirischen Artikeln, Aufsätzen und Studien zu Metabedürfnissen, übergeordneten Werten, einheitlichen Bewusstseinserfahrungen, Gipfelerlebnissen, Extasen, mystischen Erfahrungen, Essenz, Glückseligkeit, Ehrfurcht, Verwunderung, Selbstaktualisierung, ultimativer Bedeutung, Selbsttranszendenz, Geist, Sakralisierung des täglichen Lebens, Einheit, kosmisches Gewahrsein, kosmisches Spiel, individueller und speziesweiter Synergie, maximaler interpersoneller Begegnung, transzendenter Phänomene, maximaler Sinneswahrnehmung, Empfänglichkeit und maximaler Ausdruck sowie damit verbundene Konzepte, Erfahrungen und Aktivitäten» (Lajoie et al., 1991, S. 175f.).

Unschwer zu erkennen ist das weiterhin bei Maslow vorhandene utopisch-messianische Element. Man kann regelrecht «high» werden bei dieser Auflistung. Nicht zufällig wird das Journal of Transpersonal Psychology 1969 gegründet. Die grossen gesellschaftlichen Bewegungen dieser Zeit, wie Bürgerrechtsbewegung und sexuelle und psychedelische Revolution finden hier ihren Niederschlag. In der Folge setzte sich unter Studierenden und anderen jungen Menschen ein wahrer Treck Richtung Osten, vor allem nach Indien, in Bewegung. Viele waren auf der Suche nach Sinn und spiritueller Orientierung. Gleichzeitig gab es in Indien eine noch lebendige Tradition von Lehrern und Lehrsystemen, wie Yoga und Advaita. Dazu kamen die in den 50er Jahren vor den Chinesen nach Indien geflohenen Tibeter, die ihre besondere Form des Buddhismus, den Vajrayana-Buddhismus, nach Indien und in die westliche Welt brachten. Nach dem Zweiten Weltkrieg hatte sich das lange isolierte Japan der Welt geöffnet und die spezifisch japanische Variante des Buddhismus, der Zen-Buddhismus, wurde ausserhalb Japans bekannt. Neben den Suchenden gab es so auch Lehrer, die etwas vermitteln konnten und es dauerte nicht lange bis beide zueinander fanden.

Die Transpersonale Psychologie ritt gewissermassen auf dieser Welle, blieb aber in ihrem Selbstverständnis zu sehr anti-akademisch und richtete sich zu deutlich gegen das Establishment, um an den Institutionen Fuss fassen zu können. Sie war zwar anders als die Religionspsychologie nicht konfessionell und in diesem Sinne der Wissenschaft und dem wissenschaftlichen Denken leichter zugänglich, aber sie wiederholte andere Fehler der Psychology of Religion der 20er und 30er Jahre. So wandte sie das naturwissenschaftliche Paradigma naiv auf die spirituelle Erfahrung an, etwa indem sie Meditierende im Labor an ein EEG anschloss und damit das Geheimnis der Meditation zu entschlüsseln versuchte. Damit sind wir aber nicht viel weiter, als bei den von Maslow beklagten Experimenten mit Ratten und Hunden.

Der tibetische Gelehrte und Meditationsmeister Chögyam Trungpa hat diese Haltung, in der versucht wird, Spiritualität zu verdinglichen und zu einer Sache, die sich messen und naturwissenschaftlich untersuchen und nutzbar machen lässt, zu machen, als «spirituellen Materialismus» bezeichnet. Spiritueller Materialismus bezeichnet für ihn einen Zustand, in dem sich das Ich die Spiritualität unterwirft und für seine Ziele einsetzen will:

«Es ist wichtig zu erkennen, dass das Hauptziel jeder spirituellen Praxis darin besteht, sich der Bürokratie des Egos zu entziehen. Das heißt, das ständige Verlangen des Egos nach einer höheren, spirituelleren, transzendenteren Version von Wissen, Religion, Tugend, Einsicht, Trost oder was immer dieses besondere Ego auch suchen mag, nicht mehr zu unterstützen. Wir müssen aus dem spirituellen Materialismus aussteigen» (Trungpa, 1989, S. 23).

