Editorial

Peter Schulthess

Und sie bewegt sich doch, die Entwicklung der Psychotherapie

Ein freies Heft bietet die Chance, verschiedene Aspekte zur Psychotherapie zu erfassen. Das geschieht in diesem Heft auf eindrückliche Weise. Nebst Beiträgen zu inhaltlichen Veränderungen in Psychotherapiekonzeptionen finden sich ein Beitrag zur Feminisierung der Psychotherapie, sowie drei Beiträge zur Forschung. Ist das nicht ein erfreulicher Mix?

Wer gedacht hat, die Therapietheorien seien gemacht, die Grenzen zwischen den Ansätzen gezogen, der sieht sich einmal mehr eines besseren belehrt. Richtungsübergreifende Konzeptionen führen die Schulenentwicklungen erfreulicherweise weiter. „There is no end on integration“, wie der Gestalttherapeut Fritz Perls einmal sagte.

Heinrich Berbalk ist bekannt als Exponent der kognitiven Verhaltenstherapie, der diese kritisch diskutiert, weiterentwickelt und mit Konzepten der Schematherapie verbindet. Im vorliegenden Beitrag stellt er eine Person-geleitete Verhaltenstherapie dar, die er als Erweiterung der Klinischen und der Persönlichkeitspsychologie verstanden haben möchte. Er überbrückt dabei auch den bisherigen Graben der Verhaltenstherapie zur humanistischen Psychotherapie, zur systemischen Therapie und zur Tiefenpsychologie.

Schulenübergreifendes Denken findet sich auch in den Beiträgen von Pia McMahon und Mario Schlegel, diesmal zwischen Schematherapie und Jungscher Analytischer Psychologie. Pia MacMahon zeigt, was für eine Ressource Märchen bei maladaptiven Schemata und pathogenen Komplexepisoden sein können.

Mario Schlegel, als an vergleichender Psychotherapie Interessiertem, hat dieser Beitrag herausgefordert, einen Diskussionsbeitrag zu verfassen, welcher historische und konzeptionelle Gemeinsamkeiten der Analytischen Psychologie und der Schematherapie nachzeichnet.

Eva Jaeggi nimmt mit dem Thema der Feminisierung des Psychotherapeutenberufes ein aktuelles Gender-Thema auf. Immer weniger Männer sind in diesem Beruf anzutreffen. Dazu macht sie sich Gedanken zu Ursachen und Konsequenzen und stellt einige Hypothesen auf.

Eine weitere Publikation zur Praxisstudie ambulante Psychotherapie Schweiz (PAP-S) präsentieren Crameri et al. Im vorliegenden Beitrag wurde die Ergebnisqualität der untersuchten 300 ambulanten Psychotherapien untersucht. Die Analyse der Prä-Post Veränderungen zeigt grosse signifikante Effektstärken. Ein Vergleich mit Outcome-Untersuchungen von kognitiv-behavioralen Behandlungsansätzen zeigt, dass unter naturalistischen Praxisbedingungen die Effektivität der untersuchten humanistischen und tiefenpsychologischen Therapien vergleichbar ist mit jenen von evidenzbasierten kognitiv-verhaltenstherapeutischen Verfahren.

2004 bis 2014 hat die Donauuniversität Krems in Kooperation mit der Schweizer Charta für Psychotherapie viermal den Universitätslehrgang „Psychotherapeutische Psychologie“ angeboten. Er war gedacht für PsychotherapeutInnen, die aus anderen Grundstudien zum Psychotherapeutenberuf wechseln wollten und sich dazu nebst ihrer richtungsspezifischen Weiterbildung zum Psychotherapeuten auch das notwendige Grundlagenwissen aus psychotherapierelevanten Fächern erwerben mussten. Da sich dieser Ausbildungsweg im Zug der Gesetzgebung in der Schweiz nicht halten konnte, musste dieses Angebot eingestellt werden. In der Schwesterzeitschrift „Psychotherapie Berufsentwicklung“ findet sich aus diesem Anlass eine Würdigung des Studienganges. Vorliegend wird von Alexandra Koschier und Anton Leitner eine wissenschaftliche Evaluation des Universitätslehrganges präsentiert, welche sehr gute Resultate zeigt.

Die Kompetenzforschung im Felde der Psychotherapie liegt noch in den Anfängen. Will sich die Psychotherapie als eigenständiger (aber auch als psychologischer) Beruf etablieren, so wird man formulieren müssen, was denn für Kompetenzen von Psychotherapeuten erwartet werden dürfen. In der EAP (European Association for Psychotherapy) hat sich ein Projekt ergeben, das die beruflichen Kompetenzen von Psychotherapeuten beschreibt. Das Projekt hat die Phase der Festlegung genereller Berufskompetenzen beendet und befindet sich nun in der Phase der Erarbeitung richtungsspezifischer Berufskompetenzen. Der Beitrag von Young et al. ist ursprünglich 2013 im International Journal for Psychotherapy auf englisch erschienen und wird hier in etwas überarbeiteter Form auf deutsch präsentiert.