Der Theologe Johannes Toegel, greift in seiner Dissertation den Begriff des spirituellen Materialismus von Trungpa auf und formuliert ihn weiter aus:

«Ich definiere […] den spirituellen Materialismus als jene Geisteshaltung, die an den transzendenten Bereich der Wirklichkeit im Prinzip so herangeht, als wäre er materiell. […] Trifft diese Haltung auf den transzendenten Bereich, dann wird sie ihn ebenso wie den materiellen erforschen wollen. Sie wird ihn ‹bereisen›, ‹kartographieren›, ja ‹erobern› und ‹besitzen› wollen. Und sie wird versuchen, ihn mit denselben Werkzeugen und mit denselben Methoden zu unterwerfen, die in der physischen Welt erfolgreich sind» (Toegel, 1991, S. 172).

Genau das aber ist die Agenda der Transpersonalen Psychologie oder doch ein Grossteil von ihr: die wissenschaftliche Untersuchung, Kartografierung und Beherrschung der Spiritualität. Gerade das kann aber nicht gelingen, da es dem Wesen des Spirituellen, wie wir gesehen haben, nicht entspricht. Demzufolge waren die Ergebnisse der Transpersonalen Psychologie im Vergleich zu ihren hohen Ansprüchen ziemlich kläglich. Sie konnte das Dilemma, wie sich Wissenschaft und Religion miteinander versöhnen lassen, ebenso wenig lösen wie die Psychology of Religion in den USA der Jahrhundertwende.

Die Transpersonale Psychologie blieb daher im Grossen und Ganzen ein Kind der Sonne Kaliforniens. Dort konnte sie an einigen psychologischen Fakultäten Fuss fassen und auch eine fruchtbare Zusammenarbeit mit psychotherapeutisch arbeitenden Kollegen aufbauen. Ausserhalb Kaliforniens mochte sie allerdings nicht so recht gedeihen. Eine eigene Division in der APA scheiterte am erbitterten Widerstand anderer Divisionen, wie etwa der Division for Physiology.

Es gab aber eine andere Bewegung, die in den 70er Jahren ihre Wiederauferstehung feiern konnte, nämlich die Religionspsychologie. Ihr gelang es schliesslich eine eigene Division innerhalb der APA zu bilden. Diese ging aber nicht auf Hall, den Begründer der APA zurück, der sich, wie wir gesehen haben, intensiv für religiöse und spirituelle Fragestellungen interessierte, sondern auf die American Catholic Psychological Association (ACPA). Diese wurde 1946 von dem Jesuiten William Bier mit dem Ziel gegründet, das angespannte Verhältnis der römisch-katholischen Kirche zur Psychologie zu entschärfen. Aufgrund der kritischen Haltung der katholischen Kirche war der Anteil der Katholiken unter den Psychologen und Psychotherapeuten gering und Psychologie wurde an den meisten katholischen Institutionen, das heisst Schulen und Universitäten, von Nicht-Psychologen unterrichtet. Die Organisation und ihr Einfluss wuchs jedoch beständig und so konnte sie Anfang der 70er Jahre das Erreichen ihrer Ziele verkünden: Der prozentuale Anteil an Katholiken unter den Psychologen hatte sich stark vermehrt und die Lehre in Psychologie wurde an katholischen Universitäten durchweg von diplomierten Psychologen versehen. Eine spezifisch katholische Organisation für Psychologie erschien daher entbehrlich, sodass man sich für Angehörige anderer Konfessionen öffnete. Ihr Name wurde geändert in «Psychologists Interested in Religious Issues» (PIRI) (vgl. hierzu Belzen, 2015, S. 164ff.).

In den folgenden Jahren kam es zu einer immer grösseren Annäherung an die APA und 1976 wurde die PIRI als Division 36 in die APA inkorporiert. 1992 wurde sie in «Division of Psychology of Religion» und 2012 in «Society for the Psychology of Religion and Spirituality» umbenannt.

1996 wurde von der Division 36 ein Sammelband (Shafranske, 1996) zu religionspsychologischen Themen, einschliesslich vieler klinischer Aufsätze, herausgegeben, der auf grosse Resonanz stiess und ein grosser kommerziellen Erfolg wurde. Seit diesem überraschenden Erfolg half die APA dabei, den ehemaligen Status der Religionspsychologie als Tabugebiet der Psychologie zu überwinden. Mittlerweile gibt es eine ganze Reihe vergleichbarer Veröffentlichungen (vgl. Belzen, 2015, S. 166, 249ff.). 2009 gründete die Division 36 eine eigene Fachzeitschrift, die Psychology of Religion and Spirituality. Seit 2014 gibt die APA die Zeitschrift Spirituality in Clinical Practice heraus.

Wie sie sehen gab es hier seit den 90er Jahren eine rasante Entwicklung, die sich in den letzten Jahren zunehmend beschleunigte. In Deutschland und Europa lassen sich, mit leichter Verspätung, ähnliche Trends ausmachen. Auch hier tauchen immer mehr Sammelbände und Monografien zu den genannten Themen auf und insbesondere die Aufsätze in den grossen Fachzeitschriften nehmen zu (vgl. Belzen, 2015, S. 249ff.).

Wie aber konnte es zu dem abermaligen Paradigmenwechsel kommen?

Am Beispiel der Entwicklung der Division 36 erkennen wir ein Motiv, das uns jetzt schon in verschiedenen Variationen begegnet ist. Wir sehen über 60 Jahre hinweg eine fortschreitende Säkularisierung und Entkonfessionalisierung weg von einer katholischen Standesorganisation, die ein Nischendasein fristet, hin zu einer eigenständigen Gesellschaft mit einer offenen Herangehensweise an den Bereich der Religion und Spiritualität. Von dieser Offenheit fühlten sich offenbar auch die Psychologen und Psychotherapeuten angezogen, sodass die Fachgesellschaft mittlerweile über 2000 Mitglieder zählt.

Hinzu kommt, dass wir seit den 60er Jahren ein kontinuierliches Interesse an vor allem östlichen spirituellen Traditionen und Meditationstechniken in den westlichen Industrieländern erkennen können. Dabei lässt sich über die Zeitspanne eine gewisse Reifung und zunehmende Ernsthaftigkeit in diesem Interesse erkennen. In den 70er und 80er Jahren spielten für viele Suchende der Wunsch nach sexueller Befreiung und Bewusstseinserweiterung durch Drogen noch eine grosse Rolle. Am Beispiel von Bhagwan Shree Rajneesh und seinen Anhängern konnte man das gut beobachten. Bhagwan, der sich als spiritueller Lehrer und Guru präsentierte, steht auch für den Missbrauch von spirituellen Heilsversprechen und der Täuschung mit dem Ziel der persönlichen Bereicherung und Ausbeutung.

Bei Bhagwan, wie bei vielen seiner Schülerinnen und Schülern und auch anderen selbsternannten Gurus, liegt aber ein fundamentales Missverständnis über die Beziehung zwischen Schüler und spirituellen Lehrer vor. Es kann in der Beziehung zum spirituellen Lehrer eben gerade nicht um ein blindes Vertrauen und ein Abtreten der eigenen Spiritualität an jemand anderes gehen. Jung hat darauf verschiedentlich hingewiesen und in seiner wichtigen 5. Vorlesung am Londoner Tavistock Institute dies im Rahmen seiner Überlegungen zum Übertragungsbegriff eindrücklich beschrieben.

Wenn Patienten Aspekte des Selbst, Jung spricht hier von einem «Erlöserarchetyp», auf den Therapeuten projizieren, dann müssen wir, so Jung, der Versuchung widerstehen uns mit diesem zu identifizieren, so verlockend das auch sein mag (vgl. Jung, 1935, GW 18/1, S. 352ff.). Wir müssen vielmehr diesen projizierten Erlöserarchetyp dem Patienten zurückgeben, sodass dieser diese Projektion als Teil seines Selbst erkennen kann. Wohl bemerkt: seines Selbst, nicht seines Ichs. Das wäre nur eine Verlagerung des Problems ins Innere des Patienten, mit den bekannten Nebenwirkungen der Inflation und der Gefahr der psychotischen Überschwemmung. Jung hatte im Burghölzli reichlich Anschauungsmaterial an Patienten, die sich für Jesus, Gott oder Ähnliches hielten. Der Heiland ist eben weder der Therapeut noch das eigene Ich, sondern eine Projektion der im Menschen innewohnenden Potenzialität.

Das gleiche gilt auch für den spirituellen Lehrer oder Guru. Auch der Guru ist laut Jung nicht die Quelle der Erlösung, sondern ein Symbol für das Selbst und damit für etwas was mir als Potenzialität ohnehin schon innewohnt. Wir sollten uns davor hüten, in dem Kontakt und im Austausch mit den östlichen spirituellen Traditionen die emanzipatorischen Errungenschaften des Westens aufzugeben. Weder in der Therapie noch in der Beziehung zum spirituellen Lehrer macht es Sinn, den gesunden Menschenverstand auszuschalten und die Erlösung in einer magischen Vater- oder Muttergestalt zu suchen. Vielmehr geht es um einen Reifungsprozess, in dem wir auf existenzielle Weise unser eigenes Wesen entdecken und entwickeln. Auf diesem Weg kann die Beziehung zu einem anderen Menschen, der für mich die Lehrer- oder Therapeutenrolle übernimmt, von unschätzbaren Wert sein.

Wenn wir also in unseren Behandlungen mit dem Thema der Spiritualität in Kontakt kommen, sollten wir uns dieser Fallstricke bewusst sein. In der Therapie sind die bewährten Grundsätze der Abstinenz, des therapeutischen Rahmens und der Reflexion des Übertragungs- und Gegenübertragungsgeschehens bewährte Schutzfaktoren. Abstinenz muss in diesem Zusammenhang eben auch Zurückhaltung in weltanschaulichen Fragen heissen, indem ich den Patienten unterstütze, seinen eigenen Weg zu finden. Der therapeutische Rahmen fordert den Verzicht, dem Patienten als spiritueller Lehrer oder Guru gegenüberzutreten, so subtil sich das auch gestalten mag.

Freud steht in besonderer Weise für diese Haltung und hat auf die Gefahren einer unreflektierten Vermischung von Psychotherapie und Religion hingewiesen. Jung dagegen steht in besonderer Weise für die gelungene Integration von östlicher und westlicher Spiritualität in den therapeutischen Prozess. Ich denke, wir tun heute gut daran, beide Traditionen zu würdigen und bei unserer Arbeit zu berücksichtigen. Jung spricht oft davon, dass es neben einem reduktiv-analytischen Teil, der sich im Wesentlichen an der Methode Freuds orientiert, auch eines synthetischen Teils im psychoanalytischen Prozess bedarf. Auf das Thema der Spiritualität angewandt könnte dies bedeuten, dass es in einem ersten Teil um die Verletzungen, Enttäuschungen, Irrwege und Traumata geht, die wir in Bezug auf Religion und Spiritualität im Lebensweg erlitten haben, während es im synthetisch-konstruktiven Teil darum gehen kann, einen neuen frischen eigenen Zugang zur Spiritualität zu gewinnen. Dieser kann mit einem erwachenden Interesse an den spirituellen Traditionen des Ostens oder Westens einhergehen, muss es aber nicht, denn auch in der Beschäftigung und Begegnung mit der Kunst, der Natur, in intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen oder auch ganz anderen Lebensbereichen kann Spiritualität oder Transzendenz erfahren werden.

Doch zurück zur Frage des zweiten Paradigmenwechsel, das heisst zur Hinwendung der Psychotherapie und der Psychotherapeuten zum Thema der Spiritualität, wie wir sie in verschiedenen Intensitäten seit Ende der 60er Jahre und verstärkt seit den 90er Jahren beobachten können.

Seit den 60er Jahren können wir, so denke ich, einen Reifungsprozess innerhalb der Psychologie bei vielen Psychotherapeuten, aber auch insgesamt innerhalb der Gesellschaft in der Auseinandersetzung mit dem Thema der Spiritualität, vorrangig der östlichen Systeme, wie Yoga oder Buddhismus, erkennen. Die übertriebenen Heilserwartungen und der Wissenschafts- und Fortschrittsglaube, wie sie sich etwa in der Transpersonalen Psychologie, aber auch in der ersten Blütezeit der Religionspsychologie zur Jahrhundertwende gezeigt hatten, haben sich nicht erfüllt. Im Schlagwort des spirituellen Materialismus sind diese Tendenzen und ihr Scheitern gut zusammengefasst. Dennoch haben beide Bewegungen eine wichtige Rolle gespielt. Sie haben einen Diskurs in Gang gesetzt und viel Vorarbeit geleistet, von der wir heute profitieren können. Insbesondere gab es viele kulturvergleichende Studien zwischen östlichen spirituellen Systemen und westlicher Psychotherapie, die zum Teil erstaunliche und unerwartete Ähnlichkeiten und Parallelen, aber auch wichtige Unterschiede deutlich gemacht haben (vgl. u. a. die Ausgaben des Journal of Transpersonal Psychology seit 1969).

Ein weiterer Grund dieses Paradigmenwechsels ist, dass die grossen Psychotherapieschulen zunehmend ihren Charakter als Glaubenssysteme verlieren. Seit der kognitiven Wende erleben wir einen pragmatischen und eklektizistischen Ansatz in der Verhaltenstherapie, in der sich auch tiefenpsychologische Ideen oder Techniken wie MBSR, also meditative Techniken, leicht integrieren lassen. Aber auch innerhalb der Psychoanalyse, ebenso in der analytischen Psychologie erleben wir einen Wandel weg von konfessionell-weltanschaulichen Tendenzen hin zu einer säkularen Profession ohne dogmatische Lehren und Denkverbote. Und auch in der Wissenschaft lassen sich diese Tendenzen beobachten. So hat das einseitig positivistisch-szientistische Paradigma der Wissenschaft in vielen Bereichen ausgedient, auch wenn die akademische Psychologie oft noch an den alten Strukturen festhält.

Wenn aber Wissenschaft und Psychoanalyse ihren dogmatischen Charakter weitgehend verloren haben und auch die traditionellen konfessionellen Bindungen abnehmen, entsteht ein Raum, in dem aufs Neue die Frage nach der Wahrheit, dem Sinn, dem Spirituellen und der Religion gestellt werden kann. Jung hat die Abwesenheit von gelebter Spiritualität und die Suche nach dem Sinn und der letzten Wahrheit als den tieferen Grund der meisten Neurosen seiner Patienten bezeichnet. Auch heute – und möglicherweise verstärkt heute – kommen Patientinnen und Patienten zu uns, die unter der Orientierungslosigkeit, Sinnlosigkeit und Leere des postmodernen Lebens leiden.

Auch unter uns Psychotherapeuten hat die Suche nach dem Sinn und die Beschäftigung mit dem Spirituellen in den letzten Jahren zugenommen. Zwar zeigen uns alle Untersuchungen und Umfragen schon seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts, dass Psychologen und Psychotherapeuten immer unter den Akademikern rangierten, bei denen die religiös-konfessionelle Bindung am geringsten ausgeprägt ist – was übrigens gleichermassen für die Psychiater gilt. Unter allen Ärzten haben sie die geringste religiös-konfessionelle Bindung. Das ist in US-amerikanischen Umfragen so, aber auch in solchen, die deutsche oder englische Behandelnde betreffen. Aber – und das ist ein Trend, der in den letzten Jahren und Jahrzehnten zugenommen hat – das Interesse an Spiritualität, das heisst an eigener Erfahrung des Transzendenten, ist in unserer Berufsgruppe ungewöhnlich hoch (vgl. Ludwig & Plaum, 1998; Shafranske, 1996).

Damit folgen die Psychologen und Psychotherapeuten einer Tradition, die, wie wir gesehen haben, schon mit William James beginnt, der sich eben nicht für konfessionsgebundenen Glauben und Institutionen, sondern für die mystisch-spirituelle Erfahrung des Einzelnen interessierte. Ähnliches galt ja, wie sie wissen, für Jung, aber auch für Maslow und Sutich und viele andere Psychotherapeuten. Und in gewisser Weise integrieren wir Heutige in diese Gruppe von Pionieren auch Freuds emanzipatorisch-religionskritischen Ansatz, wenn auch nicht in seiner Ausschliesslichkeit, wohl aber in seiner Kritik an dogmatischen Institutionen, Ritualen und Glaubenssätzen.

Lange Zeit erschien es nicht als opportun, über die persönlichen spirituellen Erfahrungen, ob mit Patienten oder ohne sie, unter Kollegen zu berichten und diese in Beziehung zu setzen mit unserer therapeutischen Arbeit. Zu gross war die Angst als unwissenschaftlich gebrandmarkt zu werden oder dem Freud’schen Diktum folgend aus der psychoanalytischen Community ausgeschlossen zu werden. Dieses Tabu scheint aber nun an Kraft zu verlieren und ein grosser Hunger an Informationen und Austausch zu diesem Thema wird sichtbar.

Für Jung war die Verbindung von Spiritualität und psychotherapeutischer Praxis ohnehin das zentrale Lebensthema. Das führte dazu, dass unter Jungianern die Beschäftigung damit auch nie ganz ausstarb. Dennoch konnten sich auch die jungianisch arbeitenden Psychotherapeuten nicht ganz dem Zeitgeist entziehen. Andere Themen, die die Psychotherapie und Psychoanalyse insgesamt beschäftigten, wie Bindungsforschung, Säuglingsforschung oder Psychotherapieforschung etc. nahmen auch in der analytischen Psychologie immer grösseren Raum ein. Zudem hatten die Jungianer auf klinischen Gebiet, im Sinne von Veröffentlichungen in diesem Bereich, einen nicht zu leugnenden Aufholbedarf. Auch die Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und der Geschichte Jungs und der analytischen Psychologie als Ganzes war ein wichtiges Thema der letzten Jahrzehnte, das Zeit und Ressourcen in Anspruch nahm.

In der Wahrnehmung der anderen psychotherapeutischen Schulen, insbesondere auch der Freud’schen Psychoanalyse, war die analytische Psychologie dagegen kaum präsent. Dies könnte sich jetzt vielleicht ändern. Denn wir sehen uns plötzlich in einer Situation, in der es über alle Therapieschulen hinweg ein steigendes Interesse an Spiritualität gibt. Auf einmal befindet sich die analytische Psychologie Jungs mit einem Thema, mit dem sie sich schon sehr lange auseinandergesetzt hat, auf der Höhe des Zeitgeistes. Einem Thema, das zu ihren Kernkompetenzen zählt und in dem ihnen von anderen Therapieschulen etwas zugetraut wird. Aber auch wir Jungianer müssen uns, denke ich, neu mit dem Thema der Spiritualität auseinandersetzen, alte Fehler vermeiden und den Dialog sowohl mit den spirituellen Traditionen wie auch mit den anderen Therapieschulen suchen.

Literatur

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Beit-Hallahmi, B. (1974). Psychology of Religion 1880–1930: The Rise and Fall of a Psychological Movement. Journal of the History of the Behavioral Sciences, 10(1), 84–90.

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Belzen, J. A. von (2015). Religionspsychologie. Eine historische Analyse im Spiegel der Internationalen Gesellschaft. Berlin: Springer.

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James, W. (1928 [1902]). The Varieties of Religious Experience: A Study in Human Nature. New York: Longmans, Green & Co.

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Wilson, C. (1983). Abraham H. Maslow – eine biographische Skizze. In E. Ruschmann (Hrsg.), Die Begründung der Transpersonalen Psychologie (S. 163–181). Freiburg: GTP Verlag.

Wulff, D. M. (1991). Psychology of Religion: Classic and Contemporary Views. New York: Wiley.

The changeful Relationship of Spirituality and Psychotherapy: A jungian Perspective

In this historical review, the complex and intertwined history of psychology, psychotherapy, religion, and spirituality is examined in order to assess current developments in the relationship between spirituality and psychotherapy. In particular, this review refers back to the psychology of religion movement, which won many active supporters from 1880 to 1930 in the U. S. – including the grandfathers of American psychology William James and G. Stanley Hall. Two paradigm shifts followed: first, a shift away from the topic of religion and spirituality and toward a strictly empirical science modeled on physics, and then, in the late 1960s through the 1990s, a return to an attempt to integrate spirituality into psychotherapy processes. This latter shift is characterized by an increasing secularization and deconfessionalization within psychology and psychotherapy and a focus on inner, subjective experience.

Keywords: Spirituality, history of psychology, psychotherapy, psychology of religion, paradigm shift

La mutevole relazione tra spiritualità e psicoterapia

In una retrospettiva storica viene esaminata la complicata storia di psicologia, psicoterapia, religione e spiritualità, al fine di approfondire lo sviluppo passato della relazione tra spiritualità e psicoterapia. Inoltre si fa riferimento tra l’altro alla psicologia del Religion Movement, che negli Stati Uniti dal 1880 al 1930 ebbe numerosi membri attivi, tra i quali i padri fondatori della psicologia americana William James e G. Stanley Hall.

Seguono due mutamenti di paradigma, dapprima un allontanamento dai temi della religione e della spiritualità verso una scienza rigorosamente empirica, sul modello della fisica, e quindi dai tardi anni Sessanta fino agli anni Novanta un ritorno a un tentativo d’integrazione della spiritualità nel processo psicoterapeutico. Si arriva di conseguenza a una crescente secolarizzazione e sconfessionalizzazione nell’ambito della psicologia e della psicoterapia e a una focalizzazione sull’esperienza interiore soggettiva.

Parole chiave: spiritualità, storia della psicologia, psicoterapia, psicologia della religione, mutamento di paradigma

Der Autor

Joachim Raack, Psychoanalytiker (DGPT, DGAP), Gruppenanalytiker. Studium der Philosophie, vergleichenden Religionswissenschaften und Politologie in Bonn und Paris (Paris IV/la Sorbonne) und Psychologie in Berlin. Maîtrise in Philosophie und Diplom in Psychologie. Dozent am IPR und am C. G. Jung-Institut in München. Niedergelassen in eigener Praxis in Köln.

Kontakt

Joachim Raack

Rückertstraße 10

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Anmerkungen

1 Dieser Aufsatz erschien erstmals in der Zeitschrift Analytische Psychologie im Verlag Brandes & Apsel: Anal. Psychol., 47(4).